Kunstinstallation:Sieben Tugenden gegen sieben Todsünden

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Die Installation in der St. Georgskirche. (Foto: Marco Einfeldt)

Vier Künstlerinnen setzen sich in der Pfarrkirche St. Georg mit menschlichen Lastern auseinander und setzen positive Impulse dagegen. Auch die Kunstinstallation „Stimmen im Fluss“ des Vereins Kultur-gut befasst sich damit.

Von Moritz Frimberger, Freising

Hilfe leisten, Mut, Verantwortung übernehmen, Tapferkeit: All das sind Attribute und Handlungsideen, die zum Heiligen Georg passen. Der Legende nach hörte er die Schreie einer Königstochter, die einem Drachen geopfert werden sollte, stellte sich dem Ungeheuer und besiegte es im Kampf. In der Stadtpfarrkirche St. Georg scheint der Namenspatron, die Bestie zu seinen Füßen, auf die genannten Schlagworte hinabzublicken. Diese nämlich sind Teil einer Kunstinstallation, die bis zum Ende dieser Woche in der Kirche neben dem Freisinger Marienplatz zu sehen ist.

Namensgeber für das eindrucksvolle Kunstwerk ist aber ein anderer Heiliger, der in seinem Jubiläumsjahr omnipräsent ist in Freising: der Stadtpatron. Unter dem Motto „Korbinian 2024: Wann, wenn nicht jetzt? – Wer, wenn nicht wir?“ hat das Künstlerinnen-Quartett „Gruppe Sturmwind 2.0“, bestehend aus Gabriele Abs, Helma Dietz, Maria Kiess und Elisabeth Seitzl, zwanzig Papierbahnen gestaltet. Diese schweben über einem kreuzförmigen Gebilde, auf dessen Oberfläche „Korbinians Packerl: Bürden – Erwartungen – Hoffnungen“, so der Untertitel der Installation, zu sehen sind. In Form von zusammengeschnürten Buchpaketen sollen die Päckchen Lasten repräsentieren. Der Legende nach hatte diese der Bär zu tragen, der Korbinians Hab und Gut nach Rom transportieren musste. Ebenso verweisen die Packerl „auf die Bürden und Aufgaben von Kirche, Gesellschaft und jedem von uns heute“, wie es in einer Pressemitteilung der Künstlerinnen heißt.

Auf allen Papierbahnen sind einzelne Wörter oder Ausdrücke zu sehen. Die schlichten Banner, teils mit dezenten farbigen Elementen, lassen sich in drei Gruppen unterscheiden: Die einen zeigen auf dunklem Grund negative Eigenschaften wie Hinterlist, Neid und Gewalt. Auf weißem Papier sind auf anderen positive Attribute – etwa Sanftmut, Hoffnung, Frömmigkeit – zu lesen. Auf wieder anderen hellen Papierbahnen finden Besucherinnen und Besucher Anregungen zum Handeln, beispielsweise „Achtsam zuhören“ oder „Ressourcen schonen“. Alles ist stimmungsvoll beleuchtet. „Wir haben uns gefragt, ob und wie sich die Strahlkraft des Heiligen Korbinian bis in unsere heutige Zeit und Gesellschaft erhalten hat und wie sie positiv weiterwirken kann“, schreibt die Gruppe Sturmwind 2.0 über die Idee zu ihrer Installation.

Die vier Künstlerinnen orientierten sich an „Botschaften aus dem Evangelium, besonders der Bergpredigt. (Foto: Marco Einfeldt)

Die vier Künstlerinnen Gabriele Abs, Helma Dietz, Maria Kiess und Elisabeth Seitzl orientierten sich an „Botschaften aus dem Evangelium, besonders der Bergpredigt, aber auch dem Grundgesetz, die Impulse und Orientierung für eine Wiederbelebung und Erneuerung des durch das Christentum vorgegebenen humanitären Wertekodex geben.“ Das Betrachten der Kunstinstallation solle „zur Reflexion unserer gegenwärtigen Situation und zu verantwortungsvollem Handeln für eine lebenswerte Zukunft anregen.“ Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, eigene Wünsche und Ideen auf einer separaten Tafel aufzuschreiben.

Dass es in St. Georg gerade sieben Papierbahnen sind, die negative Attribute behandeln, ist laut Künstlerin Helma Dietz „keine bewusste Anspielung“. Eindeutig mit der Zahl Sieben verbunden ist dagegen eine weitere Kunstinstallation: „Stimmen im Fluss“ des Freisinger Vereins Kultur-gut. In der Moosach befindet sich an der Freisinger Fischergasse ein rotierendes Wasserrad.

Die Installation "Stimmen im Fluss" in der Moosach. (Foto: Marco Einfeldt)

Auf der einen Seite der Metallkonstruktion sind schmucklos die sieben Todsünden zu lesen, auf der anderen positive Gegenbegriffe. Die positiven Wörter sollen „den Todsünden die Unvermeidlichkeit absprechen, die Bewegung des Flusses und das sich drehende Rad symbolisieren den steten Wandel und die ständigen Veränderungen“, heißt es auf der Website des Vereins.

So werden der Wollust etwa Liebe und Zärtlichkeit gegenübergestellt, als Gegenpol zu Neid findet man Dankbarkeit und Gunst. Zu diesen beiden konträren Begriffen wird es im an die Installation angrenzenden Junkers Café an den folgenden Samstagen abends noch ein Begleitprogramm geben. Dort wird eine Mischung aus Literatur, Musik und Gesprächen geboten. Die übrigen Gegensatzpaare wurden in den vergangenen Wochen thematisiert.

Die Installation „Stimmen im Fluss“ ist durchaus kirchenkritisch zu sehen

Auch die „Stimmen im Fluss“ stehen in Verbindung mit Freisings 1300-jähriger Geschichte und Korbinians Ankunft. Diese „markieren den Beginn der Christianisierung, die bis heute kulturell und gesellschaftlich wirkt“, wie es auf der Website des Vereins heißt. Die Installation ist kirchenkritisch zu verstehen, folge doch dem Bibelspruch ,Macht euch die Erde untertan’ „die gnadenlose Ausbeutung der Erde und die Zerstörung der Natur“, wie auf einer der nahen Schautafeln geschrieben steht. Zu diesem Thema findet in Junkers Café die Abschlussveranstaltung des Programms statt.

Die Kunstinstallation in der Pfarrkirche St. Georg ist noch zu sehen bis kommenden Sonntag, 21. Juli, zu den Öffnungszeiten der Kirche, täglich 9 bis 17 Uhr. Die Finissage findet am Sonntag von 14 bis 18 Uhr statt; dort sind auch die Künstlerinnen anwesend.

Das Kunstwerk „Stimmen im Fluss“ kann bis 12. Oktober besucht werden. Veranstaltungen des Begleitprogramms in Junkers Café finden noch statt an den Samstagen, 20. und 27. Juli sowie 3. August, jeweils von 18 bis 19 Uhr. Weitere Informationen gibt es auf der aufwendig gestalteten Website des Vereins „Kultur-gut“ unter https://kultur-gut-freising.de/stimmen-im-fluss/.

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