Günzenhausen:Die Jahrhundert-Baustelle

Günzenhausen: Befestigt: Die Friedhofsmauer in Günzenhausen ist mit Eisenstangen im Erdreich gesichert worden, um den ganzen Berg zu stabilisieren.

Befestigt: Die Friedhofsmauer in Günzenhausen ist mit Eisenstangen im Erdreich gesichert worden, um den ganzen Berg zu stabilisieren.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Kirche des Ortes bietet seit jeher Stoff für Dorfchronisten, mancher Pfarrer fürchtete wegen der Einsturzgefahr um sein Leben. Eine Verankerung der Stützmauer soll die statischen Probleme endgültig lösen

Von Klaus Bachhuber, Günzenhausen

Zu den prägenden und historisch markanten Attributen eines Ortes zählt eine Friedhofsmauer nur selten. In Günzenhausen dagegen füllt die eigentümliche Historie mit Katastrophen und Unfällen um die Mauer ein eigenes mehrseitiges Kapitel in der Dorfchronik. Das Mauerwerk ist weit mehr als eine bloße Einfriedung: Es trägt und stützt den gesamten Kirchberg, der vor Jahrhunderten in die ansteigende Hügelkante modelliert wurde und auf dem die Kirche St. Laurentius trohnt. Mit der gerade laufenden Grundsanierung soll die Epoche der "maroden Mauer" nun endgültig abgeschlossen werden.

Warum die Kirche ausgerechnet hier platziert wurde, wo diese aufwendige Konstruktion einer Stützmauer in drei Himmelsrichtungen notwendig wurde, bleibt das Geheimnis früherer Generationen. Eine Kirche in Günzenhausen soll in einer Urkunde aus dem Jahr 845 über "cuncinhusir" erstmals nachweisbar sein. Über Standort und Aussehen ist vorerst nichts bekannt. Die Chronik der Kirche durchzieht eine Reihe von Einstürzen und Hinweise auf die Baufälligkeit des Gebäudes, viele der Probleme dürften durch den ungenügend befestigten Untergrund verursacht worden sein, bewirkt wiederum durch die marode Mauer.

Als Ende der 1980er Jahre mal wieder ein Riss im Mauerwerk aufzeigte, dass sich der Kirchturm vom Kirchenschiff wegzuneigen begann, wurde dies noch mit einer umfassenden Kirchensanierung gelöst, bei der auch der Turm mit dem Gebäude verschraubt wurde. Als dann 2008 Brocken aus dem Mauerwerk der Friedhofsmauer geschwemmt wurden, setzte das Erzbischöfliche Ordinariat zu einer großen Lösung an.

An die 60 Bodenanker wurden im Sommer 2014 zur statischen Absicherung in das Erdreich getrieben. In bis zu zehn Meter langen aneinander verschraubten Eisenstangen wurde das Mauerwerk, laienhaft formuliert, an den Berg angedübelt. Die Abdeckungen der Bodenanker sind als farbig abgesetzte Platten im Mauerwerk erkennbar.

Als zweite Etappe nach dieser rund dreiwöchigen Grundsicherung wurde der Mauerkranz mit Kupferblech abgedeckt und an der Innenseite der Mauer eine Drainage ins Erdreich verlegt. So soll ein weiteres Ausschwemmen der Verfugungen wie der Fundamente verhindert werden. Als dritter Abschnitt steht nun noch eine neue Klinkerverkleidung für die gesamte Mauer an. Dazu wird die äußere Schicht abgeschlagen und durch moderne Klinker ersetzt. Diese Korrektur war zunächst für 2015 geplant, wurde dann aber verschoben und steht derzeit noch ohne feste Terminierung auf der Agenda.

In den Akten der Pfarrei Fürholzen, zu der St. Laurentius als Filialkirche gehört, ist schon 1590 eine Kirchensanierung vermerkt, 1630 dann der Kauf von Baumaterial für eine weitere Reparatur. Bei einem Blitzschlag wenig später brennt der Turm ab und wird durch einen Neubau ersetzt, 1660 muss das eingefallene Kirchendach erneuert werden. Irgendwie bleibt die Kirche aber permanent baufällig. Bei einer Art Inventur durch den Freisinger Fürstbischof meldet der Fürholzener Pfarrvikar 1671, dass der Altar in St. Laurentius "solcher Gestalt schlecht und alt bestellt ist, dass gleichsam alles hieran wanket und der Priester unterm Zelebrieren nicht sicher ist vor dem Einfallen".

1717 wird nach Freising gemeldet, dass die Günzenhausener Kirche dem Einsturz geweiht sei. Allerdings fehlt das Geld für einen Neubau, so dass vier Jahre später immer noch um günstigere Lösungen gerungen wird. Auch der fürstbischöfliche Hofmaurermeister urteilt jedoch, dass die Kirche einstürzen werde, "weil das Fundament mit der Last zu weichen beginnt". Geld aus Freising fließt jedoch weiter nicht, wohl weil 1723 eine neue Kirche in Fürholzen gebaut wurde.

16 Jahre später steht St. Laurentius immer noch, allerdings nach "gründlicher Unterpolzung des Chorgewölbes". Der Bericht an den Fürstbischof schließt: "In dieser Kirche könne niemand mehr seines Lebens sicher sein". Dann stellt Freising Geld bereit, so dass die Kirche laut Akten "grundlegend umgestaltet" wird, wohl im barocken Zeitgeschmack. Eine weitere grundlegende Reparatur ist 1846 aktenkundig, dabei wird der Kirchenraum erweitert.

Mit der Friedhofsmauer ist der Freisinger Fürstbischof auch schon 1678 befasst, weil sie nach Südwesten, zum Wirt hin, "wegen Schwäche" eingefallen sei und der erhaltene Rest sich "wie ein Bauch aufblähe". Umfassende Reparaturen fruchteten wenig, 1695 stürzte ein Mauerstück ein, so dass ein Gemeinschaftsgrab wegsackte. Nach einem bairisch-österreichischen Krieg, der auch die Gegend berührte, ist die Mauer fast völlig eingefallen. Hochwasser und Schneelasten sorgten in der Folge kontinuierlich für Schäden, ehe eine Erneuerung um 1770 mit in den Akten erfassten 4000 Mauersteinen die Situation beruhigte. Bis die Günzenhausener Friedhofsmauer sogar gerichtsmassig wurde. Da brach sie nämlich erneut zur Gaststätte hin ein und die Kirchenverwaltung beschuldigte den Knecht des Wirts, die Mauer untergraben und so den Einsturz verursacht zu haben. Der damalige Gastronomiebesitzer, der angesehene Hacklbräu von Freising, verwahrte sich lange gegen eine "Verleumdungskampagne", ehe ein externer Gutachter die Schuld bestätigte und der Bräu zahlen musste.

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