Historisches FreisingZu Fuß, hoch zu Ross, mit der Kutsche oder auf dem Floß

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Das ehemalige Zollhaus an der Heiliggeistgasse. Hier befand sich früher das Isartor.
Das ehemalige Zollhaus an der Heiliggeistgasse. Hier befand sich früher das Isartor. (Foto: Marco Einfeldt)

Während eines Rundgangs durch die Stadt erfahren Wissbegierige, auf welch beschwerliche Art Reisende in früheren Zeiten nach Freising kamen – und warum sich ein Pfarrer sehr über die ersten Radfahrer geärgert hat.

Von Peter Becker, Freising

Reisen im Mittelalter war extrem beschwerlich. Kein Wunder also, dass viele Menschen zeit ihres Lebens ihr Dorf nicht verließen. Andere wiederum trieb es in die weite Welt hinaus, sei es als Kaufleute, im Auftrag von Herrschern oder aus religiösen Gründen. Letzteres war das Motiv des Heiligen Korbinians, der sich auf Pilgerreise über die Alpen hinweg nach Rom begab.

Unterwegs riss ihm ein Bär sein Packpferd und weil er sein Gepäck nicht selbst schleppen wollte, befahl er dem Tier, seine Lasten bis nach Rom zu tragen. Soweit die Legende. Diese nahm Stadtführerin Myriam Wagner-Heisig zum Anlass, Wissbegierigen auf einem Rundgang durch die Stadt zu schildern, wie denn die Freisinger in vergangenen Zeiten so reisten.

Stadtführung mit Kunsthistorikerin Myriam Wagner-Heisig zum Thema "Zu Fuß, zu Floß und mit der Kutsche: Wie reiste man früher nach Freising?".
Stadtführung mit Kunsthistorikerin Myriam Wagner-Heisig zum Thema "Zu Fuß, zu Floß und mit der Kutsche: Wie reiste man früher nach Freising?". (Foto: Marco Einfeldt)

Von breiten, bequemen Straßen oder einem direkten Weg konnte damals nicht die Rede sein. Die Reisenden mussten mehrere Schlenker in Kauf nehmen. Sie nutzten von der Natur vorgegebene Wege: Flüsse, Täler und Gebirgspässe. Zum Teil gab es noch alte Römerstraßen, die in mehr oder weniger gutem Zustand waren.

Bei den Pässen allerdings, war an ein Befahren mit Karren nicht zu denken. Myriam Wagner-Heisig geht davon aus, dass der Heilige Korbinian über die Alpen ritt und dabei das Zugpferd am Saum führte, welches der Bär riss.

Der Rundgang begann am Marienplatz, auf dem die Stadtführerin den Teilnehmenden die Dimension des Fürstbistums, das damals ein eigener Staat war, veranschaulichte. Boten waren in diplomatischer Funktion unterwegs, zu Fuß, ausgerüstet mit einem Stab mit eiserner Spitze. Manche, die auf besonders beschwerlichen Wegen unterwegs waren, kamen auch ums Leben. Die Boten galten als äußerst zuverlässig. Ihre Wege führten sie nach München, Augsburg, Prag oder Hildesheim. Im 16. Jahrhundert existierte ein Botenregister.

An der Wand des Hauses, in dem sich heute eine Tchibo-Filiale befindet, ist das Horn eines Postillions zu sehen. Vom 17. Jahrhundert an befand sich dort eine Poststation, wo ein Posthalter seinen Dienst versah. Eine weitere Station befand sich in der Stieglbräugasse, wo bis vor einiger Zeit noch ein Kino war. Von 1807 an, das Fürstbistum war mittlerweile abgeschafft und die Säkularisation hatte Einzug gehalten, waren die Postbediensteten, unter denen auch Frauen waren, in stattliche Uniformen mit Verzierungen gekleidet.

An das ehemalige Posthalterhaus erinnert heute das goldene Posthorn an der Fassade.
An das ehemalige Posthalterhaus erinnert heute das goldene Posthorn an der Fassade. (Foto: Marco Einfeldt)

Mittlerweile waren von Freising aus auch Postkutschen unterwegs. „Der erste öffentliche Nahverkehr“, sagte Myriam Wagner-Heisig. Mit der Kutsche zu fahren, war nichts für schwache Nerven. Selbst wenn sich heute mancher Reisende über die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn beschwert: Das sind Petitessen, über die man im 18. Jahrhundert mit einem Achselzucken hinweg gegangen wäre. Die Wege waren eng, das Wasser lief nicht ab. Regnete es länger, musste sich der Kutscher mit seinem Gespann durch Schlammmassen kämpfen. Im Sommer verschlug einem der aufgewirbelte Staub den Atem.

Ein Brite, der 1784 in Freising Halt machte, hat seine Eindrücke festgehalten. Der Mann war aus seiner Heimat wohl Besseres gewohnt. „Die Kutschen sind wenig besser als Mistwagen“, beschwerte er sich. Ohne Leiter komme man da gar nicht hinauf. Oft gab es Pannen, echte oder fingierte, damit der Wagner, der das Rad ersetzte oder reparierte, auch zu seinem Geld kam. Der Brite rät, sich mit dem Postillion gut zu stellen und ihm vor Reiseantritt ein ordentliches Trinkgeld zu geben.

Myriam Wagner-Heisig sagte, dass die Fahrt von Freising nach München etwa dreieinhalb Stunden gedauert habe. Von 1858 an fuhr ein Postomnibus von Freising nach Moosburg, von 1885 von Freising nach Allershausen. Letzteren benutzte Ludwig Thoma, der sich immer wieder dort aufhielt, weil dort eine ehemalige Haushälterin der Familie lebte. Zu dieser Zeit kamen wohl auch schon dampfbetriebene Busse zum Einsatz.

In Freising wurde schon immer gerne gehandelt. Davon zeugt das Marcus-Haus, in dem sich jetzt ein Textilgeschäft befindet.
In Freising wurde schon immer gerne gehandelt. Davon zeugt das Marcus-Haus, in dem sich jetzt ein Textilgeschäft befindet. (Foto: Marco Einfeldt)

Freising war Umschlagplatz von Waren, die von Süden nach Norden und umgekehrt gehandelt wurden. Davon zeugt unter anderem das Marcus-Haus an der Unteren Hauptstraße, vor dem die Gruppe Station machte. Dabei handelt es sich um ein Baudenkmal aus der frühen Neuzeit. Erbaut wurde es um 1566/67. Mitte der Zweitausenderjahre war es restauriert worden, obwohl es manche Freisinger am liebsten abgerissen hätten.

Der damalige Oberbürgermeister Dieter Thalhammer erinnerte daran, dass das Marcushaus Zeitzeuge der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte seit dem 17. Jahrhundert sei. Und es erinnere an Marcus Lewin, einen jüdischen Freisinger, der ein hoch angesehenes Kaufhaus in Freising betrieb. Als die Nationalsozialisten auch in Freising das Sagen hatten und er von seiner geplanten Deportation erfuhr, erschoss er sich.

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Dass Freising zu einem Handelszentrum aufstieg, verdankte es seiner Nähe zum Handelsweg zwischen Mittenwald und Venedig. „Es war ein guter Ort zum Einkaufen“, sagte Myriam Wagner-Heisig. Zu kaufen gab es alles, was das Herz der Einwohner begehrte: Wein, Gewürze, Seide, Glas, Textilien, Metalle, Pelze und Manufaktur-Erzeugnisse.

Der Pfarrer ärgert sich unsittlich bekleidete Radfahrer

Auf dem Weg zum Isator begegnete die Gruppe vielen Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern, die kreuz und quer auf der Unteren Hauptstraße herumfuhren. Wann das erste Fahrrad in der Stadt gesichtet worden war, das wusste Myriam Wagner-Heisig nicht. Allerdings, sagte die Stadtführerin, habe sich schon 1893 ein „Velociped-Verein“ gegründet, der Wettrennen veranstaltete. Ein Verein mit langer Tradition ist der RVN Neustift, der im Jahr 1900 gegründet worden war.

Zu den frühen Radfahrenden in der Stadt erzählte Myriam Wagner-Heisig die Anekdote von einem Freisinger Pfarrer. Der hatte sich fürchterlich über die „unsittliche Kleidung“, mit der die Männer auf ihren Gefährten saßen, aufgeregt. Frauen waren damals wohl weniger auf Fahrrädern unterwegs. Die Männer trugen dabei eher sportliche Bekleidung als im Alltag üblich.

Nächste Station war der ehemalige Standort des Isartores an der Ecke Untere Domberggasse/Heiliggeistgasse. Das alte Zollhaus steht noch. Das Tor selbst ist abgerissen, wie alle anderen Stadttore in Freising auch. Der Stadt war es in ihren mittelalterlichen Grenzen zu eng geworden. Am Tor hatten die Passierenden ihre Waren zu verzollen und bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein den Pflasterzoll zu zahlen. Das betraf auch die ersten Autos, die auf den damals üblicherweise schlechten Straßen fuhren. Der Pflasterzoll ist mittlerweile durch die Kraftfahrzeugsteuer ersetzt.

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Die Eisenbahn kam 1858 nach Freising. Sie ist es, die neben der Isar den Ortsteil Lerchenfeld von der eigentlichen Stadt trennt. Die Trasse in der Ebene wurde deshalb gewählt, weil dort keine Steigungen zu bewältigen waren. Die Freisinger standen dem neuen Verkehrsmittel skeptisch gegenüber. Der damalige Bürgermeister fand, wenn man schon mit der Eisenbahn leben müsse, dann sollten die Durchreisenden auch ihr Geld in der Stadt lassen. Schließlich gab es in Freising damals über vierzig Wirtschaften. Es dauerte nur ein Jahr, bis das erste Eisenbahnbüchlein mit Tipps für den Aufenthalt in Freising erschien.

Blick auf die Isar von der Korbiniansbrücke. Hier fuhren früher die Flöße.
Blick auf die Isar von der Korbiniansbrücke. Hier fuhren früher die Flöße. (Foto: Marco Einfeldt)

Letzte Anlaufstation war die alte Isarbrücke. Schaut man heute auf den spärlichen Rest Wasser hinunter, das von dem einst reißenden Gebirgsfluss noch übrig geblieben ist, dann ist es kaum mehr vorstellbar, dass auf diesem einst über 10 000 Flöße im Jahr nach Plattling und sogar bis nach Wien fuhren. Auf den Flößen wurden allerhand Waren transportiert. Besonders praktisch: Auch das Holz konnte am Bestimmungsort verkauft werden. Auf den Flößen hatten bis zu 200 Menschen Platz. Die Reise von München nach Wien dauerte fünf Tage.

Der Warentransport verlagerte sich zunehmend auf die Schiene

„Das Besondere daran war, dass die Matrosen nicht schwimmen konnten“, sagte Myriam Wagner-Heisig. Das machte Sinn, denn dann konnten sie im Zweifelsfall ihr Floß nicht im Stich lassen. 1904, mit der zunehmenden Regulierung der Isar war es dann mit der Flößerei vorbei. Zudem verlagerte sich der Warentransport zunehmend auf die Schiene.

Wiederum ein Brite schilderte seine Erlebnisse einer Floßfahrt. Gegen zwei Uhr am Nachmittag habe man München verlassen, schrieb er. Die ganze Fahrt über sei es brütend heiß gewesen. Sechs Wochen habe es zuvor nicht geregnet. Um sechs Uhr sei man dann in Freising gewesen. Die Bediensteten seien in die Stadt gegangen. Dann sei ein heftiges Gewitter niedergegangen. Erst am Morgen seien die Bediensteten zurückgekommen. Zum Essen habe es nur Schwarzbrot, zum Trinken nur Bier gegeben. Heute hätte der Brite die Auswahl zwischen diversen italienischen, griechischen und asiatischen Restaurants. Und tatsächlich noch ein paar mit bayerischem Essen.

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