Freisinger Innenstadtsanierung:"Viele sehen nicht, dass wir da sind"

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Freisings Geschäftsleute leiden unter den Bauarbeiten, freuen sich aber auf das Ergebnis. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Geschäftsleute leiden unter den Bauarbeiten, freuen sich aber auf das, was einmal kommen soll.

Von Marie Schlicht und Pia Schiffer, Freising

Seit Jahren prägen Bauzäune, Bagger, Kräne und Bohrgeräte das Bild in der Freisinger Innenstadt. Ziel der Baumaßnahmen ist es, "die Freisinger Altstadt als attraktives und lebendiges Ortszentrum zu wahren und zu stärken", wie Christl Steinhart, Pressesprecherin der Stadt, betont. "Schön ist's, schön wird's!", lautet das Motto auf der offiziellen Website. Derzeit aber ist es eher laut und unwegsam.

Die Einschränkungen für die Gewerbetreibenden unmittelbar um die Baustellen herum sind in der Oberen Hauptstraße nicht von der Hand zu weisen. Die Gastronomie sowie der Einzelhandel in der Innenstadt haben mit Lärm, weniger Platz und eingeschränkter Sichtbarkeit zu kämpfen. Einstimmig erzählen Inhaber und Mitarbeiterinnen verschiedener Geschäfte in der Oberen Hauptstraße von den negativen Auswirkungen der Baustelle. "Es ist auf jeden Fall einschränkend. Viele Personen sehen nicht, dass wir da sind. Außerdem wird teilweise ein enormer Geräuschpegel durch die Bauarbeiten erreicht. Dementsprechend gehen viele Kunden eher weiter", schildert Benjamin Winter, Abteilungsleiter Verkauf des "Freisinger Land Ladens".

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Die einen ratschen lieber im ruhigen Hinterhof-Café der Chocolaterie Muschler...

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(Foto: Marco Einfeldt)

...den anderen macht es nichts aus, in der Q-Bar direkt am Bauzaun...

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...oder beim Augustiner an Biertischen in Baustellennähe zu sitzen.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Trotz der aktuell schwierigen Situation eröffnen aber auch neue Geschäfte in der Freisinger Innenstadt, Michael Junker hat einen zweiten Laden seiner Kaffeerösterei aufgemacht.

Auch eine Verkäuferin eines der vielen Einzelhandelsgeschäfte in der Straße beklagt, dass die Menschen sich erst einmal durch die Stadt schlängeln müssten, um überhaupt das Geschäft zu finden. Zwar zeigen sich alle zuversichtlich, dass die Stadt von den Umbauarbeiten letztendlich profitieren wird. Sie hoffen aber, dass diesen Zeitpunkt auch alle Geschäfte noch miterleben werden. "Ob der Laden das übersteht, steht in den Sternen", sagt die Verkäuferin dazu.

Andreas Muschler, Inhaber der "Chocolaterie und Pâtisserie", streitet die Auswirkungen der Baumaßnahmen in der Innenstadt ebenfalls nicht ab: "Es ist für viele sehr schwer. Natürlich ist die Baustelle auch für uns eine Rieseneinschränkung, insbesondere im Außenbereich." Dennoch betont der Chocolatier mehrmals, dass die Stadt sehr kooperativ und entgegenkommend gewesen sei und viele Gespräche auch im Vorfeld stattgefunden hätten, um Alternativen für den Zeitraum auszuarbeiten. Das Ergebnis kann sich in diesem Fall sehen lassen: Aufgrund der Baustelle und der Pandemie hat Muschler das "Café Nebenan" und das "Café im Hinterhof" eröffnet.

"Abseits der Baustellen, hier im Hinterhof"

Der Spruch an der Willkommenstafel lautet: "Abseits der Baustellen, hier im Hinterhof". "Die Resonanz ist sehr positiv", erzählt er. Und tatsächlich: Während sich am Vormittag kaum jemand länger als nötig in der Hauptstraße aufhält, ist im Hinterhof kein Tisch mehr frei. "Trotzdem hat es uns viel Zeit und Nerven gekostet, das alles in kürzester Zeit aus dem Boden zu stampfen", sagt Muschler. Es seien Kosten entstanden, die es ohne die Baustelle nicht gegeben hätte. "Aber wir haben das Beste daraus gemacht", resümiert er.

Nicht nur Muschler hat die Zeit der Umbauarbeiten für den Bezug neuer Räumlichkeiten genutzt. Einige Gastronomen haben sich bereits jetzt einen Platz auf der entstehenden Flaniermeile gesichert. "Die Entscheidung, trotz der Baustelle hier einen zweiten Laden zu eröffnen, war zukunftsorientiert", sagt Michael Junker, Inhaber des "Kaffee Rösterei-Shops", der bereits eine Café-Rösterei an der Fischergasse betreibt. "Nächstes Jahr hätte ich die Räumlichkeiten sicherlich nicht mehr bekommen." Auch wenn er die derzeitige Situation als "Katastrophe" bezeichnet, habe er gewusst, worauf er sich einlasse. "Ich freue mich bereits jetzt auf die kulinarische Meile, zu der ich meinen Beitrag leisten möchte."

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Ebenfalls voller Zuversicht ist Thomas Sattler, Wirt und Geschäftsführer des "Freisinger Augustiner", welcher vor knapp zwei Monaten seine Eröffnung an der Oberen Hauptstraße gefeiert hat. "Im Vorfeld haben wir uns schon Sorgen gemacht, aber diese haben sich als unbegründet erwiesen." Trotz Einschränkungen laufe das Geschäft gut. "Das Jammern hat sowieso noch niemandem geholfen", lautet seine Devise. Zudem sei der Austausch mit der Stadt und den Baufirmen sehr rege und durchweg positiv. "Da kann man nur ein großes Dankeschön an die Stadt sagen."

Diese ist sich der Herausforderungen für die anliegenden Gewerbetreibenden durchaus bewusst: Die Stadt Freising unterstütze die Gastronomen während des Innenstadtumbaus insbesondere organisatorisch, damit auch in den durch die Baustellen betroffenen Bereichen die Freischankflächen genutzt werden können. "Hier wurden und werden, auch in Abstimmung mit den Baufirmen vor Ort, viele Sonderlösungen gefunden", betont Steinhart. Zusätzlich werden die Gastronomen und Ladeninhaber durch den Stadtmarketingverein "Aktive City Freising" mit Aktionen, Informationen und Beratung unterstützt.

"Wir müssen uns auf keinen Fall verstecken"

Insbesondere nach den Monaten im Lockdown sind alle sehr daran interessiert, das kulturelle und kulinarische Angebot sowohl für die Freisinger als auch die Touristen so vielfältig wie zuvor aufleben zu lassen. Die Bauarbeiten verursachten dabei keine merklich sinkenden Besucherzahlen, sagt City-Managerin Julia Bönig. "Man merkt nach wie vor, dass die Stadt Freising Tagesausflügler anzieht, die das Schöne an der Stadt sehen. Die finden unsere Gärten und Lokale toll, die kaufen gerne in den vielen kleinen Geschäften ein, die lieben unseren Wochenmarkt. Wir müssen uns trotz Baustelle auf keinen Fall verstecken." Das bestätigt auch eine Verkäuferin des Wochenmarktes. Diese berichtet, dass die Baustelle keine großen Auswirkungen auf den Markt im Zentrum der Stadt habe. Trotzdem freue sie sich auf die Zeit, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind und die Stadt im neuen Glanz erstrahlt.

Das Gesamterscheinungsbild solle durch die Aufwertung der Hausfassaden und den niveaugleichen Ausbau der Straßen wieder stärker an die Ursprünge Freisings als historische Bürgerstadt erinnern, sagt Steinhart. Die Stadt verspricht sich davon aber noch mehr: In der im Umbau befindlichen Oberen Hauptstraße sind der Zugang zum Wasser und die offene Moosach laut Christl Steinhart auch Maßnahmen, um die Auswirkungen des Klimawandels in der Innenstadt zu reduzieren.

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Laut Stadt verlaufen die Umbauarbeiten sehr zufriedenstellend

Zusätzlich werden auch langfristig ausgerichtete Investitionen bezüglich der Barrierefreiheit und der gesamten unterirdischen Infrastruktur mitsamt der Erneuerung der Gas- und Wasserleitungen und einem nachhaltigen Wärmenetz unternommen. Bisher seien die Umbauarbeiten sehr zufriedenstellend verlaufen, bilanziert Christl Steinhart. Ziel sei es nun, bis Ende kommenden Jahres den gesamten Bereich von der Karlwirt-Kreuzung bis in die Bahnhofstraße fertigzustellen. Auch Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher sieht voller Zuversicht in die Zukunft: "Die Neugestaltung der Innenstadt und die Generalsanierung des Asamgebäudes sind der größte denkbare Beitrag der Wirtschaftsförderung zur Zukunftssicherung des Einkaufs- und Erlebnisraumes Altstadt, von dem im Übrigen der gesamte Wirtschaftsstandort Freising profitieren wird", erklärte Eschenbacher in der Baustellen-Zeitung.

Letztlich überwiegt bei den meisten der vielversprechende Ausblick in die Zukunft. "Wir schauen aufs Ergebnis: Es wird eine wunderschöne Fußgängerzone", sagt Augustiner-Wirt Sattler und fasst damit das allgemeine Stimmungsbild passend zusammen.

© SZ vom 14.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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