Keine guten Aussichten:Volksfeste stehen erneut auf der Kippe

Keine guten Aussichten: Szenen wie diese vom Freisinger Volksfest 2019: Derzeit undenkbar.

Szenen wie diese vom Freisinger Volksfest 2019: Derzeit undenkbar.

(Foto: Marco Einfeldt)

Festwirtin Sabine Widmann hofft auf einen abgespeckten Betrieb. Hofbrauhaus-Geschäftsführer Jürgen Charrois rechnet mit Absagen. Josef Schrädler von der Staatsbrauerei Weihenstephan vermisst Emotionalität am Biertisch.

Von Thilo Schröder und Petra Schnirch, Freising

Derzeit kann sich wohl niemand vorstellen, dass in einigen Wochen Hunderte oder sogar Tausende Menschen gemeinsam feiern. Sabine Widmann geht das nicht anders. Mit dem Neufahrner Volksfest wollte die Freisinger Festwirtsfamilie Widmann am 14. April eigentlich in die Saison 2021 starten. Offizielle Absage gibt es noch keine, "aber es sieht nicht so prickelnd aus", sagt Widmann angesichts der Pandemie-Lage. Die Vorbereitungen für das ganze Jahr seien bereits abgeschlossen. Nun müsse man abwarten, wann ein Festbetrieb wieder möglich ist. Widmann hofft, dass dies zumindest in abgespeckter Form bald der Fall sein wird. Mit den Kommunen sei sie ständig im Gespräch.

Die Pandemie trifft die Festwirte hart, schon die gesamte Saison 2020 ist ausgefallen, das festangestellte Personal der Widmanns, etwa 15 Leute, ist in Kurzarbeit. In der Luft hingen aber auch die Lieferanten, sagt die Festwirtin - und die Bedienungen. Einige von ihnen arbeiteten in normalen Jahren als Selbständige auf gleich mehreren Volksfesten. Sabine Widmann hält den Kontakt zu ihnen und erzählt, dass sie teilweise gar keine finanzielle Unterstützung vom Staat erhielten, weil sie durch alle Raster fallen.

Auch die Brauereien sind stark getroffen

Die Festwirtin selbst versucht, die Situation für die eigene Familie "so positiv wie möglich zu sehen". Sie hätten noch nie so viel Zeit mit den Kindern gehabt, erzählt sie, für das Homeschooling sei das nötig gewesen. Ihr Mann arbeite derzeit auf dem Bau, "er kann kein Jahr daheimsitzen". Existenzielle Sorgen hätten sie bisher keine, sagt Sabine Widmann, der Familienbetrieb habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet. Sorgen macht sie sich aber, wie es nun weitergeht. Sollten noch ein, zwei Saisonen ausfallen, "wird es schon problematisch". Deshalb hofft nicht nur sie, dass bald ein Stück Normalität zurückkehrt.

Stark getroffen haben die pandemiebedingten Einschränkungen 2020 auch die Brauereien. Vor allem in den Lockdown-Phasen seien die Einbußen sehr hoch, sagt Josef Schrädler, Direktor der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan. National und international sei Weihenstephan stark als Gastronomiemarke positioniert. "Durch den recht starken Sommer konnten die Folgen der Lockdowns etwas abgeschwächt, aber natürlich nicht komplett aufgefangen werden", bilanziert er. Genauere Zahlen zu den Absatzeinbußen nennt er keine.

Keine guten Aussichten: Im Coronajahr 2020 hat das Hofbrauhaus Freising rund 30 Prozent an Umsatz verloren. Und auch Bier musste vernichtet werden.

Im Coronajahr 2020 hat das Hofbrauhaus Freising rund 30 Prozent an Umsatz verloren. Und auch Bier musste vernichtet werden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das Exportgeschäft war nach seinen Worten sehr unterschiedlich. "Bei über 50 Ländern ist immer irgendwo ein Lockdown", sagt er, je nach Land seien die Absatzverluste sehr unterschiedlich. Vereinzelt, zum Beispiel in Australien, habe die Staatsbrauerei sogar mehr verkauft als im Vorjahr. "Der Export lief grundsätzlich eigentlich immer, am meisten schmerzt jetzt aber die ausfallende Wintersaison, da wir besonders in Südtirol und Österreich stark auf den Hütten vertreten sind."

Bier vernichten musste die Weihenstephaner Brauerei bisher nicht

Weniger fehlten der Brauerei die Volksfeste, zumindest was den Umsatz angeht, "emotional gesehen dafür umso mehr", sagt der Brauerei-Direktor. "Zusammen am Biertisch zu sitzen, eine Mass zu trinken und ein Hendl zu essen, gehört für uns und viele Freisinger einfach dazu." Den Ausfall anderer Feste dagegen hat die Staatsbrauerei sehr deutlich gespürt. In anderen Jahren sei die Festeabteilung allein in der Umgebung in etwa 500 Feste eingebunden, resümiert Schrädler. Die Mitarbeiter seien in den schwächeren Monaten in Kurzarbeit, wie viele und in welchem Umfang werde von Monat zu Monat neu entschieden. Immerhin: Bier vernichten musste die Brauerei laut Schrädler bisher auch dank des neuen Logistikzentrums in den Clemensängern nicht, dort habe man "Mengen puffern" und sehr flexibel reagieren können. Eine besondere Herausforderung für Produktion und Logistik sei, dass die Bestellungen jetzt "quasi ohne Rhythmus" einträfen. Man habe aber aus den ersten Phasen der Pandemie gelernt und sei sehr flexibel geworden.

"Ein Jahr wie 2020 braucht es natürlich nicht noch einmal", bilanziert der Brauerei-Chef. Er hofft auf einen Aufschwung im zweiten Halbjahr, der Export entwickele sich in einigen Ländern bereits recht gut.

Erste Erfolge, auch in anderen Bundesländern, verzeichnete zuletzt das Freisinger Hofbrauhaus: mit einer neuen Biermarke. Indes, 2020 habe man rund 30 Prozent an Umsatz verloren, habe Bier vernichten müssen, sagt Geschäftsführer Jürgen Charrois. Auch dem Hofbrauhaus sind Auslands- und Festgeschäft weggebrochen. "Wir hoffen, dass es annähernd zur Normalität zurückkehrt", sagt Charrois. Dass zumindest die Freiflächen der Gastronomiebetriebe bald wieder öffnen dürfen, später dann Innenräume. Und Volksfeste? "Kann ich mir nicht vorstellen dieses Jahr."

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