Seit zehn Jahren ist Tobias Eschenbacher nun Oberbürgermeister in Freising, etwas mehr als elf Jahre ist es her, dass seine Wählergruppierung, die Freisinger Mitte, gegründet wurde und die CSU im Stadtrat der Domstadt dauerhaft zu einer marginalen Kraft degradierte. Und was hätte es, begleitet von einer starken Grünen-Fraktion, für eine blitzblanke Erfolgsgeschichte werden können, die sich da 2022 an vielen Stellen manifestierte: Fertigstellung und Freigabe der Westtangente im Januar, Bezug der beiden 70 Millionen Euro teuren Schulen im Steinpark im September, die voran schreitende Sanierung der Innenstadt und des Asamkomplexes mit der Öffnung der Stadtmoosach, die zum Jahresende hin ebenfalls quasi abgeschlossen wurde.
Auch, wenn viele dieser Projekte natürlich schon früher angedacht, umstritten und geplant waren: Gefühlt wäre ihre Fertigstellung zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger wahrscheinlich immer in diese Ära gerechnet worden - ebenso wie Bau und Inbetriebnahme des neuen Freizeitbades, die generelle Umsetzung des neuen Wohnquartiers im Steinpark, zahlreiche Investitionen in weitere Schulen und Kitas, sogar das Kino an den Schlüterhallen wurde mittlerweile eröffnet - und selbst an der Westtangente hat im Jahr ihrer Freigabe eigentlich keiner mehr herumgemeckert, es sei denn sie war nicht richtig nutzbar, weil der Tunnel für notwendige Arbeiten gesperrt werden musste: So schnell ändern sich die Zeiten.



Vielleicht werden auch die Kritiker des Innenstadtumbaus noch verstummen, die genervt sind von der endlosen Zeit der Baustelle, dem Lärm, den Einschränkungen, den augenscheinlich nicht gut funktionierenden neuen Verkehrsregelungen und in vielen Fällen auch der geschäftlichen Einbußen. Denn schon zum Ende des Sommers hin hatte man einen kleinen Eindruck gewinnen können von dem Potential, das vor allem die Obere Altstadt mit der nun offen dahin fließenden Moosach als Treffpunkt für die Freisinger und ihre Gäste oder andere Besucher von außerhalb hat. Dass das in diesem Jahr endlich wieder eröffnete Diözesanmuseum auf dem Freisinger Domberg ein Magnet weit über die Stadt hinaus sein dürfte, ist kaum zu bezweifeln. Und beim "Pre-Opening" des zuletzt fast fertig gestellten Bereichs zwischen der Karlwirtkreuzung und dem früheren Schiedereck zeigte sich kurz vor Weihnachten, dass auch die Gastronomen willens sind, ihren Teil zu leisten.
Am Ende stand ein Finanzloch von gut 60 Millionen Euro
Das böse Erwachen allerdings kam im Oktober. Sicher wäre es naiv gewesen zu glauben, dass zwei Jahre einer globalen Pandemie gefolgt von dem 2022 begonnenen Krieg in Europa und einer daraus resultierenden Energiekrise ausgerechnet an Freising spurlos vorübergehen würden. Doch die Gemengelage aus steigenden Kosten bei immer noch enorm hohen Investitionen und daraus resultierenden Verpflichtungen bei gleichzeitig vor allem stark sinkenden Gewerbesteuereinnahmen barg dann doch mehr Zündstoff, als manch einer erwartet haben dürfte. Am Ende stand ein Finanzloch von gut 60 Millionen Euro, der Schuldenstand der Stadt wird weiter anwachsen.
Und auch wenn Oberbürgermeister Eschenbacher wie stets eine gute Portion Optimismus und die Hoffnung auf sich schnell bessernde Zeiten durchblicken ließ: Manch Stadtrat oder Stadträtin schläft am Ende dieses Jahres vielleicht gerade nicht ganz so gut, auch, weil das Gremium eine Antwort auf die Probleme, die man vor allem mit dem ziemlich aus dem Ruder gelaufenen Verwaltungshaushalt hat, bis zum Schluss schuldig blieb. Im nächsten Jahr wird es darum gehen müssen, Ausgaben zu senken und Einnahmen zu mehren. Gut möglich, dass dabei auch bei den Wählerinnen und Wählern unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen. Das Jahr 2022 wird irgendwann in der Nachschau vielleicht auch in Freising eine Zeitenwende markieren - als Ende der goldenen Ära.

