Offene Moschee:"Uns ist wichtig, dass Kinder den Islam aus der richtigen Quelle lernen"

Ömer Korkmaz

Ömer Korkmaz ist seit Anfang 2016 Vorsitzender der Islamischen Gemeinde in Freising. Geplant hatte der 42-Jährige das nicht.

(Foto: Lukas Barth)

"Wenn Leute von ISIS sagen, sie seien Muslime und bringen dann Unschuldige um, ist das unislamisch", sagt Ömer Korkmaz. Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde in Freising legt Wert darauf, dass ein toleranter Islam gepredigt wird.

Von Clara Lipkowski, Freising

Anders als die meisten Moscheen, die eher an den jeweiligen Stadtrand gedrängt zu finden sind, ist Freisings Islamische Gemeinde ziemlich zentral verortet. An der Wippenhauser Straße 3 nutzt sie nahe der Abzweigung zur Oberen Hauptstraße drei leuchtend gelbe Gebäude. Zentralmoschee heißt sie passenderweise - oder auf Türkisch: Merkez Cami.

Ömer Korkmaz ist Anfang 2016 Vorsitzender der Gemeinde geworden. Geplant hatte der 42-Jährige das nicht. "Ich war schon lange im Vorstand", erinnert er sich. Seit er nach Deutschland kam, engagierte er sich in dem Verein, der derzeit zwischen 130 und 150 Mitgliedern zählt, so sicher ist man da nicht. Irgendwann wurde Korkmaz Jugendvorsitzender. Bei Neuwahlen für den Vorsitz im Januar 2016 entfielen dann die meisten Stimmen auf ihn. "Das kam überraschend, gerechnet hab ich nicht damit", erzählt er im sonnigen, windgeschützten Innenhof. Man kannte und mochte ihn wohl in der Gemeinde.

"Im Islam reicht es nicht, dass man selbst ein guter Mensch ist, man soll auch andere Leute auf einen guten Weg bringen"

Seither sorgt er dafür, dass der Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche, das gemeinsame Beten, Feste und ein regelmäßiger Austausch mit Freisinger Institutionen stattfinden. Er handelt nach einem Prinzip: "Bei uns im Islam reicht es nicht, dass man selbst ein guter Mensch ist, man soll auch andere Leute auf einen guten Weg bringen, zum Beispiel, dass sie keine Drogen nehmen." Aktuell plant er mit dem Vorstand das Frühlingsfest, wenig später steht im Ramadan das gemeinsame Fastenbrechen an. Die Gemeinde erwartet wie jedes Jahr pro Abend mehrere Hundert Gläubige und Interessierte im Hof.

"Im Schnitt arbeite ich etwa ein bis zwei Stunden am Tag für die Gemeinde." Ehrenamtlich versteht sich. Hauptberuflich war er viele Jahre Taxifahrer mit eigenem Unternehmen, mittlerweile tritt er da kürzer, weil er in Vollzeit einen Lebensmittelladen in Erding führt, Schwerpunkt: Waren aus der Türkei.

Aus Zentralanatolien war Korkmaz mit 21 Jahren ausgewandert, der Zukünftigen wegen. Das war 1996. "Meine Frau ist Türkin, aber hier aufgewachsen." An einem Freitag landete er in Freising und am Sonntag fing er in einem Hotel in der Küche das Arbeiten an. In der Türkei hatte er eine Schule besucht, ähnlich dem Gymnasium aber mit islamtheologischer Ausrichtung. Heute lebt er mit Frau und zwei Kindern in Freising. Das dritte Kind, einer der beiden Söhne, ist schon aus dem Haus und studiert Jura in Regensburg.

Eine seiner Aufgaben ist, zu kontrollieren, was gepredigt wird

Als Vorsitzender der islamischen Gemeinde ist eine seiner Aufgaben, zu kontrollieren, was gepredigt wird: Er legt dem Imam die Texte vor. Die Informationen für die Predigt sucht Korkmaz auf unterschiedlichen Internetseiten, etwa von Moschee-Dachverbänden wie DITIB oder IGMG. "Wir wollen meist aktuelle Sachen thematisieren. Und uns ist wichtig, dass die Kinder aus der richtigen Quelle den Islam lernen. Wenn Leute von ISIS sagen, sie seien Muslime und bringen dann Unschuldige um, ist das einfach unislamisch. Deswegen ist uns wichtig, dass wir die Inhalte kontrollieren."

Der Imam wird aus der Türkei entsandt, von der dortigen Religionsbehörde. "Wir fragen über das Konsulat an", erklärt Korkmaz, "dann wird er uns zugeteilt, in der Regel für zwei Jahre. Gefällt uns seine Arbeit, können wir zwei Jahre verlängern." Der jetzige Imam ist seit einem Jahr in Freising, er spricht Türkisch, kein Deutsch. Bleibe es bei den zwei Jahren, lohne es sich nicht, Deutsch zu lernen, sagt Mesut Ünal, langjähriges Mitglied der Gemeinde, der sich zum Gespräch dazu gesellt hat.

Auf die Frage, ob schon mal Gläubige mit radikalen Tendenzen in der Gemeinde aufgetaucht seien, sagt Korkmaz: "Nein, bekannt sind mir keine." Ünal ergänzt: "Die würden sich das gar nicht trauen, weil wir Wert darauf legen, eine offene Moschee zu sein. Aber wäre das der Fall, würden wir es vehement abwehren." Sich mit zehn Mann zum Plaudern in einen der Aufenthaltsräume zu setzen, das gehe nicht, sagt Korkmaz: "Weil wir nicht wissen, was sie dort reden." Auch eine Feier von Afghanen erlaubte er deshalb nicht. "Mir tat das wirklich leid, aber wenn wir ihre Sprache nicht verstehen, machen wir das nicht." Ganz auszuschließen sei aber nie, dass sich ein Radikaler unter die Leute mische. Wenn zur Freitagspredigt zwischen 300 und 400 Menschen erscheinen würden, könne man nicht jeden kontrollieren.

Die Gemeinde sei relativ jung, sagt Korkmaz, die Hälfte zwischen 20 und 45 Jahre alt. Freitags gibt es einen Jugendtreff, nach Geschlechtern getrennt. Oft wird dann auch ein weltliches Thema besprochen, einmal im Monat mit einem deutschen Redner. Vor kurzem klärte ein Gymnasiallehrer über die Folgen von Drogenkonsum auf. Korkmaz selbst verzichtet vollständig auf Alkohol. Auch das Rauchen hat er sich vor ein paar Jahren abgewöhnt. Für die Gemeinde wünscht er sich, irgendwann in ein größeres Haus umzuziehen, die jetzigen Gebäude reichen kaum für die vielen Besucher, und - mehr Interesse der Freisinger: "Jedem steht die Tür der Gemeinde offen", sagt Korkmaz, "um Fragen zu stellen oder Informationen über den Islam und die Gemeinde zu bekommen

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