Süddeutsche Zeitung

Fußball:"Frauen sind nicht so theatralisch wie ihre männlichen Kollegen"

Anna-Lena Beer spielt in der Frauenmannschaft des TSV Eching Fußball und hat mit ihrer Elf die diesjährige Kreismeisterschaft gewonnen. Unterschiede zu den Männerteams sieht sie nicht nur in der Möglichkeit, Geld zu verdienen, sondern auch beim Leiden nach Fouls.

Interview von Henrike Schulze-Wietis, Eching

Mit der Damenmannschaft des TSV Eching hat sie die diesjährige Kreismeisterschaft geholt: Anna-Lena Beer spielt seit dem WM-Sieg der deutschen Frauen in China 2007 Fußball. Die 23-Jährige kennt den Sport, seine Herausforderungen und die Rolle als Frau in der Fußball-Branche.

Glückwunsch zur Meisterschaft! Wie hart war der Weg dorthin?

Im Vergleich zur vergangenen Saison konnte man sehen, wie die Mannschaft zusammengewachsen ist. Wir haben Teamabende veranstaltet, bei denen der Mannschaftsgeist gefördert wurde. Das hat sich vor allem in der Trainingsbeteiligung widergespiegelt und hat auch zum Sieg beigetragen. Außerdem erleben wir beim TSV Eching einen extremen Zulauf. Wir haben jetzt noch eine zweite Mannschaft, die U-21, aufgemacht. Es hat sich rumgesprochen, dass wir so einen guten Teamgeist haben. Seit zwei Jahren trainiert uns Jan Strehlow und hat viel mehr Struktur und Professionalität reingebracht. Vorher gab es weder einen Mannschaftsrat, noch mehrere Kapitäninnen. Im ersten Jahr ist dieses strenge Training auf viel Gegenwehr bei manchen Mädels gestoßen, weil sonst immer der reine Spaß und das Hobby im Vordergrund gestanden hatten. Dann sind wir mit ihm sogar Vorletzter geworden, weil wir so eine geringe Trainingsbeteiligung hatten. Aber irgendwie ging ein Ruck durch die Mannschaft und schon die Vorbereitung und Trainingsspiele waren super. Der professionelle Rahmen hat uns auf jeden Fall zum Sieg verholfen.

Apropos professioneller Rahmen: Gerade kämpfen die deutschen Fußballfrauen in Frankreich um den dritten Weltmeistertitel. Könnten Sie sich vorstellen, den Kreisliga-Rasen gegen den WM-Platz einzutauschen?

Eher nicht. Dass viele Bundesliga- und Nationalspielerinnen nebenbei studieren oder arbeiten müssen, um sich ein zweites Standbein aufzubauen beziehungsweise überhaupt davon leben zu können, schreckt mich ab. Natürlich ist es cool, wie der FC Ingolstadt in der zweiten Bundesliga zu spielen, aber als Beruf wünsche ich mir das nicht.

Obwohl die Frauen erfolgreicher sind (acht EM-Titel, zwei WM-Titel und einmal Olympia-Sieger), werden sie wesentlich schlechter bezahlt. Ist das gerechtfertigt?

Also, der Zeitaufwand beim Frauenfußball ist genauso hoch, wie der beim Männerfußball. Ob Training oder Spiele, Frauen hängen sich mindestens genauso rein. Das steht in keinem Verhältnis zu den Gehältern von Neymar oder so. Andererseits erwirtschaften die Frauen nun mal auch weniger Geld durch Stadionbesuche. Ich finde, dass da vom DFB mehr gemacht werden muss. Dass der Frauenfußball mehr gepusht und unterstützt werden muss.

Der norwegische Fußballverband hat beschlossen, die Nationalspielerinnen in der gleichen Höhe zu entlohnen wie ihre männlichen Kollegen. Die verzichteten dafür sogar auf Geld.

Find ich total cool. Wäre auf jeden Fall mal ein Ansatz, auch in Deutschland darüber nachzudenken. Obwohl ich glaube, dass der DFB momentan noch nicht dazu bereit ist.

Im neuen Commerzbank Werbespot rechnen DFB-Frauen mit Vorurteilen im Frauenfußball ab. Haben Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?

Anna Bergmoser, Spielerin aus meiner Mannschaft, hat den "Bayerntreffer des Monats" gewonnen. Von dem Tor aus 35 Metern gab's einen Beitrag auf Facebook, der unter anderem mit "Ist das Tor in Zeitlupe aufgenommen?" kommentiert wurde. Aber ich selber habe es noch nicht so schlimm erfahren.

Ist Frauenfußball denn wirklich schlechter?

Ich persönlich finde, dass der Männerfußball viel dynamischer ist. Wenn ich selber spiele, fühle ich mich auch dynamisch und schnell, aber wenn man sich das mal vom Spielfeldrand anschaut, fallen doch Unterschiede im Spieltempo auf.

Ist etwas besser am Frauenfußball im Vergleich zu den Männern?

Die Frauen hängen sich mehr rein: wir nehmen Verbesserungsvorschläge des Trainers besser auf und setzen die sofort um.

Merkt man das auch in Sachen Fairness?

Es gibt zwar nicht weniger Fouls, aber Frauen bleiben nicht so lange liegen. Sie sind nicht so theatralisch, wie ihre männlichen Kollegen. Aufstehen und weiter geht's.

Der MDR hat in einem Video vorgeschlagen, eine Geschlechtertrennung im Sport aufzuheben und Mixed Teams antreten zu lassen. Wäre das eine Alternative?

Für Spaßturniere finde ich das ganz cool. Das fördert bestimmt den Teamgeist. Wir haben selber mal an einem Turnier teilgenommen, bei dem Frauen gegen Frauen gespielt haben und die Männer dann mit dem Ergebnis weiterspielen mussten. Zwar ein gemeinsames Ziel, aber keine direkt gemischten Mannschaften. Eine komplette Umstellung auf gemischte Teams fände ich nicht richtig. Die Frauen würden wahrscheinlich Probleme mit dem Tempo bekommen. Und ich denke, viele Männer wären gar nicht bereit dazu, Frauen direkt mitspielen zu lassen.

Welche Rolle hat der Frauenfußball für den TSV Eching? Werden die Damen nur akzeptiert oder auch wertgeschätzt?

Das Aushängeschild des Vereins ist ganz klar die erste Mannschaft der Herren. Die verdienen übrigens auch Geld. Nach unserer Meisterschaft haben wir natürlich etwas mehr Anerkennung bekommen, vor allem auch, weil sich viele Spielerinnen im Verein engagieren. Trotzdem könnte man mehr machen. Als eine Jugendmannschaft des TSV Eching Meister wurde, hat der Vorstand den Spielern offiziell dazu gratuliert. Bei uns war das nicht der Fall: Wir haben nur Glückwünsche über WhatsApp erhalten. Da hätte ich mir mehr gewünscht.

Wie wünschen Sie sich die Zukunft des Frauenfußballs und wie wird sie in Wirklichkeit sein?

Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit für Damenmannschaften. Vor allem in den Medien: Champions League-Spiele, Bundesligaspiele und Länderspiele sollten mehr im Fernsehen übertragen werden. Die Berichterstattung sollte intensiver werden. Ich denke, dass sich auch in Sachen Gehälter in den nächsten Jahren etwas tun wird. Natürlich nicht so, wie bei den Männern. Es gibt definitiv Nachholbedarf.

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