Von diesem Text gibt es eine frühere Fassung aus dem Jahr 2020, in dem nicht explizit klar wurde, dass es sich um einen Gastbeitrag des Kreisheimatpflegers, nicht um einen journalistischen Text eines SZ-Mitarbeiters oder einer -Mitarbeiterin handelte. Diese Klarstellung erfolgt hiermit, verbunden mit einer unterdessen vorgenommenen Überarbeitung und Aktualisierung durch den Autor.
Im Jahr 1954 hat sich der Landkreis Freising ein Wappen gegeben. Die damals Verantwortlichen besannen sich auf die Geschichte und kombinierten die silberne Rose der Grafen von Moosburg mit dem alten Herrschaftszeichen der Freisinger Bischöfe. Schließlich umfasst der Landkreis Freising Gebiete des früheren Landgerichts Moosburg und das Kernstück des ehemaligen geistlichen Fürstentums Freising. Dieses führte seit 1284 in seinem Siegel das Haupt eines bekrönten Afrikaners. Ab 1316 taucht es farbig in einem Besitzverzeichnis und als Wappenzeichen auf, das Schatztruhen und Paradekissen schmückte.
Leider haben sich keine Quellen aus dieser Zeit erhalten, die das Wappen genau erklären. Wo das bekrönte Haupt seinen Ursprung hat und wen es darstellen soll, ist daher nicht bekannt. Dafür ist seine frühe Bezeichnung überliefert: In alten Dokumenten wird das Freisinger Wappenmotiv „signum-“ oder „caput Ethiopum“ (Zeichen beziehungsweise Haupt eines Äthiopiers) genannt. Erst später setzt sich der Name Freisinger Mohr durch.
Die Vokabel „mōrus“ wurde von den Römern aus dem Altgriechischen übernommen
Das Substantiv Mohr geht auf das althochdeutsche Wort „mōr“ zurück, das sich wiederum an das lateinische „maurus“ anlehnt. „Maurus“ war bei den Römern der Bewohner des antiken Mauretaniens, das im heutigen Marokko lag. „Maurus“ oder „mauri“ wurde schließlich zur Herkunftsbezeichnung für alle Menschen Nordafrikas. Man folgte dabei dem Prinzip „pars pro toto“: Ein Teil steht für das Ganze.
Die Bayreuther Anglistin Susan Arndt ist der Auffassung, der Begriff Mohr sei von Anfang an negativ konnotiert gewesen. In ihrem Buch „Afrika und die deutsche Sprache“ leitet sie das Wort vom lateinischen „mōrus“ (dumm, töricht) her. Diese These ist jedoch reine Spekulation, denn Susan Arndt kann ihre Behauptung nicht belegen. Die Vokabel „mōrus“ wurde übrigens von den Römern aus dem Altgriechischen „mwϱwς“ übernommen und kommt hauptsächlich in der altlateinischen Theatersprache des römischen Komödiendichters Plautus vor.
Petition gegen den Freisinger Mohren:Eine prominente, königliche Person
Der Freisinger Mohr trage eine Krone, das bedeute Herrschaft und definitiv nicht Unterdrückung, sagt Peter Steiner, früher Direktor des Diözesanmuseums. "Ein Wappen ist nicht der Grund für Rassismus", sagt der dunkelhäutige Künstler Pepito Anumu. Wenn sich Menschen verletzt fühlen, sollte man dennoch genauer hinschauen.
Ob es sich bei den Benennungen Maure oder Mohr um eine pauschalisierende Fremdbezeichnung der Europäer für die Menschen Afrikas handelt, ist nicht eindeutig geklärt. Es gibt Forschungsansätze, die von einer afrikanischen oder levantinischen Herkunft des Begriffes ausgehen. Der französische Prähistoriker Gabriel Camps berichtet von einer nordafrikanischen Ethnie, die sich selber „Mauri“ nannte. „Brills erste Enzyklopädie des Islam“, ein umfassendes kulturwissenschaftliches Nachschlagewerk, sieht den Ursprung des Wortes in der phönizischen Sprache.
Ausdruck der fürstlichen Souveränität, keine vulgäre Karikatur
Der Freisinger Mohr im Landkreiswappen sieht aus wie ein König. Sein Haupt schmückt eine Lilien- oder Blattkrone. So wurden in der Buchmalerei des hohen Mittelalters auch die deutschen Kaiser dargestellt. Die Krone ist der Schlüssel zum Verständnis der Wappenfigur: Als Herrschaftsinsignie macht sie aus ihrem Träger eine Person, die über anderen Menschen steht. Annahmen, der Freisinger Mohr sei eine „rassistische Stereotype“ oder eine vulgäre Karikatur, sind daher unlogisch.
Wappen repräsentierten stets Einzelpersonen, Personengruppen, Organisationen oder Gemeinwesen. Eine Wappenfigur, die in der Öffentlichkeit gering geschätzt oder gar verachtet wird, schadet dem Träger des Wappens und kommt daher als Motiv nicht infrage. Aus diesem Grund sind Wappen seit jeher als Medien für rassistische Propaganda ungeeignet.
Der Mohr im Freisinger Hochstiftswappen und sein Nachfahre im Wappen des Landkreises Freising sind vielmehr ein Zeichen der Wertschätzung. Der Landkreis Freising identifiziert sich mit dem Afrikaner in seinem Wappen und will von der Öffentlichkeit durch dieses Motiv identifiziert werden.
Bernd Feiler ist seit Mai 2020 Freisinger Kreisheimatpfleger. In Freising geboren und zur Schule gegangen, hatte er nach dem Abitur am Camerloher-Gymnasium zunächst Kunst- und Kirchengeschichte und Pädagogik sowie Operngesang studiert. Nach dem Studium arbeitete er in der Denkmalpflege und in Museen in München und Würzburg, bevor er 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter ins Landratsamt kam – und fünf Jahre später das Amt des Kreisheimatpflegers übernahm.