Landkreis Freising:Wirtshauskultur in Gefahr

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Stammtische treffen sich heutzutage nicht mehr ausschließlich in den Dorfgaststätten. Vereinsheime machen ihnen starke Konkurrenz und das Abendessen bringen Lieferdienste ins Haus. Die Wirte haben es darum schwer.

Von Nadja Tausche, Freising

Der örtliche Stammtisch trifft sich hier zum Schafkopfen, Touristen lernen bei Schweinsbraten und Weißbier die bayerische Kultur kennen - und wo die Weihnachtsfeier stattfindet, darüber müssen die Firmen im Ort teilweise gar nicht mehr reden. Dorfgasthäuser sind mehr als nur Orte, an denen man etwas zum Essen bekommt - man kann ihnen schon eine kulturelle Bedeutung zuschreiben. Allerdings haben es viele Gasthäuser nicht einfach - aus verschiedenen Gründen. Das zeigen gleich mehrere Beispiele aus dem Landkreis.

Huberwirt, Eching

Der geplante Umbau des ehemaligen Huberwirts gehört zu den Großprojekten. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Wichtige am Dorfgasthaus ist nicht das Essen, sondern das Treffen mit anderen Einwohnern der Gemeinde. So sieht es der Echinger Bürgermeister Sebastian Thaler. Er will den derzeit geschlossenen "Huberwirt" deshalb unbedingt erhalten: "Der war schon immer ein Treffpunkt im Ort", sagt Thaler. Neben Echingern seien dort Münchner und andere Externe eingekehrt, Vereine haben ihre Feste und Jahreshauptversammlungen im Huberwirt abgehalten. Momentan läuft hier nur der Hotelbetrieb - die Gemeinde überlegt, das Gebäude selbst zu kaufen und es als Gasthaus und Hotel weiterzuführen. Alternativ könnte er sich vorstellen, es als Erweiterung des Rathauses oder der Volkshochschule nutzen, sagt Thaler. Auch einen zweiten Gasthof im Ort will er wenn möglich retten: Das Restaurant im Bürgerhaus, das seit mittlerweile acht Jahren leer steht. "Es hat Priorität, dass das wieder öffnet", sagt der Bürgermeister. Es sei zwar eigentlich nicht die Aufgabe einer Gemeinde, Hotel und Gastronomie zu betreiben - sehr wohl aber, Versammlungsstätten für die Bürger zu schaffen.

Hörger, Hohenbercha

In Dorfgasthäusern geht es nicht nur ums Essen: Auch als Treffpunkt spielen die Lokale eine wichtige Rolle. Zu Andreas Hörger, Wirt des Gasthauses und Hotels Hörger in Hohenbercha, kommen viele Stammgäste. (Foto: Marco Einfeldt)

Andreas Hörger sieht als größte Konkurrenz für die Dorfgasthäuser nicht andere Lokale im Ort, sondern er sagt: Das Problem ist, dass auch Feuerwehrhäuser genau wie Schützen- und Sportheime heutzutage Essen und Getränke anbieten. "Das hat mit ihrer Aufgabe nichts zu tun", findet Hörger - und sei noch dazu öffentlich subventioniert. Wegen der Unterstützung durch öffentliche Gelder hätten es Vereine deutlich leichter. "Aber es muss einfach mit gleichen Karten gespielt werden." Auch an seinem eigenen Betrieb merkt der Chef des Gasthauses und Hotels Hörger bei Kranzberg die Konkurrenzsituation. "Wenn die Stammgäste nicht bei uns sind, sind sie dort", sagt er - im Gegensatz zu früher, als Vereine ohne Bewirtung funktioniert hätten. Hörger hat sich politisch dafür eingesetzt, das zu ändern: Als ehemaliger Kreisrat habe er unter anderem den Vortrag einer Juristin zu dem Thema mitorganisiert, erzählt er. Geändert habe sich allerdings nichts. Zum Gasthaus Hörger gehören auch ein Biohotel und Tagungsräume. Das sei gerade zwischen Januar und März praktisch, sagt Hörger: Im Gasthaus seien das die ruhigeren Monate, dafür liefen die Tagungen gut. "Das ergänzt sich."

Maisberger, Neufahrn

Auch im Gasthaus Maisberger fängt der Hotelbetrieb die ruhigen Monate ab. Im Jahr 1992 habe man das Hotel parallel zur Flughafeneröffnung ans Gasthaus angebaut, berichtet Claudia Maisberger, Tochter der Inhaber und selbst Mitarbeiterin im Hotel. Heute kommen sowohl Touristen als auch Einheimische in das Gasthaus, wie sie erzählt. Der kulturelle Aspekt des Gasthauses sei dabei nach wie vor "absolut" wichtig: Die traditionellen Stammtische würden zwar weniger, "aber die Leute treffen sich zum Ratschen."

Klar ist, dass sich die Anforderungen der Menschen an die Gastronomie mit der Zeit ändern - so ist es mittlerweile gang und gäbe, sich sein Abendessen über einen Lieferdienst zu bestellen. Müssen sich auch Dorfgasthäuser an diese Entwicklung anpassen? Zumindest die Maisbergers haben das nicht vor: Man wolle weder selbst Essen ausfahren noch sich an einem Dienst beteiligen, der die Gerichte für sie zu den Menschen fahre, sagt Claudia Maisberger. In Anspruch nehmen würden es die Leute zwar auf jeden Fall", davon ist sie überzeugt - für das Gasthaus wäre aber der Aufwand zu groß. "Und das ist auch einfach eine andere Art der Gastronomie", findet sie.

Schlossbräukeller, Au

Der Schlossbräukeller ist seit vergangenem Jahr geschlossen. Grund ist Personalnot. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Schlossbräukeller in Au ist geschlossen - und das schon seit einigen Monaten. Als Grund nennt Michael Beck von Peccoz die Personalsituation: Es sei wahnsinnig schwierig, gutes und passendes Personal zu finden, berichtet er. Man habe sich schließlich "aus wirtschaftlichen Gründen" dazu entschieden, das Gasthaus zu schließen. Inhaber des Schlossbräukellers ist die chinesische Holding FCAA Castle Brewery Company, Beck von Peccoz hatte den Betrieb rund zwei Jahre lang geleitet. Das sei allerdings immer eine "Notlösung" gewesen, sagt er: Ein Gasthaus vernünftig zu führen, brauche wahnsinnig viel Zeit, die er als Geschäftsführer der Schlossbrauerei nicht habe. Ob der Schlossbräukeller wieder öffne, dazu kann Beck von Peccoz nichts sagen. Sicher ist nur: "Weder ich noch die Brauerei werden als Pächter einsteigen", betont er.

Alter Wirt, Fahrenzhausen

Vielerorts sehen sich deshalb die Gemeindenin der Pflicht, die Gasthäuser zu erhalten. In Fahrenzhausen etwa hat die Gemeinde den Alten Wirt gekauft - bis es konkrete Pläne gibt, tagt hier der Gemeinderat. (Foto: Marco Einfeldt)

In Fahrenzhausen sieht sich die Gemeinde genau wie in Eching in der Pflicht, das Dorfgasthaus zu erhalten. Schon vor 35 Jahren hat man deshalb den "Alten Wirt" gekauft und anschließend renovieren lassen. Anfangs habe es mit den Pächtern gut funktioniert, berichtet Bürgermeister Heinrich Stadlbauer - mit den Jahren sei es aber immer schlechter gelaufen. Zuletzt hatte es mehrere Pächterwechsel gegeben, seit 2014 ist das Gasthaus geschlossen. Den Grund hat die Gemeinde im Gespräch mit Fachleuten, Wirten und schließlich mit Hilfe eines Arbeitskreises herausgefunden: Die Größe des Lokals. "Ein Wirt kann es sich nicht leisten, von den wenigen Plätzen zu leben", erklärt Stadlbauer. Sogar bei oft voller Gaststube sei der "Alte Wirt" kaum wirtschaftlich - zu wenig Einnahmen stünden den vielen Ausgaben gegenüber.

Das Gasthaus muss also wachsen - oder die Gemeinde muss das Gebäude anderweitig nutzen. "Verfallen lassen ist sicher keine gute Lösung", sagt Stadlbauer - und die Idee beim Kauf des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert sei immerhin gewesen, eine Art Kulturzentrum in der alten Dorfmitte zu schaffen. Mit einem sinnvollen Konzept werde es auch leichter, einen Wirt zu finden, davon ist Stadlbauer überzeugt. Derweil dient die Gaststube des "Alten Wirt" vorübergehend als Sitzungssaal für den Gemeinderat, der Nebenraum als Trausaal.

Woch'nblatt, Moosburg

Im "Woch'nblatt" gibt es nicht nur Abendessen, sondern auch Frühstück, Mittagessen und Kaffee und Kuchen: "Das volle Programm", sagt Wirt Rüdiger Germaier. Müssen Gasthäuser vielleicht einfach ihr Angebot aufstocken, um heute noch genügend Kunden anzulocken? Es laufe zwar gut im "Woch'nblatt", berichtet der Wirt. Das ändere aber nichts daran, dass es für Gasthäuser insgesamt schwieriger werde: Auch er hat Probleme, Personal zu finden. Dazu machen ihm gesetzliche Vorschriften Arbeit. "Es kommen immer mehr Auflagen dazu", sagt er und nennt etwa die Bonpflicht, mit der Geschäfte jedem Kunden verpflichtend einen Kassenbon ausstellen müssen. Einen Lieferdienst will auch Germaier nicht anbieten, wegen des Mehraufwands: "Dann wäre die Arbeit nicht mehr zu bewältigen." Dass es trotzdem oft voll ist im "Woch'nblatt" liegt Germaier zufolge an dem unterschiedlichen Publikum, das man anzieht: Er habe Gäste im Alter von zehn bis hundert Jahren, sagt er. Und fügt selbstbewusst an: "Wir sind einfach das Zentrum Moosburgs."

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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