Süddeutsche Zeitung

Großer Andrang in Moosburg:Gegen ungebremstes Wachstum

Wie wird ihre Stadt in 30 Jahren aussehen? Diese Frage treibt offenkundig viele Bürgerinnen und Bürger um. Das Interesse an einer Infoveranstaltung der neuen Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Moosburg" ist jedenfalls enorm

Von Alexander Kappen, Moosburg

Die Schaffung von neuem Wohnraum ist im Landkreis ein brisantes Thema. Auch in Moosburg, wo derzeit viele Neubaugebiete und -projekte umgesetzt werden oder in Planung sind. Aber nicht wenige Bürgerinnen und Bürger sehen diese Entwicklung kritisch, fürchten ein ungebremstes Wachstum, auf das die Infrastruktur der Stadt ihrer Meinung nach nicht ausgelegt ist, das zu Lasten der Moosburger Bevölkerung geht und hauptsächlich Geld in die Kassen auswärtiger Immobilieninvestoren spült.

Hermann und Brigitte Weger, Uwe und Anja Nelkel, Erika Dreshaj, Thomas Schulz und Eva Riedl haben beschlossen, etwas gegen diese in ihren Augen bedenkliche Entwicklung zu unternehmen und dafür die Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Moosburg" zu gründen. Für Donnerstagabend hatten sie die Bevölkerung deshalb zu einer Infoveranstaltung geladen. Der Andrang im völlig überfüllten Kellerraum des Gasthaus "Drei Tannen" - die Besucher standen teilweise in den Eingängen, Nebenräumen und draußen am Gang - zeigte, dass das Thema offenbar vielen Moosburgern unter den Nägeln brennt. Unter den Zuhörern und Diskutanten befanden sich auch viele amtierende Stadträte sowie Bürgermeisterkandidaten für die Wahl im März.

Den Nachfolger der amtierenden Rathauschefin Anita Meinelt (CSU), die nicht mehr kandidiert, sowie die neuen Stadträte will die BI in die Pflicht nehmen, auf ein maßvolles Wachstum hinzuwirken und auf die Interessen der Bürger einzugehen. BI-Sprecher Uwe Nelkel, der selbst auf der Stadtratsliste der Freien Wähler steht, betonte ausdrücklich, dass es sich um eine parteineutrale Initiative handele.

Die BI, an die sich Interessenten unter der E-Mail-Adresse lebenswertes.moosburg@gmail.com wenden können, hat laut Nelkel alle aktuellen und geplanten Bauvorhaben unter die Lupe genommen. 900 Wohneinheiten würden derzeit gebaut, in den nächsten drei bis fünf Jahren summiere sich das auf etwa 1300. Die Infrastruktur - sei es im Bereich Verkehr oder im sozialen Bereich mit Schulen, Kindertagesstätten und dergleichen - gebe das "mitnichten her", so Nelkel.

Die BI fordert, dass im gesamten Stadtgebiet nur Häuser mit maximal zwei Stockwerken plus Dachgeschoss oder in Ausnahmefällen mit drei Stockwerken plus Dachgeschoss (drei plus D) gebaut werden darf. Es sollen außerdem keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden, ohne die entsprechende Infrastruktur zu schaffen. "Uns geht es um Massivbebauung und massive Nachverdichtung und nicht darum, wenn ein bestehendes Einzel- oder Doppelhaus für die Familie ausgebaut werden soll", präzisierte Nelkel. Und geplante Neubaugebiete wie das Rockermaier-Areal sollten "auf Eis gelegt und auf 'Drei plus D' umgeplant werden".

Die Initiatoren der BI, die sich auch ein Bürgerbegehren zum Erreichen ihrer Ziele vorstellen können, betonten in der Veranstaltung, dass es ihnen nicht um Einzelprojekte, sondern die gesamte Stadtentwicklung gehe. Gleichwohl drehte sich an dem Abend viel um den Bebauungsplan für das Rockermaier-Areal, in dessen Nähe viele der Initiatoren wohnen. Dort sollen laut Planung bis zu 240 Wohneinheiten entstehen. Untergebracht in "19 Monsterblöcken", wie Nelkel es ausdrückte. Auf der Homepage des Investors Rebl & Penzkofer seien diese noch dazu "nicht maßstabsgetreu" im Vergleich zur Bestandsbebauung eingezeichnet, so Nelkel. Mit all dem Verkehr, den die neue Bebauung nach sich ziehen könnte, befürchtet die BI ein Verkehrschaos in der Umgebung.

Dritter Bürgermeister Michael Stanglmaier (Grüne) erklärte, dass man erst im Bebauungsplanverfahren sei und es auf dem Areal noch kein Baurecht gebe, solange der Stadtrat keinen Satzungsbeschluss gefasst habe: "Der B-Plan kann am Ende deutlich anders aussehen, als das, was jetzt vorliegt." Die Stadträte Erwin Weber (CSU) und Evelin Altenbeck (Grüne) wiesen darauf hin, dass es in der Stadt schon Bebauungspläne gegeben habe, die, obwohl man im Verfahren bereits weiter war als jetzt beim Rockermaier-Areal, wegen Bürgereinwänden eingestellt worden seien. Hermann Weger fragte sich jedoch: "Welcher Investor kauft für x Millionen ein Grundstück, von dem er nicht weiß, ob er Baurecht bekommt?" Er wisse nicht, "was der Investor mit der Bürgermeisterin besprochen hat, aber letztlich entscheidet der Stadtrat", entgegnete Stanglmaier.

In der Diskussion vermissten einige Bürger eine Strategie der Stadt, wo sie in ihrer Entwicklung in 20 oder 30 Jahren stehen will, und wünschten sich eine Art Handlungsleitfaden, der sich an dieser Strategie ausrichtet. Auch ÖDP-Stadtrat Jörg Kästl meinte: "Wir müssen definieren, wo wir hin wollen." Entsprechende Initiativen habe es bereits gegeben, berichtete Ex-Stadtrat Mike Hilberg, diese seien von der Mehrheit des Gremiums jedoch ausgebremst worden. Es gebe für die Stadtentwicklung der kommenden zehn bis 15 Jahre ja auch den Flächennutzungsplan, sagte Stanglmaier, während die Bürgermeisterin bereits vor der Veranstaltung in einer Stellungnahme betont hatte: "Den Verantwortlichen der Stadt geht es um ein vernünftiges Wachstum, das heißt, den Menschen auch den Zuzug zu ermöglichen und gleichzeitig die Infrastruktur anzupassen, unter Wahrung der Interessen aller vorhandenen Bevölkerungsgruppen und der bestehenden Strukturen." Ein Diskussionsteilnehmer warf zudem ein: "Ich habe hier heute noch nie was über die Leute gehört, die eine Wohnung suchen und nichts bekommen."

Eine anderer hatte den Eindruck, dass man dem Stadtrat nicht zutraue, für eine angemessene Stadtentwicklung zu sorgen. Er sehe das aber anders. Dagmar Seghutera vom Seniorenbeirat fand es schade, dass der Eindruck entstehe, man wehre sich gegen Zuzug und das Neue. Nelkel betonte: "Wir wollen keinen Zuzug stoppen, er soll nur maßvoll sein."

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SZ vom 18.01.2020
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