Süddeutsche Zeitung

Grünen-OB-Kandidat Habermeyer:Freisinger Farbenspiele

"Ich habe immer eine gute Nase für politische Entwicklungen gehabt": Der Grünen-OB-Kandidat Habermeyer prangert angesichts der Schuldenlast die Diskussion über schöne Wahlgeschenke an.

Kerstin Vogel

Grünen-Kandidat Sebastian Habermeyer hat am Samstag beim Neujahrsessen des Kreisverbandes seine Ambitionen unterstrichen, der erste Oberbürgermeister seiner Partei in Bayern zu werden - und er rechnet sich gute Chancen aus. Die Grünen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagte er. Die Resonanz, die er bisher auf seinen Wahlkampf erfahre, sei sehr positiv - und: "Ich habe immer eine gute Nase für politische Entwicklungen gehabt - dieses Mal riecht es sehr gut."

Deutliche Worte fand Habermeyer einmal mehr zu den Finanzen der Stadt. Es sei ihm egal, wenn der amtierende Oberbürgermeister jede Kritik auf sich persönlich beziehe - es gelte angesichts von 80 Millionen Euro an Schulden, den städtischen Haushalt in Ordnung zu bringen. Diese Summe führe allein zu 6,5 Millionen Euro an Zins und Tilgung pro Jahr, so der Grünen-Kandidat: "Da hört sich der Spaß irgendwann auf." Dafür könnte man zwei Kindergärten pro Jahr bauen.

Stattdessen aber werde im Wahlkampf ganz nebenbei über all die schönen Wahlgeschenke diskutiert, "die schon bei den letzten drei Wahlen dieselben waren". Ob Westtangente für 20 bis 25 Millionen, Eishalle für fünf, Hallenbad für 20 oder die zuletzt wieder ins Gespräch gebrachte Unterführung für den Autoverkehr zu den Park & Ride-Plätzen, die sicher auch 20 bis 30 Millionen Euro kosten würde: Angesichts der aktuellen Verschuldung müsse man sich diese Investitionen sehr gut überlegen, so Habermeyer: "Und wenn man das will, muss man dem Bürger klar sagen, was da auf ihn zukommt." Allein die - von den Grünen abgelehnte - Westtangente, für die man auch noch die teuerste und schwierigste Planung auf den Weg gebracht habe, koste im Unterhalt zusätzlich zu der Investition eine Million Euro im Jahr.

Zu allem Überfluss werde er von den Mitbewerbern jetzt auch noch "grün überholt", wunderte sich der Kandidat. Ob Bürgerhaushalt oder Isarstege - all das seien schon seit Jahren Themen der Grünen, die nun plötzlich in aller Munde seien. Sein Wunsch: Die Bürger müssten die Versprechungen aus dem Wahlkampf nur auf ihre Glaubwürdigkeit hin prüfen. Habermeyer: "Ich bin vor 20 Jahren schon für die Idee mit der Moosachöffnung geschimpft worden."

Was die neue Innenstadtkonzeption angehe, so sei die nicht etwa "die Erfindung irgendeines anderen Kandidaten", sondern nach einem Beschluss des gesamten Stadtrats so eingekauft worden. Dass in der Freisinger Innenstadt etwas nicht stimme, sei klar zu erkennen, wenn jetzt schon wieder fünf Läden schließen, so Habermeyer. Wenn man hier etwas ändern wolle, müsse man aber gleichzeitig darüber reden, wie es mit den Einkaufszentren am Stadtrand weitergehen solle: "Ich will keine amerikanischen Verhältnisse, wo ich mit dem Auto fünf Kilometer zum Einkaufen fahren muss und in der Innenstadt nur noch Banken habe, die um 18 Uhr schließen."

Das Argument, dass ein Oberbürgermeister der Grünen im Stadtrat ja keine Mehrheit hätte, zieht für Habermeyer in Freising nicht mehr: Auch kein anderer Kandidat hätte eine Mehrheit, stellte er fest, ebenso wenig wie der aktuelle OB - und konnte sich den Seitenhieb auf die Konkurrenten dann doch nicht verkneifen: "Die von der CSU brauchen gar nicht zu reden, die pulverisieren sich doch gerade selber. Es ist eigentlich bemitleidenswert, wie es denen geht - aber ich habe kein Mitleid", kommentierte der Grünen-Kandidat die Spaltung der CSU-Stadtratfraktion im Sommer vergangenen Jahres.

Auch Tobias Eschenbacher, Bewerber der aus dieser Spaltung hervorgegangenen Freisinger Mitte, kam nicht ungeschoren davon: "Der eine macht eine eigene Partei auf und färbt sich ein bissel blau", spottete Habermeyer, "die anderen versuchen zu retten, was noch zu retten ist, wenn noch was zu retten ist". Für den Grünen-Politiker aber steht fest, dass man sich in Freising einen CSU-OB einfach nicht vorstellen kann - "egal, ob das der Blaue oder der Schwarze ist".

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SZ vom 30.01.2012
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