Süddeutsche Zeitung

Freisinger Bahnhofkiosk:Fast wie ein Zuhause

Claudia Heigl ist Filialleiterin des Freisinger Bahnhofkiosks. Den kennt sie von Kindesbeinen an, denn den haben ihre Eltern schon geführt. Die Kunden, die im Kiosk einkaufen, kennt Heigl schon lange, teilweise schon, seit sie ein Teenager war

Von Nadja Tausche, Freising

In dem Gebäudeteil am Bahnhof, in dem McDonald's heute Burger verkauft, hat früher der Fahrdienstleiter Weichen gestellt. Wo heute der Bahnhofskiosk ist, war früher eine lange Bank für die Wartenden, die Tickets kaufte man an mehreren Schaltern davor. Und der Kiosk selbst lag schräg gegenüber von da wo er heute ist, ein kleiner Stand mit Fenster zur Bahnhofshalle - mit vielleicht einem Zehntel des Sortiments von heute. Claudia Heigl weiß das alles so genau, weil sie quasi dort aufgewachsen ist. So erzählt sie es. Über den Freisinger Bahnhof sagt Heigl: "Das war mein Spielplatz."

Heigl, 57, ist die Filialleiterin des Bahnhofskiosks. Schon ihre Eltern haben den Laden geführt. 1970 sei die Familie vom oberbayerischen Weilheim nach Freising gezogen, erzählt Heigl, sie selbst sei zu dem Zeitpunkt neun Jahre alt gewesen. Zuerst haben ihre Eltern die Bahnhofsgaststätte übernommen, die war da, wo heute der Laden mit den gelben Papiertüten ist. Drei Jahre später kam der Kiosk dazu. Auch gewohnt habe man vor Ort: in einer Wohnung direkt angrenzend an die Bahnhofshalle, erzählt Heigl. Kaufen konnte man im Kiosk zu diesen Zeiten Süßigkeiten, ein paar Tabakwaren und eine Hand voll Zeitschriften.

Heute füllen die Zeitschriften ganze Wände. Dazu gibt es Rätselhefte, Comicbücher, PIXI-Heftchen für Kinder. Hinter der Kasse eine Wand von Zigarettenschachteln, daneben riesige Packungen Tabak. In einer Glaskugel mit Öffnung sammeln sich bunte Feuerzeuge.

Ganz frei ist der Kiosk beim Auswählen des Sortiments dabei nicht. "Als Bahnhofsbuchhändler hast du bessere Konditionen als der normale Einzelhändler", sagt Heigl, man bekomme etwa die Zeitschriften billiger. Dafür müsse man aber bestimmte Auflagen erfüllen: Etwa 100 Stunden pro Woche muss der Kiosk geöffnet sein. Und die angebotene Ware muss zu rund 70 Prozent aus Presseartikeln bestehen. Die Auflagen kommen zum Teil von den Verlagen, die sicherstellen wollen, dass ihre Zeitschriften möglichst gut verkauft werden, und zum Teil von der Deutschen Bahn. Die ist Eigentümer des Kiosks und legt zum Beispiel fest, dass der Kiosk regelmäßig renovieren muss.

Der nächste Umbau steht im März diesen Jahres an. Den muss Heigl aber nicht mehr bezahlen. Sie ist zwar Filialleiterin, aber nicht mehr Pächterin des Kiosks. Vergangenes Jahr im November hat ein neuer Pächter übernommen. Für sie sei das nicht mehr in Frage gekommen, sagt Heigl: Die Bahn minimiere die Pachtverträge auf zehn Jahre, das sei ihr einfach zu lang gewesen.

Was Heigl stört, ist, wenn die Bahnhofshalle nicht aufgeräumt ist. Oft quellen die Mülleimer über, "das wirft ein schlechtes Licht auf uns", meint sie. Derweil macht sich die Digitalisierung auch im Bahnhofskiosk bemerkbar. Zeitungen verkaufe sie lange nicht mehr so viele wie früher, sagt Heigl. Unter 20 Stück seien es pro Tag von einer bestimmten Tageszeitung, über 60 waren es mal. Bücher und Zeitschriften zu speziellen Themengebieten liefen aber gut, genau wie Tabak.

Die Kunden, die im Kiosk einkaufen, kennt Heigl schon lange, teilweise schon, seit sie ein Teenager war. Bekannt waren in Freising auch Heigls Eltern - nicht nur allein wegen des Kiosks. Früher haben sie ein Fastfood-Restaurant in Freising geführt, ausgesprochen wurde es "Muggl", an der Oberen Hauptstraße. Heigl sagt: "Es war berühmt für die Salatsoße." Die habe ihr Vater selbst gemacht und in Fünf- bis Zehn-Liter-Eimern aufbewahrt. Vor zehn Jahren hat der Laden zugemacht, sie selbst habe ihn nicht übernehmen wollen, sie sei ja schon am Bahnhof beschäftigt gewesen.

Dort ist sie nach all den Jahren Expertin. Manchmal frage sogar die Bahn bei ihr nach, wenn es etwa um Details zur Aufteilung der Räume geht. Denn das Gebäude kennt und kannte sie gut. Ein Metalltor an der Außenwand des Kiosks zum Beispiel: Man sieht es, wenn man von den Bahnhofstoiletten zum Haupteingang der Bahnhofshalle läuft, es fällt wohl nur auf, wenn man darauf achtet. Früher haben die Passagiere dort ihr Gepäck aufgegeben, erzählt Heigl - von dort aus sei es dann in die Züge verladen worden.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2019
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