Nicht jedes Bild muss auf einem mit Leinen bespannten Holzrahmen entstehen und nicht jede Farbe besteht aus Acryl oder Öl. Die Biotechnologiestudentin der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) Sonja Borndörfer, malte im Zuge einer Projektarbeit Seerosen - ihre Farben waren lebende Mikroorganismen und ihre Leinwand eine Agar-Grundlage in einer Petrischale.
Mit ihrem Kunstwerk "Microlilies" hat die 21-Jährige beim "Agar Art Contest" der American Society for Microbiology den ersten Platz belegt. Die Vereinigung zeichnet jährlich in fünf Kategorien Kunstwerke aus, die mit Mikroorganismen auf einer Agar-Basis geschaffen wurden. 300 Kunstwerke reichten Künstlerinnen und Künstler aus 31 Ländern ein. Borndörfer trat in der Kategorie "Traditional (Professional)", der Einordnung der Kunstwerke in einen akademischen Rahmen, an.
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"Ich wusste vorher auch nicht, dass es möglich ist, Mikroorganismen als Farbe zu benutzen"
Über ihren Professor Norbert W. Hopf, der Borndörfers Projekt betreut hat, erfuhr sie von dem Wettbewerb. Im Fach "Allgemeine Mikrobiologie", bot Hopf spontan einen Kurs an, in dem sich Studierende Motive überlegen durften und sich an der Agar-Kunst probieren konnten. Damals war die Studentin im dritten Semester, heute ist sie im siebten. "Ich wusste vorher auch nicht, dass es möglich ist, Mikroorganismen als Farbe zu benutzen und dann damit mit einem Pinsel zu malen."
Die Agar-Basis ist vergleichbar mit dem Agar, der als Alternative zur Gelatine verwendet wird. In der Mikrobiologie muss der Agar aber sterilisiert werden. Außerdem können die Biotechnologen Nährstoffe wie Salze oder Zuckerbestandteile hinzufügen. Im Normalfall ist der Agar ein Pulver, das mit Wasser gemischt und dann erhitzt wird. Die Flüssigkeit wird daraufhin in eine Petri-Schale gegossen und härtet innerhalb von dreißig Minuten aus.
Welches Bakterium schließlich welche Farbe hat, weiß die Studentin auch nicht immer
"Ich fand es total faszinierend, dass da Bilder entstehen, die man vorher nicht sieht", sagt Borndörfer. Denn wenn mit den Bakterien gemalt wird, sei eine so geringe Menge auf der Impföse, dass das Bild nicht zu erkennen sei. Erst nach einer Woche, wenn die Bilder inkubiert seien, also den Mikroorganismen geeignete Wachstumsbedingungen geschaffen wurden, kann das Kunstwerk betrachtet werden. Welches Bakterium welche Farbe hat, wusste die Studentin auch nicht immer. Sie habe einige Studienarbeiten gelesen, ihr Wissen aus Hopfs spontanen Kurs angewendet und weiter experimentiert.
Mit den ersten Versuchen begann Borndörfer im April, im Juni wagte sie sich dann an die Malerei der Seerosen in den Petrischalen. Inspiration hierfür suchte sie sich bei Claude Monet, der für seine Seerosen-Motive bekannt ist. "Bei der Umsetzung musste ich dann besonders darauf achten, die Ösen oft zu sterilisieren, damit ich keine Verunreinigungen auf die Platte bringe", so die Studentin. Wegradieren, wie einen Strich einer Bleistiftzeichnung, kann sie die Bakterien nämlich nicht. "Das Problem ist, dass man wahrscheinlich nie alle Bakterien wegbekommen wird, weil man sie ja nicht sehen kann. Auf der Impföse stecken Tausende davon und es reicht, wenn ein ungewolltes auf der Agarplatte ist. Das wird anwachsen, sich teilen und vermehren."
Mikroorganismen auch als Farbindikatoren in der Medizin oder Lebensmittelkontrolle
Mikroorganismen werden auch als Farbindikatoren in der Medizin oder in der Lebensmittelkontrolle verwendet, erklärt die 21-Jährige. Keime können so durch die unterschiedlichen Farbgebungen identifiziert werden.
Für den Wettbewerb bewarb sich Borndörfer auf Empfehlung von Professor Hopf im September, im November kam dann die unerwartete Nachricht: Ihr Werk wird von der American Society for Microbiology mit dem ersten Platz und 100 US-Dollar ausgezeichnet. Drei Fotografien ihrer Mikroorganismen-Kunst hängen nun im großen A2 Format im Gebäude der HSWT aus.
Wenn die geborene Deubacherin nicht mit Mikroorganismen Kunstwerke erschafft, trainiert sie in ihrer Freizeit Taekwondo oder spielt im Orchester Klarinette. Im kommenden Semester schreibt Sonja Borndörfer ihre Bachelorarbeit. Dafür befindet sie sich in einer Forschungsgruppe im Helmholz-Zentrum, die sich mit der Stammzellforschung beschäftigt, um Diabetes-Patienten zu helfen. Für die Zeit nach ihrem Studium weiß die 21-Jährige, dass sie sich in einem Master spezialisieren möchte. Ihr Schwerpunkt soll dann mehr auf der Biologie liegen, weniger auf der Technologie.