Süddeutsche Zeitung

Sperrung der Bahngleise:Das große Chaos bleibt aus

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Bahn und Pendler sind offenbar gut vorbereitet. Wer ratlos schaut, hat sofort einen Helfer an seiner Seite. Trotzdem verfährt sich manch einer - oder hadert mit Ticket-Details.

Von Clara Lipkowski, Thilo Schröder und Nadja Tausche, Landkreis

Das von Pendlern befürchtete Chaos am ersten Werktag der großen Bahnsperrung zwischen Freising und München ist weitgehend ausgeblieben. Am Montagmorgen zeigen sich nicht nur Vertreter der DB bei einem Pressegespräch zufrieden mit dem bisherigen Schienenersatzverkehr (SEV). Auch die Pendler an den Ersatzbahnhöfen, in den Bussen, am Flughafen-Besucherpark und in Freising erdulden unaufgeregt die Änderungen im Fahrplan.

Am Freisinger Bahnhof eilen Helfer in orangefarbenen Westen herbei, sobald sich jemand ratlos umschaut. Die Mitarbeiter der "DB Sicherheit" stünden seit fünf Uhr früh an allen Ersatzbahnhöfen bereit, sagt Michael Feuser, Sprecher der S-Bahn München. Sie seien extra dafür geschult worden. Ganz reibungslos läuft es allerdings nicht, eine aufgelöste junge Frau eilt über den Bahnsteig und sucht nach der schnellsten Verbindung nach Karlsfeld. Zuvor hatte ihr ein Bahnhelfer am Flughafen geraten, erst einmal nach Freising zu fahren. "Ich habe mich total verfahren", sagt sie, ruft noch "Katastrophe" und eilt zum Bus 635, um wieder zum Flughafen und dann mit der S-Bahn weiter zu fahren.

Am Besucherpark am Flughafen nutzen Pendler die S-Bahn oder den Ersatzbus. Viel ist am Montagmorgen nicht los - weder auf der Glasbrücke Richtung Bushaltestelle noch in den Bussen. Ein Bahnmitarbeiter erklärt das damit, dass viele Fahrgäste lieber direkt die S-Bahn nach Freising nehmen. Diese fährt ein bis zwei Mal pro Stunde und ist gerade abgefahren. Außerdem pendelten morgens mehr Fahrgäste von Freising nach München als umgekehrt, so der Mitarbeiter: Er rechnet deshalb für den Nachmittag mit vollen Bussen nach Freising. Als ein Bus aus Freising ankommt und ein Schwung Fahrgäste aussteigt, ist von genervter Stimmung nichts zu spüren. Der Bahnmitarbeiter ruft, wo es zur S-Bahn nach München langgeht, ein Fahrgast witzelt: "Das müssen Sie heute wohl noch tausend Mal sagen." Eine Reisende sagt, sie habe mehrmals die Helfer der Bahn gesehen: "Wenn das mit dem Schienenersatzverkehr so bleibt, ist es okay."

Mit Fahrdetails gibt es aber Unklarheiten. Nina Sterner, 25, hätte an sich ein Bayernticket gekauft, um vom Hauptbahnhof nach Passau zu fahren. Jetzt habe sie zehn Euro mehr gezahlt, denn durch den SEV musste sie eine Stunde früher los, das Bayernticket gilt erst ab neun Uhr. Dass es während der Sperrung schon ab acht Uhr gilt, wusste sie nicht, das sei ihr in der App nicht angezeigt worden, sagt sie. Und auch von der S-Bahn vom Besucherpark nach Freising sei in der App nichts gestanden, sind sie und zwei Mitfahrerinnen einig.

Die Pendler, die man in der S-Bahn vom Besucherpark nach Freising antrifft, sind gut informiert. "Ich habe in der DB-App geschaut und bin entsprechend früher aufgestanden", sagt Ching Horng Tan, 45, der zur Arbeit nach Freising fährt. Aurelien Tellier, 38, Professor an der TU in Weihenstephan will während der Bauarbeiten mehr im Homeoffice arbeiten, weil ihm die Fahrtzeit zu lang ist. "Das geht, weil das Semester vorbei ist."

Am Feldmochinger Bahnhof machen die Busdisponenten in ihren orangefarbenen Leibchen ebenfalls einen geschäftigen Eindruck. Und sie scheinen einen Plan zu haben, samt Klemmbrett in der Hand. Die Fahrgäste sind an diesem Montagmorgen weit weniger aufgescheucht. Gelassen nehmen sie den SEV zur Kenntnis und steigen in einen Bus in Richtung Freising. Die meisten sind gut informiert oder ortskundig, denn obwohl die Monitore im Bus blank sind, löst das keine große Überraschung aus. Überfordert sind nur ein paar Fahrgäste damit, in welchen Bus sie steigen müssen. Auf der vorübergehenden Busstrecke fahren permanent 50 bis 60 Fahrzeuge und wie es bei der S1 zwei Zugabschnitte gibt, so gibt es auch beim Schienenersatzverkehr zwei Busse, die parallel starten, sich in Neufahrn trennen und von dort nach Freising und zum Flughafen fahren.

Bei der Abfahrt um kurz nach acht Uhr ist der Bus nahezu voll besetzt. Auf teils kleinen, etwas holprigen Landstraßen geht es vorbei an blühenden Kornfeldern, Blumenwiesen und frisch gepflügten Äckern. Ein Radlweg samt strampelnder Frühsportler rundet das idyllische Bild ab. Doch die wenigsten lassen hier den Blick schweifen. Man lehnt sich zurück, schließt die Augen, rückt die Kopfhörer zurecht und hält ein kleines Nickerchen während einer Fahrt, die zwar reibungslos verläuft - inklusive funktionierender Klimaanlage aber eben mehr als doppelt so lange dauert wie sonst mit der S-Bahn. Beim Aussteigen, etwa in Unterschleißheim, schaut zuweilen doch der ein oder andere etwas verwirrt: Statt der gewohnten Bahnsteigkante heißt einen jetzt ein Maisfeld willkommen.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2018
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