Der Mohr soll aus dem Wappen des Landkreises Freising verschwinden. So lautet die Forderung einer Petentin, die sich mit ihrem Ansinnen an den Bayerischen Landtag gewendet hat. Das Landratsamt, von der Regierung um eine Stellungnahme gebeten, bittet darum, die Eingabe zurückzuweisen. Die SZ hat zu diesem Thema unter anderem Künstler, Kunsthistoriker, darunter auch People of Color, nach ihrer Meinung befragt.
Das Landratsamt
Die rechtliche Einschätzung des Freisinger Landratsamts sieht nach Auskunft von Pressesprecher Robert Stangl folgendermaßen aus: "Nach Artikel 3 der Landkreisordnung können die Landkreise ihre geschichtlichen Wappen, das heißt, die Wappen, die bei Inkrafttreten der Bayerischen Landkreisordnung bestanden, führen. "Dies ist beim Landkreis Freising der Fall", bestätigt Stangl. Die Wappenführung gehöre zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Bei Aufgaben eigenen Wirkungskreises sei die Rechtsaufsicht auf die Prüfung beschränkt, ob ein Rechtsverstoß vorliegt. Aus Sicht der Landkreisverwaltung liege ein solcher Rechtsverstoß nicht vor, teilt Stangl mit. "Soweit der Bayerische Landtag ein Gesetz erlässt, das die Änderung unseres Landkreiswappens gebietet, wäre zu prüfen, ob er damit das Selbstverwaltungsrecht des Landkreises verletzt." Laut Kreisheimatpfleger Bernd Feiler müsste dann der Kreistag darüber entscheiden, ob er das alte Wappen beibehalten, modifizieren oder es abschaffen wollte.
Samuel Fosso, Stadtrat
"Wir können jetzt nur spekulieren und davon ausgehen, dass die Petition nicht dafür ist, den Mohr ganz zu entfernen. Mich persönlich stört die Darstellung auf dem Freisinger Wappen nicht. Mir ist noch nie die Idee gekommen, mit solch einer Brille auf das Wappen zu schauen. Vor Kurzem wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass der ,Freisinger Mohr' zu Diskussionen führt und ich habe mir das Wappen noch einmal genauer angeschaut. Auch bei genauer Betrachtung kann ich mich darüber nicht ärgern. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und sagen, der Schwarze ist durch das Wappen und die Krone eine prominente, königliche Person. Etwas Anderes wäre es, wenn er mit einer Kette abgebildet wäre, die an den Sklavenhandel und die Wertlosigkeit von Schwarzen erinnern würde. Farbe, Statur, Mund, Nase und Ohrring - da wüsste ich jetzt nicht, worüber man sich beschweren kann. Ich sehe keinen Stereotyp. Wie viele Leute tragen Ohrringe in unserer heutigen Gesellschaft? Nicht nur Schwarze, nicht nur Mädchen, sondern ganz viele Leute. Mir ist es bis jetzt noch nicht aufgefallen, dass ,Mohr' als Beleidigung für Schwarze benutzt wird. Das N-Wort hört man schon eher. Außerdem muss man den Kontext sehen, in dem Wappen und Begriff entstanden sind. Da war die Darstellung und Bezeichnung eben normal. Ich würde eine Diskussion darüber, ob man den Begriff ändern soll, heute nicht öffnen. Viel wichtiger ist eine Grundsatz-Diskussion über Alltagsrassismus."
Günther Lehrmann
Seit über 700 Jahren seien der "Freisinger Mohr" oder das "caput Ethiopum" das Wappenzeichen für viele Orte und kirchliche Bereiche im Freisinger und europäischen Raum, sagt Günther Lehrmann, der Vorsitzende des Historischen Vereins. Es könnte sich auf eine Gestalt aus der Apostelgeschichte beziehen (8, 27). "Die exquisite Gestalt des Freisinger Mohren mit Krone und rotem Kragen ist bis zum heutigen Tag in ihrer Deutung geheimnisvoll, hat aber nichts mit der zu Recht abgelehnten Unterdrückung von Menschen anderer Hautfarbe zu tun", so Lehrmann. Er stelle ein ganz besonderes Wappenzeichen dar, das für kulturelle Vielfalt und Geschichte im europäischen Raum steht und niemanden diskriminiert.
Peter Steiner
"Der Mohr kann gehen", so lautete 2002 eine Ausstellung, die von Peter Steiner, dem damaligen Direktor des Freisinger Diözesanmuseums, organisiert wurde. "Das war damals 200 Jahre nach der Aufhebung des Fürstbistums. Der Titel war natürlich nicht wörtlich gedacht", erklärt Steiner. Die Ausstellung machte die verschiedenen Darstellungen und Deutungsversuche des Freisinger Mohren anschaulich. Zeugnissen aus Kunst, Literatur, Theater und Werbung skizzierten den kulturelle Wandel im europäischen Afrikabild: Von der Bewunderung und dem Bestaunen des Mohren im Mittelalter hin zu seiner Verachtung während der Kolonialzeit.
Es war vor gut 700 Jahren, nämlich 1284, als Bischof Emicho von Freising das gekrönte Haupt eines Afrikaners zum Hoheitszeichen für das Hochstift wählte, berichtet Steiner. Es diente als Wappenzeichen für die Waffen, Fahnen und als Siegel seines Fürstbistums. "Damit wollte man sich vom Herzogtum Bayern absetzen und die Eigenständigkeit des Hochstiftes deutlich machen", erklärt Steiner. 1284 nämlich erlangte Freising Reichshoheit und wurde zu einem eigenen Staatsgebiet. Auffällig sei, dass andere Hochstifte in dieser Zeit häufig Kreuze oder fromme Symbole als Wappenzeichen wählten.
Der Freisinger Mohr heißt in seiner ersten Erwähnung äthiopischer Kopf. "Man wusste damals nicht viel über die Äthiopier, aber sie galten als Christen und somit als Verbündete der christlichen Europäer gegen die islamischen Staaten", sagt Steiner. Der Freisinger Mohr trage eine Krone, das bedeute Herrschaft und definitiv nicht Unterdrückung. "Einen Sklaven stellt unser Mohr ganz sicher nicht dar", betont der Professor für Kunstgeschichte. Dass dunkelhäutige Menschen als Sklaven abgebildet wurden, sei erst viele Jahrhunderte später aufgetaucht. "Unser Mohr ist aber viel früher als Wappenzeichen ausgewählt worden, lange vor der Beziehung, dass dunkelhäutig zu sein automatisch Sklaverei bedeutet", erklärt er. Im Gegenteil: Dunkel zu sein, bedeutete Stärke und Macht. Die Petition bezeichnet Peter Steiner deshalb auch als "geschichtsblind". "Das führt uns doch in eine Nutellawelt, alles ist künstlich, nichts mehr natürlich." Ein Wappen auszuweisen, sei im Rittertum und frühem Mittelalter Brauch gewesen. "Das muss man diesen Leuten klarmachen. Mit Rassismus hat der Mohr in unserem Wappen absolut nichts zu tun."
Pepito Anumu, Künstler
Für mich steht der "Freisinger Mohr" für die Integration. Ihn einfach wegzunehmen - das geht nicht. Die Petition kann aber als Einladung gesehen werden, als erster Schritt, um sich zusammenzusetzen und miteinander darüber zu reden, wie wir leben wollen. Gerade Kinder muss man auch über Diskriminierung aufklären und sie an diese Themen heranführen. Ich persönlich störe mich nicht am "Freisinger Mohr" im Wappen. Er hat eine historische Geschichte in Freising, die müssen die Leute wissen. Wie ist dieser Mann nach Freising gekommen? Wo kam er her? Bevor wir uns mit so einem Wappen beschäftigen, müssen wir über Alltagsrassismus reden. Ein Wappen ist nicht der Grund für Rassismus. Wenn sich jemand an der Darstellung dieser Schwarzen Person stört, kann man natürlich über eine neue Darstellung reden. Man findet immer einen Kompromiss. Ich als Künstler finde die Darstellung aber sogar schön.
Das Erzbistum
Das Erzbistum trägt ebenfalls den Freisinger Mohren in seinem Wappen. Nach Auskunft von Ursula Hinterberger von der Pressestelle der Erzdiözese München und Freising habe man dort die Darstellung des "Mohren" innerhalb des Bistumswappens reflektiert. "Eine sichere Deutung des "Freisinger Mohren" liegt nicht vor. Die Abbildung mit dem gekrönten Haupt wird aber häufig als Zeichen für Herrschaft verstanden, antwortet sie auf eine entsprechende Frage. Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI, habe über den Freisinger Mohren in seiner Autobiografie "Aus meinem Leben" im Jahr 1998 geschrieben: "Man weiß nicht recht, was er bedeutet. Für mich ist er Ausdruck der Universalität der Kirche, die keinen Unterschied der Rassen und der Klassen kennt, weil wir alle 'einer sind' in Christus (Gal 3,28).
Ulrike Götz
"Wenn Menschen sich verletzt fühlen, muss man hinschauen und das ernst nehmen", sagt Ulrike Götz, die Leiterin des Stadtmuseums. Es sei für sie selbst aber noch lange nicht ausgemacht, dass die betreffenden Darstellungen als Kränkungen empfunden würden, und schon gar nicht könne sie eine negative Intention bei den Einrichtungen erkennen, die ein entsprechendes Motiv im Wappen oder im Logo führten. Im Gegenteil. "Nicht verkehrt wäre sicher, jeweilige grafische Ausarbeitungen auf zu starke Typisierungen hin zu prüfen", meint Ulrike Götz.