Appell an Haus- und Wohnungsbesitzer:Studierende verzweifelt auf Wohnungssuche

Lesezeit: 4 Min.

Auch das relativ neue Studentenwohnheim an der Giggenhauser Straße hat die Wohnungsnot unter Studenten nicht lindern können. (Foto: Marco Einfeldt)

Zum Semesterbeginn im Oktober finden viele junge Menschen in Freising nur schwer eine Unterkunft. Die Wartezeit auf einen Platz im Wohnheim beträgt mehrere Semester, Plätze in WGs sind teuer und hart umkämpft. Hochschulen und Stadt setzen nun auf eine Privatzimmervermittlung.

Von Laura Stretz, Jasmin Schol, Petra Schnirch, Freising

Studierendenwerk, Hochschulen und die Stadt Freising wenden sich mit einem Appell an alle Haus- und Wohnungsbesitzer in der Region, Zimmer preisgünstig an Studierende zu vermieten. Noch schwieriger als einen Studienplatz zu bekommen, sei es für viele, eine bezahlbare Unterkunft in Freising zu finden, heißt es in dem Aufruf: „Das spüren vor allem die Studierenden, die mit jedem Euro rechnen müssen.“ Und weiter: „Jedes freie Zimmer kann helfen, selbst wenn es nur für ein oder zwei Semester ist.“

Die Vergabe der Zimmer in den drei Wohnanlagen in Freising ist bereits abgeschlossen. Von den fast 9000 Studierenden in Weihenstephan ist dort jedoch nur der kleinste Teil untergebracht. Laut Angaben des Studierendenwerks München Oberbayern sind die 840 vorhandenen Wohnheimplätze aktuell alle vergeben. Auf einer Warteliste stehen weitere 592 Bewerber.

Persönliche Berichte von Studierenden aus dem In- und Ausland zeigen, dass die Lage in Freising seit Jahren wirklich angespannt ist. Priyanka aus Indien wohnt derzeit im Wohnheim Lange Point, das wie die beiden anderen Wohnanlagen vom Studierendenwerk München Oberbayern verwaltet wird. Sie kam im April 2023 nach Freising, um im Master Biologie an der TU München zu studieren. Während der Wartezeit für das Wohnheim musste sie sich über die Website „WG-gesucht“ zunächst eine „sehr umkämpfte“ Wohnung suchen, wie sie schildert. Als ihr dann endlich ein Wohnheimplatz zugeteilt wurde, stand sie vor der nächsten Hürde: Sie musste sich vorzeitig aus dem abgeschlossenen WG-Vertrag lösen, was sich als sehr schwierig herausstellte.

„Ich möchte, dass mehr Leute darüber Bescheid wissen: Viele meiner Freunde haben wegen so etwas viel Geld und ihre Kaution verloren.“ Trotzdem lohnte sich dieser Schritt für Priyanka: Für das Wohnheimzimmer zahlt sie monatlich 330 Euro, im Vergleich zu den 520 Euro für das WG-Zimmer ist das recht wenig.

Manche Studierende müssen alle drei Monate umziehen

Laut Priyanka müssen einige Studierende alle drei Monate ihre Koffer packen und von einer Untermiete zur nächsten wechseln. Das Problem kennt auch Redwan aus Bangladesch. Der 26-jährige Student zog für seinen Master „Sustainable Resource Management“ nach Freising. Im August 2022 habe er sich für einen Platz im Wohnheim über die Website des Studierendenwerks beworben, erzählt er. Ein Zimmer zum Semesterbeginn im Oktober hatte er trotzdem nicht, einziehen konnte er erst im April 2023. Viele seiner Freunde würden zwei bis drei Semester auf einen Wohnheimplatz warten, das sei jetzt normal. Damit bestätigt Redwan die offiziellen Angaben des Studierendenwerks München Oberbayern. Deren stellvertretende Pressesprecherin Sophie Plessing spricht von „eher drei als zwei Semestern Wartezeit“.

Auch vier Freundinnen und Freunde, die an der TUM Biologie studieren, haben erfahren, wie schwierig der Wohnungsmarkt für Studierende in Freising ist. Franz-Josef, 23, wohnt seit September 2020 in einer Dreier-WG und zahlt von seinen Freunden mit 260 Euro am wenigsten. Er habe aber auch „sehr viel Glück“ gehabt, denkt er, vermutlich weil er das Zimmer über Ebay gesucht und gefunden habe. Zustimmendes Nicken in der Runde: Das sei wirklich nicht der Normalfall. Auf WG-Suche hatte sich der Student ohnehin nur begeben, weil er sein Wohnheimzimmer viel zu spät im Frühjahr 2021 bekommen hätte. Ebendarum hat auch Andreas nach einer privaten Bleibe gesucht. Um sein jetziges WG-Zimmer habe er „kämpfen“ müssen, die Nachfrage sei einfach zu groß.

Bald ist am Campus in Weihenstephan wieder deutlich mehr los, im Oktober beginnt die Vorlesungszeit. Wie in jedem Jahr sind aber viele Erstsemester noch immer auf der Suche nach einem bezahlbaren Zimmer. (Foto: Marco Einfeldt)

Madita hingegen zeigt sich dankbar, dass sie „nur“ neun Monate auf einen Wohnheimplatz warten musste. Sie weiß, dass andere noch viel länger ausharren müssen. Zur Überbrückung musste sie täglich zur Uni pendeln. Ein wenig leichter hatte es die 23-jährige Gabi: Sie fand 2020 relativ schnell ein Wohnheimzimmer. Das schiebt sie darauf, dass es zur Coronazeit weniger Interessenten gab, weil viele von Zuhause aus online studiert hätten. Die Biologie-Studierenden beklagen auch, dass die Miete in den Wohnheimen bereits zweimal erhöht worden sei.

Neben dem offiziellen Weg über das Studierendenwerk München Oberbayern oder der WG-Suche über Ebay und „WG-gesucht“ finden sich im Landkreis Freising neuerdings auch ungewöhnliche Möglichkeiten: Das Alten-Service-Zentrum Eching vermittelt beispielsweise Studierende an Menschen, die günstigen Wohnraum gegen Hilfeleistungen im Alltag zur Verfügung stellen wollen.

Wohnen für Hilfe
:Studierende und Senioren in einer Wohngemeinschaft

Die Sozialpädagogin Selina Pöllner bietet in Eching das Projekt „Wohnen für Hilfe“ an. Junge Menschen zahlen weniger Miete, müssen dafür aber ihren älteren Vermietern bei der Bewältigung ihres Alltags helfen.

Von Davida Schauer

Für dieses Projekt „Wohnen für Hilfe“ haben sich laut ASZ-Leiter Lukas Erhart bereits 22 Studierende und junge Menschen angemeldet. Doch obwohl auch von Seite der älteren Menschen generelles Interesse gezeigt werde, hätten sich bisher nur wenige darauf eingelassen, so Erhart. Viele würden an der gemeinsamen Wohnsituation zweifeln. Deshalb konnten bis jetzt erst zwei Paare vermittelt werden. Erhart erklärt sich das höhere Interesse der Studierenden vor allem mit der großen Ersparnis: Statt der Miete für ein teures WG-Zimmer müssten bei „Wohnen für Hilfe“ nur 50 Euro Nebenkosten entrichtet werden.

Im Laufe des Semesters beruhigt sich die Lage

Außerdem können Studierende noch die Privatzimmervermittlung des Studierendenwerks München Oberbayern nutzen. Vermieter und Vermieterinnen können dort kostenlos ihre Anzeigen aufgeben. Allerdings erzählen die befragten Studierenden etwas verwundert, dass sie von diesem Vermittlungsangebot bisher nichts gehört hätten. Sophie Plessing vom Studierendenwerk sagt dazu, dass die Beratungsstellen an den Hochschulen über das Angebot informiert und ihre „wichtigsten Multiplikatoren“ seien. Bisher gebe es aber leider nur ein Angebot einer Privatperson. Plessing hofft sehr, dass in den nächsten Wochen weitere dazu kommen. Aus Erfahrung weiß sie aber auch: Die Suche direkt am Semesterstart ist am schwierigsten. Im Laufe des Semesters pendele sich die Wohnsituation in Freising meistens ein.

Unterschrieben haben den Appell, Privatzimmer an Studierende zu vermitteln, Claudia Meijering, Geschäftsführerin des Studierendenwerks München Oberbayern, Eric Veulliet, Präsident der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Thomas Hofmann, Präsident der TU München, und Freisings Bürgermeisterin Eva Bönig.

Die Privatzimmervermittlung ist telefonisch (089-381961249) jeweils montags und mittwochs von 9 bis 12 Uhr oder per E-Mail: pzv@stwm.de zu erreichen. Wer sich für „Wohnen für Hilfe“ interessiert, kann sich direkt an das ASZ wenden (089-32714216) oder per E-Mail an Selina Pöllner (poellner@asz-eching.de).

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWohnen im Alter
:Zusammen wird man besser alt

Sie sind zwischen 62 und 72 Jahre alt und haben sich vorgenommen, selbstbestimmt zu altern. Besuch in einer ungewöhnlichen WG.

Von Francesca Polistina, Marco Einfeldt und Birgit Goormann-Prugger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: