Grenzwerte für Schadstoffe:Umweltbelastung generell zu hoch

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Die Lungenfachärzte Heidi Bisping-Arnold und Markus Herden sagen, dass der Anteil an Schadstoffen in der Luft dringend sinken muss. Grenzwerte machen ihrer Meinung nach nur als Orientierungshilfe Sinn.

Von Nadja Tausche, Freising

Das Land diskutiert über Grenzwerte für Schadstoffe. Hundert Lungenärzte hatten in einer Stellungnahme die geltenden Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub infrage gestellt. Zuletzt hatte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hinter sie gestellt, Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dagegen findet, solche Diskussionen brächten nicht viel. Heidi Bisping-Arnold ist Lungenfachärztin in Freising. Zu der Diskussion um die Grenzwerte sagt sie: Es sei überflüssig, sich zu sehr an Zahlen festzuhalten. Ob die Grenzwerte sich ein wenig nach oben oder unten verschieben, mache keinen Unterschied.

Auch Markus Herden, der die Praxis von Bisping-Arnold übernommen hat, sagt: Die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub seien mehr oder weniger willkürlich festgelegt worden. Außer Frage stehe allerdings, und da sind sich die beiden einig: Die Belastung durch schädliche Stoffe müsse gesenkt werden - und zwar dringend. "Es ist klar, dass wir eine viel zu hohe Umweltbelastung haben, sei es durch Stickoxide, Feinstäube oder Ultrafeinstäube", sagt Bisping-Arnold.

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Die Patienten leiden unter der Schadstoffbelastung

Die Auswirkungen der Schadstoffbelastung merkt sie auch in der eigenen Praxis. Im Januar sei es recht häufig zu einer sogenannten Inversionswetterlage gekommen. In diesen Zeiträumen seien überdurchschnittlich viele Patienten zu ihr in die Praxis gekommen, so die Ärztin. Darunter Patienten mit Raucherschäden, aber auch Asthmatiker: "Da ging es den Leuten richtig schlecht." Denn bei einer Inversionswetterlage bleibt die Luft am Boden kälter als die Schichten darüber. Dadurch werden die Schadstoffe nicht wie sonst vom Wind weggetragen, sondern verbleiben am Boden.

Wo genau allerdings die Grenze liegt, ab der die Belastung gesundheitsschädlich wird, ist schwierig festzustellen. Krankheiten entstünden immer durch verschiedene Faktoren, so Bisping-Arnold: Der Ausstoß von Autos sei nur ein Teil des Problems, auch Rauchen oder die Schadstoffe durch Industrie spielten eine Rolle. Ein konkretes Ursache-Wirkung-Prinzip festzustellen, findet auch Herden schwierig. Er sagt außerdem: Um verlässliche Studien durchzuführen, müsste man Unmengen von Menschen untersuchen, in unterschiedlichen Regionen, von unterschiedlichem gesundheitlichem Zustand und Alter.

Eine zusätzliche Belastung ist der Flughafen

Eine Rolle würde dabei wohl auch der nahe Flughafen spielen. "Unser Problem ist weniger der Verkehr, es ist mehr der Flughafen", meint Bisping-Arnold. Denn hier komme die Belastung durch Ultrafeinstaub dazu. Während Feinstaub durch Husten aus der Lunge heraustransportiert werden könne, gehe Ultrafeinstaub ins Blut, sei also umso gefährlicher. Allerdings: Es sei nicht belegt, dass die Menschen in der Region rund um den Flughafen häufiger krank werden, so Bisping-Arnold. Das hätte man untersuchen müssen, als der Flughafen gebaut worden sei. Sie habe damals viele Kinder mit Atemwegserkrankungen behandelt, man hätte in einer Statistik festhalten müssen, ob sich die Zahl solcher Krankheiten mit dem Bau des Flughafens erhöhe. Sie selbst ist im Bürgerverein aktiv und misst die Werte für Ultrafeinstaub.

Was sich die beiden Lungenärzte von der aktuellen Diskussion erhoffen? Dass in Sachen Schadstoffreduzierung etwas vorangehe, sowohl von Seiten der Politik als auch von den Bürgern: Teurere Flüge und dafür billigere Züge, weg vom Auto und hin zum Rad. Und: Dass die Entwicklung generell von Dieselfahrzeugen weggehe und hin zu Elektroautos, die mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren, meint Herden. Denn bei den Schadstoffen sei es so: Die Lunge transportiere sie zwar wieder nach draußen, funktioniere aber wie ein Schwamm. Wenn der zu voll sei, gehe einfach nichts mehr.

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