Freisings Amerikaner legen sich fest:"Hauptsache irgendwer anders als Trump"

US-Wahlen

Am nächsten Dienstag wird in Amerika der Präsident gewählt. In Freising lebende US-Amerikaner blicken mit Sorge auf den Wahlausgang.

(Foto: Herwin Bahar/dpa)

Noch bis Dienstag haben die US-Bürger Zeit, über ihren neuen Präsidenten zu entscheiden. Ginge es nach den Landkreis-Bürgern mit amerikanischem Pass, würde Herausforderer Joe Biden punkten.

Von Corinna Bail, Freising

Am Dienstag wählen die Vereinigten Staaten ihren Präsidenten. Auch in Freising wird das Ergebnis mit Spannung erwartet, gerade unter den hier lebenden US-Amerikanern. Sie haben ihre Stimmen schon abgegeben. Und nicht wenige hoffen auf einen Sieg des demokratischen Herausforderers Joe Biden gegen den amtierenden Präsidenten Donald Trump. Einer von ihnen bezeichnet die vierjährige Amtszeit des Republikaners im Gespräch mit der SZ gar als "Albtraum".

"Als wäre jemand gestorben"

Nicht "in einer Million Jahre" hätte Kaylee Kübeck sich vorstellen können, dass Donald Trump die Wahl 2016 für sich entscheiden würde. "Es war, als wäre jemand gestorben", erinnert sie sich an die Wahlnacht. Kübeck kam 2011 aus dem US-Bundesstaat Oregon nach Deutschland, heute lebt die Englischlehrerin samt Ehemann und zwei Kindern in Freising. Der größte Rückschritt der vergangenen vier Jahre sei für sie das unter Trump errichtete konservative Bollwerk im Supreme Court. Mit der umstrittenen Berufung von Amy Coney Barrett durch Donald Trump sitzen nun drei vom derzeitigen Präsidenten nominierte Richter im Obersten Gerichtshof der USA und gehören dort zur konservative Mehrheit von sechs Richtern, der drei als liberal geltende Kollegen gegenüberstehen.

Über die Ernennung Bidens zum Kandidaten des demokratischen Lagers sei sie zunächst enttäuscht gewesen, gesteht Kaylee Kübeck. Sie hätte sich liberalere Anwärter wie Elizabeth Warren oder Bernie Sanders gewünscht, sei im Verlauf von Bidens Wahlkampf jedoch positiv von dem moderaten 77-Jährigen überrascht worden. "Aber ehrlich gesagt: Hauptsache irgendwer anders als Trump wird Präsident."

"Es ist unsere Pflicht, wählen zu gehen"

Auch Brittany Engle hatte andere demokratische Kandidaten favorisiert, auf dem Wahlzettel habe sie vor vier Jahren dann für Clinton, bei der aktuellen Wahl für Biden gestimmt. "Es ist unsere Pflicht, als Bürger wählen zu gehen." Engle ließ vor gut einem Jahr den Bundesstaat Missouri hinter sich, um in Freising das Masterstudium "Sustainable Resource Management" zu beginnen. An der Amtszeit Trumps sind aus ihrer Sicht vor allem der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und die Demontage der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA katastrophal gewesen. Während der Corona-Pandemie habe Trump abermals gezeigt, dass er nicht zum Staatsoberhaupt tauge, urteilt sie.

Die Amerikanerin hoffe deshalb, dass die Trump-Wähler aus diesen Amtsjahren "gelernt haben". Bei ihren Schwestern sei dies der Fall, bei ihren Eltern vermisst Engle diese Einsicht: Sie stimmten 2016, wie die meisten Wähler in Missouri, für den Republikaner und würden dies auch heuer tun, vermutet Engle. Sie führt dies auf die Berichterstattung bestimmter US-Medien wie des konservativen Fernsehsenders Fox News zurück. Engle sieht jedoch auch bei den Bürgern eine Verantwortung, über verschiedene Quellen Informationen zu verifizieren.

"Wie in einem Albtraum"

Im Bundesstaat South Carolina, aus dem Engles Studienkollege Daniel Fleetwood stammt, wird wie in Missouri traditionell "rot", also republikanisch, gewählt. Fleetwood gab 2016 keine Stimme ab. "Ich war einfach sauer auf das ganze politische System", erinnert er sich. Am Morgen nach der Wahl habe er sich dann wie "in einem Albtraum" gefühlt und er habe bereut, nicht gegen Trump gestimmt zu haben. Viele Amerikaner hätten aber wie er das Gefühl, ihre Stimme zähle wegen des amerikanischen Wahlsystems nicht wirklich.

In den USA entscheiden letztlich nicht die Wählerstimmen, sondern die Wahlleute im electoral college über den künftigen Präsidenten. 2016 führte dies dazu, dass Donald Trump zum Präsidenten ernannt wurde, obwohl Hillary Clinton fast 2,9 Millionen Wählerstimmen mehr erhalten hatte. Dieses Mal habe er für Joe Biden gestimmt, sagt Daniel Fleetwood, da der "wenigstens ein Herz hat und nicht an sich selbst denkt". Der Student befürchtet jedoch Ausschreitungen in den USA, falls Joe Biden zum neuen US-Präsidenten ernannt wird. Doch auch wenn Trump erneut gekürt werden sollte, stünden den USA von Unruhen gezeichnete Zeiten bevor, glaubt er.

"Ich dachte, es wird nicht so schlimm"

Die aus Alabama stammende Megan Molnar sieht ebenfalls eine Welle an Gewalt auf die USA zusteuern. "Amerika war noch nie so gespalten wie jetzt." Molnar lebt seit 2016 in Deutschland, ein Jahr später zog sie nach Freising und schloss vergangenen Winter ihren Master in Epidemiologie in München ab. An der Wahl 2016 nahm sie wegen des Umzugs von den USA nach Bayern nicht teil. Als dann Donald Trump zum 45. Präsidenten ernannt wurde, gab sich Megan Molnar zunächst optimistisch. "Er war ein Businessman mit frischem Blick. Ich dachte, es wird nicht so schlimm, wenn er sich auf die Steuern und das Freihandelsabkommen beschränkt." Nicht im Traum hätte sich Molnar vorstellen können, dass Trump auch nur ein Viertel von dem, was er im Wahlkampf angekündigt hatte, in die Tat umsetzt. Deshalb habe sie bereits vor zwei Monaten für Biden gestimmt. Bis sie ihr Häkchen setzen konnte, musste die Amerikanerin aus Alabama aber zahlreiche bürokratische Hürden nehmen und diverse Wahlanträge stellen.

"Die schlimmsten Befürchtungen übertroffen"

Derartige wahlbürokratische Hürden führten beim Freisinger Kreisrat Peter Warlimont (SPD), der in New York geboren und somit stimmberechtigt ist, heuer sogar dazu, dass er seine Stimme nicht für Biden abgeben konnte. Da sein Bundesstaat für gewöhnlich ohnehin "blau", also demokratisch, sei, nehme er das Versäumnis gelassen. Nach dem Wahlschock vor vier Jahren habe er gehofft, dass Trump an seinen Aufgaben wachse. Trumps Amtszeit habe allerdings seine schlimmsten Befürchtungen übertroffen, sagt Warlimont. Es sei erschreckend, dass "ein Mann derartiger charakterlicher Schwäche und persönlicher Unreife in ein solches Amt gelangen kann". Als "begnadeter Selbstdarsteller" verkaufe sich Trump durch seinen Politikstil und Personenkult und das führe zu einer Vereinfachung der Politik. Unter Biden verspricht sich Warlimont eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten weltweit. Themen wie soziale Ungerechtigkeit und den Klimawandel könnten einzelne Länder nicht alleine lösen. Eine zweite Amtszeit Trumps will der SPD-Politiker aktuell nicht ausschließen, die hohe Wahlbeteiligung in den USA stimme ihn jedoch optimistisch.

" Was ist mit meinem Land los?"

Auch Christopher McGreger, geboren in Texas und seit 1997 in Freising lebend, bewertet die hohe Mobilisierung in der amerikanischen Bevölkerung positiv. Allerdings wählen laut McGreger vor allem extrem religiöse und extremistische Gruppen den amtierenden Präsidenten. "Die glauben die Fox-News-Propaganda, dass Trump den working man unterstützt, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht." 2016 hat McGreger für Clinton gestimmt, in diesem Jahr für Biden, wie er sagt. Der moderate Demokrat gefalle ihm, da er die extremen Lager auf der rechten und linken Seite wieder zusammenbringen könne. Sollte Biden Präsident werden, erwartet McGreger mit Blick auf die konservativen Milizen im Land unruhige Zeiten: "Das ist fast so eine Katastrophe wie 9/11, nur viel langsamer. Damals schaute ich mir das aus der Ferne an und dachte: Mein Gott, was ist mit meinem Land los. Jetzt ist es ähnlich. Ich kann kaum glauben, was Trump Amerika angetan hat."

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