Gewagter Schritt:Hebamme eröffnet Geburtshaus in Sünzhausen

Obwohl viele Kolleginnen wegen der Versicherungsprämien aufgeben, hält Beate Götz an ihrer "Lebensaufgabe" fest. Mütter und Babys sollen sich bei ihr wohlfühlen

Von Gudrun Regelein

Auf dem Holzboden des hellen, lichtdurchfluteten Raums liegen Matten mit weichen Decken und Kissen. Von draußen hört man Vogelzwitschern - es ist ruhig und friedlich an diesem Vormittag im Geburtshaus in Sünzhausen. Vor etwa einem halben Jahr, Anfang Januar, hat es die Hebamme Beate Götz eröffnet. "Das Geburtshaus ist meine Lebensaufgabe", sagt Beate Götz. Hebamme zu sein sei für sie nie nur ein Beruf, sondern immer eine Berufung gewesen.

In den vergangenen Jahren ist es für freiberufliche Hebammen immer schwieriger geworden, weil die Haftpflichtprämien explodieren und immer weniger Versicherer bereit sind, diese Berufsgruppe aufzunehmen. Immer mehr Hebammen geben deshalb auf oder steigen zumindest aus der Geburtshilfe aus, beklagte erst kürzlich Annette Fußeder, Leiterin der Elternschule im Zentrum der Familie. Zwar sei die Zahl der Hebammen im Landkreis - etwa 30 gibt es derzeit, die alle freiberuflich arbeiten - konstant geblieben, aber sie kenne einige Kolleginnen, die keine Geburtshilfe mehr anbieten. "Weil es sich für sie einfach nicht mehr rechnet." Auch im Geburtshaus in Moosburg können Frauen derzeit wegen der aktuellen Versicherungssituation ihr Kind nicht mehr zur Welt bringen.

Seit 30 Jahren begleitet Beate Götz Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und in der Zeit danach. Viele Jahre lang hatte sie gemeinsam mit einer anderen Hebamme eine Praxis in Freising - seit etwa acht Jahren boten die beiden dort zwar noch eine Geburtsvorbereitung und Nachsorge an, aber sie begleiteten Frauen nicht mehr bei der Geburt. Irgendwann aber habe sie gemerkt, dass ihr das nicht mehr genüge, dass sie unzufrieden war, berichtet Beate Götz. Weil Frauen ihr immer wieder erzählten, dass es ihnen nach der Geburt in einem Krankenhaus nicht gut ging, weil dort bei der Geburtshilfe trotz der Hebamme das Medizinische dominiere, das Natürliche fehle. "Ich hatte den Eindruck, dass ich meine Fähigkeiten, Frauen zu helfen, nicht ausschöpfe", sagt Beate Götz. Sie wagte den Schritt und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ihr Geburtshaus - hell und freundlich und im Grünen sollte es sein. Bei ihr sollen Frauen in Würde und Geborgenheit gebären können - auch das Kind soll sich willkommen fühlen, sagt Beate Götz, die sich bei einer Geburt als "begleitende Freundin" sieht. Derzeit laufe das Geburtshaus zwar noch über andere Angebote - neben der Geburtsvorbereitung beispielsweise Rückbildungsyoga oder Akupunktur - aber für die kommenden Monate gebe es schon etliche Anmeldungen für Geburten. Ab Oktober wird sie von einer zweiten Hebamme unterstützt.

Natürlich bedeute die Eröffnung eines Geburtshauses immer ein Wagnis, sagt Beate Götz. Die enorm angestiegene Versicherungsprämien - sie steigen laut Deutschem Hebammenverband von Juli an um etwa 20 Prozent auf 5091 Euro, 2004 betrugen sie noch 1352 Euro - beunruhigen die Hebamme natürlich. "Da muss man schon sehr viel arbeiten, damit es sich lohnt", sagt sie. Genauso verunsichert sie die Ankündigung bisheriger Versicherer, aus dem System auszusteigen. Denn da Hebammen ohne Versicherung nicht arbeiten können, würde das das Aus für freiberufliche Hebammen in der Geburtshilfe bedeuten. Auch sie müsste dann die Geburtshilfe wieder aufgeben, und könnte nur noch eine Vor- und Nachsorge anbieten, "aber das will ich nicht".

"Wir Hebammen sind die einzigen, die eine fachkundige Begleitung und Betreuung anbieten können. Wir wurden dafür ausgebildet", sagt Beate Götz. Laut Gesetz müsse in Deutschland bei einer Geburt sogar eine Hebamme dabei sein. Beate Götz setzt nun auf die Politik: Der Gesundheitsminister habe zugesagt, eine Lösung zu finden. Zumindest wird es nun auf Druck der Regierung weiterhin eine Haftpflichtversicherung für freiberufliche Geburtshelferinnen geben - allerdings nur befristet bis Mitte 2016. Zudem beschloss der Bundestag Anfang Juni, dass befristet Zuschläge als Ausgleich für die hohen Versicherungskosten geleistet werden. Bereits am Montag befasste sich der Petitionsausschuss des Bundestages erneut mit der Lage der Hebammen in Deutschland. Beate Götz hofft, dass ihr Traum vom eigenen Geburtshauses nicht bald zu Ende sein wird.

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