Grüne im Landkreis:Forsch wie Seehofer

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Die Kreis-Grünen fordern eine Entschuldung bis 2030, können sich aber nicht durchsetzen: Ein Überblick über die Finanzplanung des Landkreises.

Peter Becker

Der Landkreis Freising sucht nach einem Weg aus der Schuldenfalle. Über das Wie und den Einstieg ins Sparprogramm haben die Kreisräte am vergangenen Dienstag heftiger diskutiert als über den aktuellen Haushaltsentwurf für das Jahr 2012, den Kämmerer Gerhard Six vorgestellt hat. Dass der Landkreis Freising in den kommenden Jahren unter einem Schuldenberg begraben wird, davor hatte Landrat Michael Schwaiger (FW) schon im vergangenen Jahr gewarnt. Damals standen Verbindlichkeiten von etwa 80 Millionen Euro im Raum. 2015 könnte die 100-Millionen-Schallmauer gekratzt werden.

Vor einem Jahr hatten die Kreisräte eine Prioritätenliste erstellt. Auf der hatten sie zusammengetragen, welche dringenden Baumaßnahmen vor allem bei den Schulen Vorrang haben sollten. Etwa 122,3 Millionen Euro weist Six in seinem Investitionsprogramm für die nächsten Jahre aus. Davon entfallen allein 89,2 Millionen auf den Hochbau, speziell an Schulen. 32,8 Millionen steckt der Landkreis in den Tiefbau, überwiegend in die Sanierung des Straßenbestands.

Abgeschmettert hat der Kreisausschuss auch einen Antrag zur Erhöhung der Kreisumlage. Immerhin können die Grünen das Verdienst beanspruchen, im Kreisausschuss eine Debatte über einen künftigen Sparkurs angeregt zu haben. Welcher Weg dazu einzuschlagen wäre, darüber wollen sich die Kreisräte nach Vorschlag von Rainer Schneider (FW) einigen. Letztlich hat der Kreisausschuss dem Finanzplan für das Jahr 2012 zugestimmt. Die SZ Freising hat einen Überblick über die wichtigsten Posten im Finanzplan des Landkreises für das Jahr 2012 sowie Vorschläge zu Einsparungen zusammengestellt.

Die wichtigsten Zahlen

Der Etat für das kommende Jahr hat die Vorgaben erfüllt, dass er ausgeglichen ist und die Kreisumlage wie gehabt bei 49.9 Punkten bleibt. Kämmerer Six stellt aber fest, dass der Landkreis über keine Eigenmittel für Investitionen verfügt. Deswegen sei es nicht möglich, eine weitere Verschuldung zu vermeiden oder diese gar zu senken. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Umlagekraft um fünf Millionen Euro auf 154,3 Millionen Euro gewachsen. Ursache sind mehr Einnahmen in der Gewerbesteuer. Die sind von 48,6 auf 53,2 Millionen Euro gestiegen. Zusammen mit der Einkommensteuerbeteiligung - 73,7 Millionen Euro oder 50 Prozent - macht die Gewerbesteuer (36 Prozent) den größten Anteil an der Steuerkraft des Landkreises aus.

Dazu kommen 12,4 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen und 77 Millionen aus der Kreisumlage. Der Ergebnishaushalt beträgt etwa 125,8 Millionen Euro und ist ausgeglichen. Die größten Budgets davon beanspruchen die allgemeine Finanzwirtschaft (42 Prozent) sowie das Amt für Jugend und Familie (zwölf Prozent). 38,3 Millionen Euro zahlt der Landkreis an Bezirksumlage. 13 Millionen Euro gibt er im Jahr 2012 für Schulbauten aus, 3,8 Millionen für den Straßenbau. An freiwilligen Leistungen zahlt der Landkreis 742 000 Euro für soziale Zwecke. Um die Aufgaben bewältigen zu können, ist eine Kreditaufnahme von 28,2 Millionen Euro geplant.

Schulden

Zum Abschluss des vergangenen Jahres betrug der Schuldenstand des Landkreises 45,36 Millionen Euro. Ende des Jahres soll der Schuldenberg laut Berechnungen von Six auf 70,85 Millionen, Ende 2015 gar auf knapp 100 Millionen Euro anwachsen. Birgit Huber-Metz, Fraktionssprecherin der Grünen, bezeichnet diese Entwicklung als "Irrsinn".

Kreisumlage

Die Kreisumlage bleibt bei 49,9 Prozentpunkten. Dort soll sie auch bis 2015 gehalten werden, wenn es Kämmerer Six gelingt, jeweils einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. 77 Millionen Euro soll die Umlage heuer dem Landkreis an Einnahmen bringen. Weil der aktuelle Haushalt ausgeglichen ist, hält Landrat Schwaiger eine Erhöhung der Kreisumlage den Gemeinden gegenüber für nicht gerechtfertigt. Ein entsprechender Antrag der Fraktion der Grünen, die Kreisumlage auf 51 Prozent zu erhöhen, fand keine Mehrheit. "Die finanzielle Lage des Landkreises ist nicht rosig", begründete Birgit Huber-Metz diese Forderung.

Schneider kritisierte, eine Erhöhung der Kreisumlage würde die Schulden publikumswirksam "nur nach unten durchdrücken". Dies sei die Methode des Freistaats. Im Prinzip sei es egal, wer die Kredite aufnehme: der Landkreis oder die Gemeinden. Ingrid Funke (FDP) findet, es sei an der Zeit, den Gemeinden "Zeit zum Durchschnaufen" zu gewähren. Erich Irlstorfer (CSU) kritisierte, eine Entschuldung über die Erhöhung von Hebesätzen einzuleiten. Unterstützung bekamen die Grünen nur von Jörg Kästl (ÖDP), der eine moderate Anhebung der Umlage auf 50,5 Prozent vorschlug.

Entschuldungsplan

Forsch wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fordern die Grünen eine Entschuldung des Landkreises bis zum Jahr 2030. Landrat Schwaiger bezeichnete diesen Antrag als nicht zielführend, sondern populistisch. Die Grünen hätten nicht erwähnt, wie sie diese Entschuldung vorantreiben möchten, bemängelten auch einige Kreisräte. Toni Wollschläger (Grüne) bestritt das und verwies auf die vorgeschlagenen Erhöhung der Kreisumlage und den Verzicht auf die beschlossenen Zuschüsse für die Freisinger Westumfahrung. Weil die Weichen für Investitionen bis 2015 schon gestellt sind, ist ein Einstieg in einen Entschuldungsplan kurzfristig nicht möglich. Wahrscheinlicher ist dafür das Jahr 2016. Bürgermeister Schneider forderte, man müsse einen Sparplan auch mit konkreten Vorgaben versehen - etwa pro Jahr drei Millionen Euro einzusparen. Irlstorfer erinnerte an die Prioritätenliste, die der Freisinger Kreistag im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Schulbauten beschlossen habe.

Freisinger Westtangente

Großes Sparpotential sehen die Grünen im Verzicht auf oder zumindest in der Deckelung für Zuschüsse des Landkreises für die geplante Freisinger Westtangente. Diese betragen nach derzeitigem Stand der Dinge etwa 16 Millionen Euro. Anita Meinelt (CSU) verwies auf einen bereits gefassten Beschluss des Kreistags, diesen Zuschuss zu gewähren. Die Stadt Freising müsse Planungssicherheit haben, sagte sie. Ihr Antrag zur Geschäftsordnung, den Vorschlag der Grünen nicht zu behandeln, fand breite Zustimmung. Birgit Huber-Metz betonte, der Vorschlag sei mit Blick auf die Schuldenentwicklung des Landkreises zustande gekommen, nicht etwa, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Einige Kreisräte halten diesen Antrag dennoch schlicht für Populismus. Dieter Thalhammer (SPD) warf den Grünen vor, wenn es nach ihnen gehe, wachse der Schuldenberg des Landkreises noch schneller, weil sie ja das Geld aus dem Umlandfonds der Flughafen München GmbH nicht akzeptieren würden.

Schulen

Sanierungsarbeiten und Neubauten an den Schulen werden den Landkreis noch die nächsten Jahre begleiten. Ob "G 8, R 6 oder 9+2", sagte Landrat Schwaiger, Entwicklungen an den Schulen stellten den Landkreis stets vor neue Herausforderungen. "Wir werden da immer überrollt", klagte er. Prognosen zur Entwicklung der Finanzen seien deshalb stets schwierig. Was den Neubau einer Realschule betrifft, hat der Landkreis insgesamt 21 Millionen Euro für die nächsten Jahre in den Haushalt eingestellt, unabhängig davon, ob tatsächlich ein neues Schulgebäude entsteht oder Erweiterungsbauten in Eching, Freising und Au.

Seiner Meinung nach würde die letzte Variante in der Summe auf einen Neubau hinauslaufen. Irlstorfer wandte ein, die CSU würde statt eine neue Realschule zu bauen, die Sanierung der Berufsschule vorziehen. Doch dies wird wohl nicht funktionieren, weil wegen des Angebots neuer Ausbildungszweige der Raumbedarf überplant werden muss. Schwaiger, Thalhammer und Hans Neumaier (SPD) wehrten sich gegen den Vorwurf, der Landkreis habe in der Vergangenheit "Prestigebauten" errichtet. "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir Geld leichtfertig verbaut haben", betonte Neumaier. Schulen müssten gebaut oder erweitert werden, wenn alte aus allen Nähten platzten, ergänzte Thalhammer. Landrat Schwaiger betonte, dass das Geld nicht verschwendet sei. Das neue Gebäude stelle ja einen Gegenwert dar.

© SZ vom 21.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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