Großer Verlust für die Gemeinde:Für immer geschlossen

Vor 50 Jahren hat Volkmannsdorf trotz gegenteiliger Bekundungen durch Politiker seine Volksschule verloren. Heimatforscher Josef Schlecht erinnert mit Vorträgen und einer Ausstellung an das einschneidende Ereignis

Von Peter Becker, Wang

Der 16. Juli 1966 war ein einschneidender Tag in der Geschichte Wangs und insbesondere seines Ortsteils Volkmannsdorf. An diesem Tag schlossen sich die Türen der Volksschule für immer, ein großer Verlust für ein Dorf. Heimatforscher Josef Schlecht nimmt den 50. Jahrestag des Ereignisses zum Anlass, auf 269 Jahre Schulwesen in Wang zurückzublicken. Der besondere Fokus liegt dabei auf der Volkmannsdorfer Dortschule. Bei einem ersten Vortrag hat er im Schützenheim des Vereins Auer Elch einen Vortrag gehalten, zu dem etwa 140 Zuhörer gekommen waren. Schlecht war selbst überrascht davon, welches Echo sein Vortrag gefunden hat. Insbesondere auch bei den jungen, 20- bis 40-jährigen Gemeindebürgern. "Viele haben mich gefragt, ob ich den Vortrag noch einmal wiederhole", sagt Schlecht erfreut.

Erste Hinweise auf einen Schulunterricht in Wang datieren auf das Jahr 1697. So ist es in einem Beitrag auf der Homepage Alt-Moosburg von Karl Bauer nachzulesen. Der Moosburger Stadtpfarrkooperator Michael Braun nennt dieses Datum in seiner Moosburger Geschichte. Ein erster Unterricht in Volkmannsdorf sei laut Lechner aus dem Jahr 1791 erwähnt. Eine Urkunde aus dem Pfarrarchiv zeugt davon, dass zu einem geregelten Unterricht im Jahr 1811 ein ordentlicher Lehrer, ein Schulhaus und ein Schulzimmer fehlen. Der damalige Pfarrherr Andreas Graf teilte sein Wissen den Kindern freiwillig und unentgeltlich mit. Zu dieser Zeit war das Schulwesen in Bayern großen Veränderungen unterworfen. Für die Neuerungen waren König Max I. Joseph und sein Minister Montgelas verantwortlich. Die Verantwortung für das Schulwesen war von der Kirche auf den Staat übergegangen.

Nach dem Tod des Pfarrherrn kam 1812 der erste staatlich geprüfte Lehrer nach Volkmannsdorf. Er hieß Nikolaus Huber, war eigentlich Schuster, und wohnte in einem Häuschen, das zugleich als Schulzimmer diente. 1833 nahmen am Unterricht 41 Werktags- und 29 Feiertagsschüler teil. Sie waren in drei Klassen zusammengefasst, was ein Zugeständnis an Dorfschulen war. Der königliche Erlass sah eigentlich sechs Jahrgangsstufen vor. Das Schuljahr begann am 15. September und endete am 15. Juli.

Herbert Kollmannsberger

Georg Schönberger wohnt in dem alten Schulhaus. Die Tafel hat er zusammen mit Josef Schlecht repariert.

(Foto: Lukas Barth)

Die Kinder kamen mit sechs Jahren in die erste Klasse, mit acht in die zweite und mit zehn in die dritte. Als Zwölfjährige mussten sie eine Prüfung ablegen. Das Zeugnis brauchten sie später, um einen Beruf ergreifen, heiraten oder einen Besitz übernehmen zu können. Der Verfasser eines Zeitungsberichts aus den Dreißigerjahren klagt in seinem Bericht darüber, dass der Besuch der Volksschule trotz des 1802 eingeführten Schulzwanges bisweilen litt. Das lag zum Teil an der Saumseligkeit der Eltern und Kinder, zum anderen gab es damals noch keine feste Isarbrücke. Hochwasser und Treibeis im Winter sind zumindest für die Schüler, die rechts der Isar wohnten, eine triftige Entschuldigung.

Einen Lehrplan gab es seit 1806 ebenfalls. Dieser fuße auf den Arbeiten des Kanonikus Mutschelle aus St. Veit in Freising, schreibt der Verfasser des Berichts. Er fügt hinzu: "Dieser wurde in Volkmannsdorf gewissenhaft eingehalten." Der Wochenplan umfasste vier Stunden Religion, vier Stunden Lesen, zwei Stunden Sprachlehre, drei Stunden Schriftlesen, vier Stunden Schönschreiben, vier Stunden Rechtschreiben sowie jeweils drei Stunden Kopf- und Tafelrechnen. Als Unterrichtsmaterial nennt der Verfasser das "Gottbüchlein", den Katechismus, das Evangelienbuch und die biblischen Geschichten eines Benediktinerpaters. Später gesellten sich dann auch eine Fibel, Sprachlehrübungen, ein Rechenbuch und "Häuslers Erdbeschreibung" dazu.

Als Züchtigungsmaßnahmen standen der Verweis und andere damals übliche Kinderstrafen zur Verfügung. Offenbar musste Lehrer Huber wenig Gebrauch machen, denn im Jahr 1833 heißt es: "Die Kinder sind ruhig und ordentlich, sie sind folgsam und sittsam. Die Feiertagsschüler bleiben dem Wirtshaus fern." Drastischer fiel dagegen zwei Jahre später das Strafmaß aus, als vier Buben beim Diebstahl beim Krämer in Isareck erwischt worden waren. Lehrer Huber berichtete an das Moosburger Landgericht, dass die kleinen Diebe je sechs Rutenstreiche erhielten und an zwei Tagen jeweils eine halbe Stunde auf dem Schandplatz verbringen mussten.

Alte Schule Volkmannsdorf

Von wildem Wein umrankt ist die alte Volkmannsdorfer Schule, die vor 50 Jahren geschlossen wurde.

(Foto: Lukas Barth)

Lehrer Huber verdiente wohl wenig. Dies ergibt sich daraus, dass er 1817 ein Schreiben an die Regierung richtete mit der Bitte, man möge ihm doch eine ständige Zulage gewähren. Als Begründung führte er auf, dass er seinen Beruf als Schuster "aus Liebe zur Schuljugend" aufgegeben habe. Das Gehalt der Lehrer bestand aus dem Schulgeld, das die Eltern oft schuldig blieben, und der Nutznießung aus Gemeindegrund. Nach 28 Jahren als Lehrer starb Huber als 52-Jähriger am "Gedärmbrand", einer damals häufigen, chronischen Darmentzündung.

Indessen fand der Unterricht in dem Schulhaus statt, das gegen Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut worden war, obwohl sich die Schülerzahl zwischen 1833 und 1903 verdreifacht hatte. 1906 genehmigte die Regierung von Oberbayern den Bau eines neuen Schulhauses mit zwei Sälen. Gebaut hat es der Maurermeister Filz aus Mauern zu einem Preis von 19 406 Mark. Am 26. Juni begann er den Bau, am 16. November wurde er eingeweiht. Bereits 1911 musste der Boden erneuert werden, weil der Hausschwamm sich breit gemacht hatte. Gleiches geschah 1929.

Nach der Sprengung der Isarbrücke 1945 wurden die Kinder aus Volkmannsdorferau, die jenseits der Isar wohnten, in einem Privathaus unterrichtet. Wie bereits ein Jahrhundert zuvor, war ihnen der Schulweg über den Fluss nicht möglich. Was diesen Teil der Geschichte des Volkmannsdorfer Schulhauses angeht, will Schlecht noch weiter recherchieren. Das Ende der Volksschule ist schnell erzählt. Noch 1963 beschloss der Schulverband, das Gebäude zu renovieren. Politiker versprachen, dass die Dorfschule erhalten bleiben solle. 1965 entspann sich eine Diskussion, als deren Ergebnis viele kleine Dorfschulen geschlossen werden sollte. Drei Wochen vor dem Schuleende 1966 erreichte die Volkmannsdorfer Volksschule die Kunde, dass sie ebenfalls dazugehöre.

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