Süddeutsche Zeitung

Freisinger Köpfe:Missstände anprangern

Rosemarie Eberhard, 18 Jahre lang Stadträtin in Freising, lässt die Politik nicht los

Nach 18 Jahren ist Rosemarie Eberhard mit dem Beginn der neuen Amtsperiode aus dem Freisinger Stadtrat ausgeschieden. Zuerst saß sie in den Reihen der Grünen, seit 2017 gehörte sie der Fraktion der Linken an. Dass die Corona-Pandemie nun ihren Abschied überschattet habe, sei ihr eigentlich ganz recht, sagt sie - zumindest was dadurch ausbleibende typische Abschiedsszenen betreffe. Rosemarie Eberhard () bezeichnet sich selbst als Fast-Freisingerin. Geboren wurde die heute 66-Jährige 1954 in Aschaffenburg in eine Militärfamilie hinein. Sie wuchs in Königsbrunn auf - auf der einen Seite eine amerikanische Siedlung, auf der anderen erste Gastarbeiter-Blocks. "Da gab's keine rassistischen Ressentiments", sagt sie, "das hat mich sicherlich geprägt".

Nach der Mittleren Reife lernte sie Bauzeichnerin, arbeitete in einem Augsburger Statiker-Büro. Mit 24 Jahren kam sie über Umwege in die Domstadt, lernte dort später ihren Mann kennen, einen eingesessenen Freisinger. Sechs Jahre arbeitete sie als Filialleiterin bei Bertelsmann. Weil ihr die Personalpolitik nicht gefiel, wechselte sie zur TU in Weihenstephan, arbeitete wieder als technische Zeichnerin.

War ihr Vater noch eingefleischter SPD-Anhänger, zog es sie selbst zur Umweltpartei. "Ich habe nicht studiert, was bei den Grünen für mich aber nie schwierig war, weil ich immer viel gerödelt habe", sagt Eberhard. "Von dieser Seite her war es nicht meine Partei, trotzdem war sie meine Heimat." 2017 verließ sie dennoch Partei und Stadtratsfraktion, wechselte zur Linken, nachdem ihr fast alle Fraktionen einen Platz in ihren Reihen angeboten hatten, wie sie sagt. Etwa zur selben Zeit ging sie, nach 48 Jahren und acht Monaten, in Rente. Bis zuletzt hat sie im Personalrat, im Gesamtpersonalrat der TU und im Hauptpersonalrat am Bildungsministerium mitgemischt.

Auch wenn Rosemarie Eberhard nun aus der Kommunalpolitik ausgeschieden ist, merkt man ihr an, dass die Politik sie nicht loslässt. Und dass sie nicht davor zurückscheut, wahrgenommene Missstände auch weiter öffentlich anzuprangern. Etwa, dass die TU München weiterhin radioaktives Wasser aus dem Atommeiler Garching in die Isar einleiten darf: "Wäre das vor München, würde es das garantiert nicht geben." Der Wissenschaftsstandort Freising werde nicht gewürdigt, sagt sie. "Ich bin der Meinung, dass es der TU egal ist: Ist ja ,nur' Freising, da gibt es keine Wertschätzung."

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Quelle:
SZ vom 18.05.2020 / ilos
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