Freisinger Archivstück des Monats:Altbekanntes Problem

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Häuser wie im Goldberg-Viertel sind Anfang des 20. Jahrhunderts begehrt. (Foto: oh)

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte in der Stadt Wohnungsnot. Es entstand der Stadtteil Goldberg

Der Mangel an Wohnraum insbesondere für mittlere und untere Einkommensschichten gehörte schon am Beginn des 20. Jahrhunderts einmal zu den drängendsten Problemen Freisings. Die Stadtbevölkerung wuchs kontinuierlich: von 12 557 Einwohnern im Jahr 1906 auf 15 374 Einwohner im Jahr 1920 und auf 19 456 Einwohner im Jahr 1939 - inklusive des 1937 eingemeindeten Dorfes Vötting. Die Ursachen für das Wachstum speziell in Freising sind laut Stadtarchivar Florian Notter bislang nicht untersucht worden, jedoch ist anzunehmen, dass sich hier vor allem ein - vergleichsweise später - lokaler Industrialisierungsschub bemerkbar machte. Als Archivstück des Monats hat Stadtarchivar Notter den Baulinienplan zum Freisinger Stadtteil Goldberg ausgewählt

Von 1914 an dürfte die innerhalb einiger Betriebe vollzogene Umstellung auf eine kriegsrelevante Produktion den Zuzug zusätzlich verstärkt haben. Fabriken wie Steinecker (gegr. 1875), Feller (gegr. 1906) oder die beiden Schlüter-Fabriken (gegr. 1911 beziehungsweise 1915/17) beschäftigten gegen Ende des Ersten Weltkriegs einem vorsichtigen Überschlag zufolge etwa 2500 bis 3000 Arbeiter.

Nicht Schritt halten mit dieser dynamischen Entwicklung konnte der Haus- und Wohnungsbau. Zwar haben sich Verantwortliche schon im Lauf des 19. Jahrhunderts vermehrt Gedanken darüber gemacht, wie eine Freisinger Stadterweiterung aussehen könnte, besonders deutlich etwa mit dem "General-Baulinienplan" von 1875. Mit Ausnahme der Errichtung des "Villenviertels" nördlich der Kernstadt für überwiegend höhere Einkommen gab es jedoch keine nennenswerten Initiativen. Als sich der Wohnraummangel während des Ersten Weltkriegs verschärfte, rückte die Stadtpolitik um Bürgermeister Stephan Bierner das Thema auf der politischen Agenda weit nach oben. So trat die Stadt Freising etwa der im Juli 1917 ins Leben gerufenen "Bayerischen Landessiedlungsgesellschaft" als Gründungsmitglied bei. Ziele dieser Gesellschaft waren der Ankauf und die Weitervermittlung unter günstigen Konditionen an Personen mit niedrigerem Einkommen.

Konkrete Pläne, in Freising eine Siedlung für mittlere und untere Einkommen zu bauen, finden sich erstmals im Mai 1918. Schon zu diesem Zeitpunkt war das "dem Staatsgute Weihenstephan gegenüber" gelegene Areal dafür in Betracht gezogen worden. Als Form der Trägerschaft für die neue Siedlung wurde das genossenschaftliche Modell gewählt: eine gemeinnützige Vereinigung, die mit Hilfe günstiger öffentlicher Kredite für ihre Mitglieder preiswerten Wohnraum schafft. Dafür wurden im Februar 1919 zwei Freisinger Baugenossenschaften gegründet: am 3. Februar 1919 der "Bauverein Freising" und am 15. Februar 1919 die "Allgemeine Baugenossenschaft". Im Frühjahr 1919, inmitten der letzten revolutionären Wirren, wurden die Pläne für die Siedlung entworfen.

Bevor man an die Baupläne der einzelnen Häuser ging, musste zunächst die Struktur der Siedlung festgelegt werden. Ein Baulinienplan, der vom 10. April 1919 datiert und den Stempel des Freisinger Baugeschäftes Alois Steinecker trägt, zeigt den festgesetzten Straßenverlauf: die heutige Schönmetzlerstraße, die Wippenhauser Straße, dazwischen die teils kurvenreichen neuen Straßen, deren Anlage noch 1919 abgeschlossen war. Sie erhielten die Namen Möhlestraße, Mozartstraße, Ringstraße (ab 1946 Ferdinand-Zwack-Straße) und Heinestraße. Weitere geplante Straßen, die auf dem Baulinienplan noch zu sehen sind, wurden nicht realisiert. Nur mit Bleistift skizziert wurde auf dem Plan die Lage der projektierten Siedlungshäuser.

Das südlich des Bauareals zur Thalhauser Straße hin gelegene Gelände, das bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts bebaut worden war, hieß "Goldberg", der Straßenname der Schönmetzlerstraße lautete bis 1919 "Am Goldberg". Dieser markante Name, der um 1850/60 aufgekommen ist und zu dessen Bedeutung es bis jetzt keine ganz einwandfreie Erklärung gibt, erstreckte sich bald auch auf die neue, baugenossenschaftliche Siedlung. Goldberg - so heißt der Stadtteil bis heute.

Quellen: Stadtarchiv Freising, Akten zur Allgemeinen Baugenossenschaft Freising, 1919-1941 (o. Sig.); ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Tagblatt 1917, 1918, 1919, 1920.

© SZ vom 29.01.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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