Genau 1 012 622 Euro, das ist der aktuelle Stand auf dem Zusagen-Konto für den Metzgerwirt. Damit ist die Giggenhausener Dorfwirtschaft fürs Erste gerettet. Insgesamt aber ist es noch ein Weg, "wir brauchen, mit Puffer, 2,5 Millionen Euro", sagt Christopher Aichinger. Er hat mit einer Handvoll Engagierter aus dem zu Neufahrn gehörenden Giggenhausen die Aktion Wirtschafts-Rettung initiiert. Was auf den Spendenaufruf im Juni folgte, hat sie alle überrascht: In wenigen Wochen war die erhoffte erste Million beisammen, angesichts der gut 500 Einwohner des Dorfes am Nordrand des Freisinger Mooses durchaus bemerkenswert.
Schon nach ein paar Tagen waren 225 Absichtserklärungen zwischen 30 und 25 000 Euro aus dem Dorf und der Umgebung eingegangen. Privatleute, Vereine, Firmen, alles war dabei, auch viele Junge und Familien. Dass das Wirtshaus für die Ortsansässigen große Bedeutung hat, überrascht nicht, allein zwölf Vereine haben hier ihren Treff. Dass die Spender aber, nachdem die Sache in sozialen Netzwerken Verbreitung fand, auch von weit her kamen, hätte niemand gedacht.
Angekündigt hatte es Wirtin Elisabeth Kratzer schon länger, dass sie aufhören will. Seit 1999 besitzt sie den Metzgerwirt, hat ihn renoviert und erweitert. Seit drei Jahren sucht sie vergeblich einen Nachfolger, obwohl auch ein paar Gästezimmer und -Appartements dazu gehören, ein zweites Standbein also gegeben ist. Interessenten an der Immobilie gab es freilich einige, bietet das 1000-Quadratmeter-Grundstück doch reichlich Raum für lukrativen Wohnungsbau. Und so haben Christopher Aichinger, der auch für die Freien Wähler im Neufahrner Gemeinderat sitzt, und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen vom "Team Dorfwirtschaft" vor ungefähr einem Jahr mit den ersten Gesprächen begonnen. Es war schon damals klar, dass nur eine genossenschaftliche Lösung in Frage kommt, also hat man sich zuerst mit dem Genossenschaftsverband beratschlagt. Dann folgten Gespräche mit den örtlichen Banken. "Da wussten wir, was wir an Eigenkapital brauchen" so Aichinger, nämlich besagte Million.
Das betriebswirtschaftliche Konzept ist quasi fertig, in Zusammenarbeit mit dem Genossenschaftsverband erstellt. "Wir haben unglaubliches Know How im Team", erzählt Christopher Aichinger. Elisabeth Baur etwa sei Wirtschaftsprüferin und Beraterin beim Hotel- und Gaststättenverband. Auch Wirtin Elisabeth Kratzer ist mit im Boot. Er selbst, räumt Aichinger mit einem Lachen ein, sei Tierarzt und Josef Geil Maler, "wir unterstützen eher ideell. Aber die Stimmung ist auch wichtig". Einige potenzielle Pächter hat das Team bereits an der Hand, man hofft, in spätestens zwölf Wochen die Verträge zu unterzeichnen. "Es bewerben sich immer noch welche. Es ist nicht leicht, aber die positive Welle kommt gut an, weil die Pächter sehen, das Dorf steht hinter der Wirtschaft", so Aichinger. Als man vergangenen September ein Open-Air-Treffen veranstaltet hat, um zu schauen, wer sich für eine Genossenschafts-Gründung interessieren würde, kamen über 120 Leute, alt und jung. "Alle bis auf zwei stimmten dafür."
Die Gespräche mit den Banken über Kredite laufen gut. Schließlich beruht die Wirtschaftlichkeitsberechnung auf sehr realistischen Zahlen, sagt er, "und wenn es läuft wie vor Corona, ist die angesetzte Pacht akzeptabel." Zusammen mit Wirtin Elisabeth Kratzer entwickelt man das Konzept weiter, ab Dezember wird auch ein öffentlicher Bus Giggenhausen anfahren, der Theaterverein träumt schon von Kleinkunstabenden. "Wir sehen da ein wahnsinniges Potenzial", sagt Aichinger. Er selbst kommt aus Neufahrn, ist in den Giggenhausener Wirt als Schauspieler bei den Maibaum-Freunden gekommen. "Das ist ein toller Integrationsort, ein Stück weit einzigartig, weil hier wirklich Leute jeden Alters sind."
Voraussichtlicher Gründungstermin der Genossenschaft ist nach den Sommerferien. Denn die Zusagen für die Genossenschaftsanteile sind schließlich keine Spende. Wer mitmacht, legt sein Geld an und wird es zumindest nicht verlieren, weil es durch die Immobilie gedeckt ist. Die Rendite freilich bekommt man noch lange nicht in Euro ausbezahlt, dafür aber in Lebensqualität.
Erstmals belegt ist eine Wirtschaft mit Metzgerei in Giggenhausen im Jahr 1880. Wie es ausschaut, ist die Geschichte des Dorfwirts noch nicht zu Ende.