Süddeutsche Zeitung

Ausbildung in Freising:Das Studium ist beliebter

Viele Betriebe im Landkreis haben Schwierigkeiten, ihre noch freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Immer mehr Jugendliche ziehen eine höhere Schulbildung oder ein Studium einer klassischen Lehre vor.

Von Alexander Huber und Petra Schnirch, Freising

Viele Betriebe im Landkreis stehen wieder vor der schwierigen Aufgabe, ihre noch freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Das Problem folgt einer einfachen Arithmetik: Ende Juli waren laut Agentur für Arbeit noch 457 Lehrstellen im Landkreis unbesetzt, denen gegenüber stehen 169 junge Leute, die noch nicht versorgt sind. Selbst wenn sie alle bis zum Ausbildungsstart Anfang September eine passende Stelle finden sollten, wird demnach mehr als die Hälfte der jetzt freien Plätze frei bleiben.

Otto Heinz, Moosburger Unternehmer und stellvertretender Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, sieht als Grund für den Bewerbermangel vor allem die immer noch in den Köpfen verankerte Denkweise, ein Studium sei besser für die Karriere als eine Berufsausbildung. Die Agentur für Arbeit in Freising bestätigt, dass immer weniger Jugendliche eine Ausbildung beginnen wollen und stattdessen eine höhere Schulbildung und ein Studium anstreben.

Fachkräftemangel als Auslöser: Viele Unternehmen versuchen, selbst auszubilden

Teilweise ist der Azubi-Mangel einfach die Kehrseite der Boom-Region: In Freising herrsche faktisch Vollbeschäftigung, erklärt Heinz. Fachkräfte zu finden sei da schwierig. Deshalb versuchten viele Unternehmen in der Region, ihre Fachkräfte selbst auszubilden. Seit 2016 sei die Zahl der angebotenen Lehrstellen um zehn Prozent angestiegen. In den kommenden Jahren werde die Situation noch einmal schwieriger - davon ist Steffen Schütze von der Metzgerei Hack in Neustift überzeugt: Vor allem dann, wenn im kommenden Jahrzehnt die vielen Babyboomer in Rente gingen und weniger junge Menschen nachkämen, um diese zu ersetzen.

Der Metzgermeister hat es in den vergangenen Jahren mit seinen kreativen Werbeaktionen um Azubis zu einer gewissen überregionalen Bekanntheit gebracht. Er bildet pro Jahr einen neuen Azubi aus, in den vergangenen Jahren konnte er die Lehrstelle immer besetzen, auch für das kommende Ausbildungsjahr hat er schon einen Lehrling gefunden - keine Selbstverständlichkeit. Betriebe, rät Schütze, müssten immer am Ball bleiben, an Schulen präsent sein und vor allem attraktive Praktika anbieten, in denen die jungen Leute tatsächlich in den Betrieb eingebunden werden: "Zu 99 Prozent gehen die Leute bei uns positiv überrascht aus dem Praktikum raus", sagt der Metzger. Die Zeiten, in denen Praktikanten und Azubis vor allem Kaffee kochten, sind also vorbei. Offene Plätze sind laut Arbeitsagentur noch breit gefächert vorhanden. Gesucht werden Azubis derzeit für Hotels und Gaststätten, im Pflegebereich sowie in der Automobilbranche. Im Handwerk sind Stellen in Heizungs- und Sanitärbetrieben, bei Friseuren, Bäckern, Metzgern und in der Elektrobranche frei.

Mit Förderprogrammen und Praktika sollen schwächere Jugendliche fit für die Ausbildung werden

Auch der Kreis der Jugendlichen, die unversorgt sind, ist bunt gemischt, wie die Agentur aufzeigt. Zum Teil seien es Spätstarter, die sich erst jetzt für eine Ausbildung entschieden haben. Andere seien schon länger erfolglos auf der Suche, hätten sich aber erst jetzt bei den Berufsberatern gemeldet. Es seien aber auch Studienabbrecher dabei. Auch schlechte Noten können ein Problem sein: Sie "spielen immer noch eine Rolle bei der Vergabe der Lehrstellen", teilt die Arbeitsagentur mit. Dies hänge mit den Anforderungen des jeweiligen Ausbildungsberufes und der Berufsschule zusammen. Die Arbeitgeber seien bei der Einstellung von Azubis zwar sehr viel flexibler geworden, allerdings wollten sie den Ausbildungserfolg nicht in Frage stellen.

Es gibt auf dem Arbeitsmarkt Instrumente, mit denen schwächeren Jugendlichen geholfen werden kann, um sie auf eine Ausbildung vorzubereiten, wie Praktika, das Einstiegsqualifizierungsjahr, Nachhilfe während der Lehrzeit, eine assistierte Ausbildung oder, in Zusammenarbeit mit Bildungsträgern, in kooperativen Betrieben. Bayerns Arbeitsministerin Kerstin Schreyer (CSU) verweist in einer Pressemitteilung zudem auf das aktuelle Förderprogramm "Fit for Work". Betriebe können einen Zuschuss beantragen, wenn sie Jugendlichen mit Startschwierigkeiten unter die Arme greifen. Die Freisinger Arbeitsagentur ermuntert die Chefs, von diesen Fördermöglichkeiten Gebrauch zu machen - gerade in Hinblick auf den Fachkräftemangel. Solche Angebote würden bereits rege genutzt.

Außerdem sollten Betriebe auf sich aufmerksam machen und sich von Mitbewerbern abheben. Nutzt dies alles nichts, raten die Freisinger Arbeitsvermittler, einen Blick ins eigene Unternehmen zu werfen. "Oftmals schlummern hier ungeahnte Potenziale, die es nur zu wecken gilt." Auch in diesem Punkt unterstütze man die Unternehmen bei der Weiterbildung.

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SZ vom 07.08.2019/lada
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