Süddeutsche Zeitung

Band "Süße Lotte":"Unsere Musik kommt von Herzen"

Lesezeit: 4 min

In der Band Süße Lotte spielen sieben Musiker mit Behinderung. Im Interview sprechen Klavierspielerin Lotte und Leiter Andreas Hörhammer über ihre Anfänge, ihren ganz eigenen Sound und künstlerische Freiheit trotz oder gerade wegen eines Handicaps

Interview Von Rebecca Seeberg, Freising

Süße Lotte können sich wahrlich hören lassen. Seit 2012 gibt es die Freisinger Band, in der sieben Musiker mit Behinderung unter der Leitung von Andreas Hörhammer zusammen spielen. Dabei entsteht aus Beatbox-Rhythmen, Klaviermelodien und Vokalimprovisationen ein ganz eigener, freisinniger Sound. Die Freisinger SZ hat mit der Band vor ihrem Auftritt im März im Furtnerbräu gesprochen.

SZ: Was machen Sie vor einem Auftritt?

Andreas: Das fängt eigentlich damit an, dass ich am Konzerttag ins Wohnhaus an der Johannisstraße komme und die ganzen Instrumente und die Technik in unseren Sprinter packe. Zu dem Ort, an dem das Konzert stattfinden soll, fahren wir dann alle zusammen. Dort angekommen, hilft natürlich jeder beim Aufbauen mit, so wie er kann. Um die Technik kümmere ich mich in der Regel. Daran schließt der Soundcheck an, um die Instrumente aufeinander abzustimmen, und dann geht es auch schon los.

Woher kommt der Name "Süße Lotte"?

Andreas: Na, das kommt von unserer Klavierspielerin Lotte.

Lotte, waren Sie also schon von Anfang an dabei?

Lotte: Ja, klar. Und dieses Jahr fahren wir sogar nach Berlin!

Andreas: Wir haben in Freising schon immer Musik mit den Leuten aus der heutigen Band gemacht. Vor drei Jahren ist das Ganze dann ernster geworden. Damals suchte eine Freundin von mir musikalische Untermalung für einen Inklusions-Tag, den sie veranstaltet hat. Wir haben kurzerhand einfach zugesagt.

Wer macht alles mit?

Andreas: Die Lotte ist am Klavier, Michi und Heribert singen und sprechen. Anton spielt Veeh-Harfe. Klaus macht viele verschiedene Sachen, vor allem aber Percussion. Irene ist am Glockenspiel und Gerhardt gibt mit seiner Rassel den Rhythmus vor. Ich spiele Gitarre und singe ein bisschen.

Lotte, haben Sie sich Ihr Instrument selber ausgesucht?

Lotte: Genau, ich wollte immer Klavier spielen.

Und wie war das bei Ihrem Sänger?

Andreas: Michi hat schon immer gerappt, er hat das im Blut. Als ich hier mit dem Musizieren angefangen habe, bin ich natürlich sofort auf ihn gestoßen. Er rappt, ich spiele Gitarre und "beatboxe", und dann hat sich das so entwickelt. So entstehen die Akustik-Hiphop-mäßigen Sounds, die wir jetzt machen.

Covern Sie auch Songs? Anfangs haben wir das schon gemacht, aber auf unsere ganz eigene Art. Ich oder die anderen Bandmitglieder geben einen Impuls, in welche Richtung es gehen soll und Michi überlegt sich dazu die Texte. Sagen wir mal, das Lied heißt "Nebel". Dann singt er schon über den Nebel, aber er rappt teilweise in einer Art Fantasiesprache und mischt auch seine Muttersprache Kroatisch unter. Vom Text sind nur Fetzen zu verstehen. Es geht eher um die Soundmelodien, die er rappt.

Wieso machen Sie Musik?

Lotte: Na, weil ich gerne spiele. Das macht einfach Spaß!

Andreas: Es geht aber nicht nur darum, für sich selber zu spielen. Auftritte gehören eben dazu, und wenn einer nicht möchte, dann muss er oder sie auch nicht. Richtige oder falsche Musik gibt es nicht. Es geht uns um die Lust am Musizieren.

Ist Ihre Musik vielleicht wahrer als die von anderen Musikern, weil Sie eben kein strenges Schema nach Notenblättern verfolgen?

Andreas: Die Musik kommt, wie sie gerade ist - klar, sie kommt immer von Herzen. Unsere Musik kann ich eigentlich nicht beeinflussen, sie klingt immer wieder anders. Michi singt nicht immer gleich, die Intensität ist immer unterschiedlich, die Melodien entwickeln ein Eigenleben. Ich muss mich immer wieder auf Veränderungen einstellen, denn ich weiß nicht, was als Nächstes passieren wird. Jeder Auftritt ist eine musikalische Herausforderung für mich.

Was ist also Ihre Aufgabe in der Band? Andreas: Ich gebe einen bestimmten Rahmen vor, der die Musik zusammenhält. Wenn ich mit dem Beatboxen anfange, dann ist das wie ein Einschaltknopf für Michi. Höre ich damit wieder auf, dann hört auch er auf zu rappen. Ich biete einen gewissen Soundteppich. Dazu gehört natürlich auch ein bisschen musikalisches Gespür. Ich gebe wirklich nichts vor: keine bunt angemalten Tasten auf dem Keyboard, keinen Text für Michi. Das klappt auch ohne mich. Das einzige, was ich vorgebe, sind die Einsätze. Ich bin wie ein mitspielender Dirigent.

Der autistische Leadsänger der Band "Rudely Interrupted" besitzt das absolute Gehör, der Bariton Thomas Quasthoff wurde mit einer Contergan-Schädigung geboren. Und jeder kennt den blinden amerikanischen Soul-Sänger Stevie Wonder. Muss ein Handicap für Musiker Ihrer Meinung nach zwangsläufig ein Nachteil sein?

Andreas: Das ist schwierig zu beantworten. Da müsste man Stevie Wonder wohl selber fragen. Ich kann mir vorstellen, dass er sich aufgrund seiner Blindheit sicherlich besser auf sein Gehör konzentrieren kann. Auch bei Autisten mit Asperger-Syndrom kann ich nicht wirklich sagen, ob das zu ihrem Vorteil ist, oder ob ihnen ihre spezielle Begabung eher zur Last fällt. In unserem Fall sehe ich eine ungeheure Freiheit, die uns gegeben ist. Jazz-Musiker würden sich sicherlich wünschen, noch so frei spielen zu können wie Lotte. Einige Künstler, mit denen ich mich über dieses Thema unterhalten habe, meinten, sie hätten einfach schon zu viel Theorie im Kopf.

Haben Sie Vorbilder? Musik, die Sie mögen?

Lotte: Klaviermusik natürlich. Ein spezielles Vorbild habe ich aber nicht.

Wo soll es hingehen? Kann man Sie in der Zukunft im Radio hören?

Lotte: Ich will das eigentlich nicht.

Andreas: Für mich persönlich ist das absolut nicht das Ziel, "Süße Lotte" im Radio zu hören. Momentan warten wir einfach, was die Zukunft bringt. Das Einzige, was ich gerne machen würde, ist eine CD aufzunehmen, um eine Musiksammlung für uns zu haben, aber eben nur für uns. Auch ohne viel Marketing läuft es für uns ganz gut. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel in Freiburg. Engagements müssen aber auf uns zukommen, denn mit jeder Reise, die wir machen, ist ein sehr großer Aufwand verbunden. Wir haben kein Bandauto und machen die Musik auch nicht hauptberuflich. Die meisten von uns arbeiten eben auch.

Lotte: Ich bin schon in Rente.

Andreas: Das ist natürlich praktisch. Mit Lotte kann ich immer üben.

Wer kommt zu Ihren Konzerten und wo treten Sie gerne auf?

Lotte: Für mich war der Auftritt im Moosburger Jazz-Club Hirsch am schönsten.

Andreas: Auch ich spiele am liebsten in Kneipen, denn dort ist die Stimmung einfach immer gut. Auch bei den anderen Musikern spürt man dann den Enthusiasmus. Die Resonanz aus dem Publikum ist bei solchen Auftritten immer ungemein positiv. Jeder, der zu einem unserer Konzerte kommt, hat auf jeden Fall eine schöne Zeit und nimmt etwas von der Freude, die wir auf der Bühne haben, mit nach Hause.

Am Freitag, 13. März tritt die Band "Süße Lotte" um 20 Uhr im Furtnerbräu in Freising auf.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2015
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