Flughafen München:Unbequeme Betriebsrätin vor die Tür gesetzt

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Vor der Aufsichtsratssitzung haben sich am Mittwoch Verdi-Mitglieder, darunter auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eurotrade, mit Neli B. solidarisiert, rechts neben ihr Heinrich Birner, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks München und Region. (Foto: Verdi)

Eurotrade kündigt Neli B. fristlos, weil sie eine dienstliche Mail auf ihren privaten E-Mail-Account geschickt haben soll. Verdi und KAB fordern die Rücknahme der Entscheidung und warnen vor einem „Klima der Angst“.

Von Petra Schnirch, Flughafen

Die fristlose Entlassung einer Betriebsrätin bei der Eurotrade am Flughafen schlägt hohe Wellen. Die Gewerkschaft Verdi und die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) stellen sich öffentlich hinter Neli B. und fordern das Unternehmen auf, die Kündigung zurückzunehmen. Ärger hat die Eurotrade auch an anderer Stelle. Etwa 50 Beschäftigte haben für die Betriebsratswahl, die Mitte Mai stattfand, die Feststellung der Nichtigkeit beantragt. Ein Gütetermin in dieser Sache findet an diesem Donnerstag, 25. Juli, vor der 36. Kammer des Arbeitsgerichts München statt (16.30 Uhr). Der Vorwurf: Der Arbeitgeber habe seine Neutralitätspflicht verletzt und auf das Wahlverhalten der Beschäftigten Einfluss genommen.

Verdi-Gewerkschaftssekretär Dominik Datz sieht in der Kündigung durch die Eurotrade, einer Tochter der Flughafen München GmbH (FMG), den Versuch, eine unliebsame Arbeitnehmervertreterin loszuwerden. Neli B. ist seit etwa 15 Jahren im Betriebsrat, hat auf der Verdi-Liste für den Aufsichtsrat kandidiert und sich für die Gewerkschaft in der Tarifkommission engagiert. Sie habe für Verdi nach außen sichtbare Funktionen übernommen. „Dadurch ist sie in den Blick des Arbeitgebers geraten“, sagt ihr Anwalt Rüdiger Helm. Wenige Tage vor der Aufsichtsratswahl erhielt Neli B. die Kündigung.

Diese erfolgte ohne Angabe von Gründen. Auf Nachfrage habe Neli B. dann erfahren, dass man ihr vorwerfe, eine dienstliche Mail an ihre private E-Mail-Adresse weitergeleitet zu haben, erklärt ihr Anwalt. Bei der FMG will man sich dazu nicht im Detail äußern. „Während des laufenden Verfahrens können wir keine Auskünfte geben“, teilt die Pressestelle mit. „Wir können lediglich bestätigen, dass die Kündigung durch Eurotrade aufgrund eines gravierenden arbeitsrechtlichen Verstoßes erfolgt ist.“

„Die fristlose Kündigung ist für mich völlig haltlos“, sagt dagegen Rechtsanwalt Helm. Er hat eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Hier werde Täter und Opfer verwechselt, kritisiert er. Der Arbeitgeber habe einen angeblichen Datenschutzverstoß geltend gemacht, den er sonst bei keinem anderen Arbeitnehmer angemahnt habe. Der gleiche Abteilungsleiter, der ihr den Vorwurf mache, habe Neli B. selbst E-Mails auf deren privaten Account geschickt. Zudem habe der Arbeitgeber gar kein Datenschutzkonzept. „Man kann nicht gegen etwas verstoßen, was es gar nicht gibt“, sagt Helm.

Etwa 40 Shops betreibt die Eurotrade, eine Tochter der Flughafen München GmbH, am Airport im Erdinger Moos. (Foto: Marco Einfeldt)
Die Verwaltung befindet sich im Munich Airport Center des Flughafens. (Foto: Marco Einfeldt)

Außerdem stellt sich für Dominik Datz die Frage, wie der Arbeitgeber davon erfahren haben will. „Scheinbar wurde illegal auf die Mail-Adresse einer aktiven Betriebsrätin zugegriffen“, kritisiert Verdi in einer Pressemitteilung. „Das ist der eigentliche Skandal“, sagt Datz im Gespräch mit der SZ. Er hofft, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werde.

Ungewöhnlich ist auch, dass der Betriebsrat als Interessenvertreter der Arbeitnehmer der fristlosen Kündigung der Kollegin in der Anhörung laut Datz mit knapper Mehrzeit zugestimmt hat – praktisch als erste Amtshandlung nach seiner Konstituierung. „Die Verletzung der Neutralitätspflicht hat funktioniert“, kommentiert dies Anwalt Helm. In dem Gremium sitze eine knappe Mehrheit der vom Arbeitgeber favorisierten Kandidaten. „Das Anhörungsverfahren war eine Farce“, sagt auch Datz.

Neli B. war laut Helm maßgeblich an dem Antrag beteiligt, vor der Betriebsratswahl eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Einflussnahme durch den Arbeitgeber zu erlassen. Das Landesarbeitsgericht habe die Position der Antragsteller geteilt, berichtet der Anwalt. Nach einer kurzen Unterbrechung vor Gericht habe die Eurotrade zugesagt, ihre Aktivitäten einzustellen. „Damit war es ein 100-prozentiger Erfolg von Neli B. und den anderen Antragstellern.“ An diesem Donnerstag ist die Betriebsratswahl noch einmal Thema am Arbeitsgericht München. Etwa 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen sie für nichtig erklären lassen. Zunächst findet ein Gütetermin statt.

„Ihre Fehlentscheidung schädigt das Image von Eurotrade nachhaltig“, mahnt die KAB

In Sachen Kündigungsschutzklage wird ein Gütetermin nach der Urlaubszeit im September anberaumt. Der Diözesanvorstand der KAB hofft aber, dass der gar nicht nötig sein wird und appelliert an das Unternehmen, die Kündigung zurückzunehmen – auch im eigenen Interesse. „Wenn Sie nicht schon arbeitsrechtliche Bedenken oder ethische Überlegungen hindern, wäre es lohnenswert für Sie, dass Sie sich die mediale Außenwirkung Ihrer Entscheidung vor Augen halten“, heißt es in dem Schreiben, das die KAB-Diözesanvorsitzende Hanne Möller und KAB-Diözesan- und Landespräses Michael Wagner unterzeichnet haben.

Die Geschäftsführung habe ganz offensichtlich versucht, heißt es weiter, eine Arbeitnehmerinnenkandidatur für den Aufsichtsrat zu verhindern. „Allein aus dem Grund, dass die Betriebsrätin unbequem sein könnte.“ Damit aber schaffe man „ein Klima der Angst“, das zerstöre jede Form von Vertrauen. „Ihre Fehlentscheidung schädigt das Image von Eurotrade nachhaltig“, mahnt die KAB. „In Zeiten partnerschaftlicher Führung in Unternehmen werden unternehmerische Entscheidungen öffentlich hinterfragt.“

Verdi hat den Arbeitgeber aufgefordert, Neli B. umgehend wieder Zugang zum Betrieb zu gewähren, „um den bereits eingetretenen Schaden durch die offensichtliche Wahlbehinderung nicht noch größer werden zu lassen“. Auch der Frauenvorstand des Bundesfachverbands Handel bei Verdi hat sich mit der gekündigten Betriebsrätin solidarisch erklärt. In den Aufsichtsrat ist Neli B. übrigens nicht gewählt worden.

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