Süddeutsche Zeitung

Freisinger Volksfest historisch:"Vergnügungspark mit Schaustellungen und Volksbelustigen aller Art"

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Historische Dokumente aus dem Freisinger Stadtarchiv zeigen, wie sich das Freisinger Volksfest seit der Premiere im Jahr 1929 verändert hat. Sie verschaffen einen Einblick, wie die Feste früher waren, vor allem aber kommt man den Menschen von damals näher, um sie besser zu verstehen.

Von Marius Oberberger, Freising

Volksfeste entstanden Ende des 19. Jahrhunderts vielerorts aus Landwirtschafts- und Gewerbeschauen, die lokalen Produzenten eine Bühne bieten sollten. Bald wurden Karusselle, Gastronomiebetriebe, Buden und vieles mehr mit aufgestellt, sodass sich das moderne Volksfest nach und nach entwickelte. Das erste moderne Freisinger Volksfest wurde 1929 vom Stellvertretenden Bürgermeister Johann Braun ins Leben gerufen, womöglich auch, um nach anderen Gemeinden nachzuziehen, wie Stadtarchivar Florian Notter vermutet: Die Stadt Freising war relativ spät dran. Früher hatte es bereits Versuche gegeben, etwa 1899 mit einer großen Gewerbeschau auf dem Lerchenfeld, das aufgrund des Jahrhunderthochwassers aber wortwörtlich ins Wasser fiel.

So etablierte sich das Freisinger Volksfest erst 1929: Das Plakat warb mit landwirtschaftlichen Ausstellungen sowie Veranstaltungen wie Pferderennen, Schießwettbewerbe und einem "Vergnügungspark mit Schaustellungen und Volksbelustigen aller Art". Das Programm sah eine genau festgelegte Route vor, auf dem am Sonntag, 1. September 1929, das Volksfest eingeläutet wurde: Herolde mit Fanfaren, blumenstreuende Mädchen und Musizierende zogen laut Planung voran, gefolgt von landwirtschaftlichen Wagen, darunter Hopfen-, Bienen- und Fischzucht sowie Moorkultur, worauf zahlreiche Handwerker und Vereine folgten. Fast 40 Wagen wurden damals aufgeboten.

Nicht alle Archivdokumente sind klar einzuordnen

In der Akte im Stadtarchiv zu den Volksfesten 1929-1931 liegen auch zwei etwas befremdliche Zeichnungen: ein mit Wasserfarben gemalter Festwagen sowie ein mit Wachsmalstiften gezeichnetes Kriegerdenkmal. Die Zeichnung des Festwagens beinhaltet nationalistisch-militärische Symbole, etwa eine Germania, Eisernere Kreuze und den Stahlhelm, in der Weimarer Republik Symbol für ehemalige Frontsoldaten sowie Konservative und Revanchisten. Es ist unklar, ob dieser Festwagen bei einem der frühen Festzüge aufgeführt wurde oder ob ihn jemand entworfen und vergeblich gehofft hatte, dass er dabei sein werde.

Die andere Zeichnung zeigt eine "Deutsche Eiche", geschmückt mit dem bayerischen Blau-Weiß sowie dem Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs, während die Nationalfarben der Weimarer Republik Schwarz-Rot-Gold waren. In diesen Jahren wurde erbittert über die Nationalfarben gestritten, das Schwarz-Weiß-Rot war unter den Weimarer Rechten, Rechtsextremen und Revanchisten sehr beliebt. Durch das darunter abgebildete Symbol des niedergestreckten bayerischen Löwen lässt die Zeichnung in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg einordnen.

Warum die Zeichnungen in der Akte zum Volksfest 1929-1931 liegen, bleibt vorerst unklar. Ganz gleich, ob die Bilder nun die Realität abbilden oder Ideen der Zeichner blieben, sind sie laut Notter "typisch für die Erinnerungskultur der 1920er Jahre in Freising und anderswo", geprägt von übersteigertem Nationalismus und Materialismus sowie Kriegsgedenken. Er verortet die Zeichnungen in die Zeit zwischen dem ersten Freisinger Volksfest 1929 und der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933, die Charakter und Symbolik des Festes maßgeblich veränderte.

Während des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit fiel das Freisinger Volksfest aus, 1949 wurde es zum ersten Mal wieder veranstaltet, dann in sehr bescheidenem und zurückhaltendem Rahmen. Freisinger Stadtfahnen und auch die bayerische Flagge wurden in diesen Jahren beliebter, da das Hervorheben der Nationalflagge negativ konnotiert gewesen sei, so Notter. Bis in die 1960er Jahre waren die Volksfeste noch sehr vom ursprünglichen Charakter als Landwirtschafts- und Gewerbeschau geprägt, aber stetig im Wandel.

Lauf- und Radrennen für alle Bürgerinnen und Bürger

Aus dem Jahr 1986 stammen einige Broschüren über Lauf-, Pferde- und Radrennen, die damals wichtiger Teil des Programms waren. Für zehn D-Mark Startgeld konnten am Sonntag, 6. September, alle Lauflustigen, aufgeteilt in 17 Klassen nach Alter und Geschlecht, zehn Kilometer im Wettbewerb um Preise und die Anerkennung der Freisinger Bürgerinnen und Bürger laufen. Auch Rennen über 1500 und 2000 Meter gab es. Um 20 Uhr fand die Siegerehrung am Marienplatz statt. Am Tag darauf veranstalteten verschiedene Ausrichter, Einzelpersonen, Betriebe und die Stadt Freising, sieben unterschiedliche Pferderennen. Die teilnehmenden Pferde und Reiter sind im Programmheft aufgeführt. Eine Woche später standen mehrere Radrennen an: Jugend und Damen fuhren jeweils 22 Kilometer, Junioren 33 und die männlichen Amateure 55 Kilometer. Für dieses Rennen sind 95 Teilnehmer aufgelistet, es muss also auf der etwa einen Kilometer langen Strecke durchaus geschäftig zugegangen sein.

Dies sind nur einige Einblicke in die abwechslungsreiche Geschichte des Volksfests, das die Freisinger Bürgerinnen und Bürger seit jeher bewegt hat. Ob auf Festumzügen, Rennen oder im Bierzelt, viele Menschen waren und sind mit viel Enthusiasmus dabei. Die historischen Dokumente verschaffen uns einen Einblick, wie die Feste früher waren, vor allem aber kommt man den Menschen von damals näher, um sie besser zu verstehen. So geht es für Notter auch heute noch um die Frage: "Was ist der Antrieb, warum feiern die Menschen heute ein Volksfest?"

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