Uferlos 2019:Poesie gegen den Hass

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Konstantin Wecker kommt endlich zum Uferlos und begeistert seine Fans in der Luitpoldhalle mit seiner kraftvollen Stimme und seinen Botschaften. Das Festival selbst begeistert mit seiner entspannten Atmosphäre und dem breiten Angebot.

Von Katharina Aurich, Freising

Konstantin Wecker hat am Freitag die Freisinger in der ausverkauften Luitpoldhalle auf das Uferlos-Festival eingestimmt. Vom ersten Takt an fesselte der Musiker mit seiner kraftvollen Stimme und nachdenklichen, bisweilen melancholischen Texten das Publikum. Der 71-Jährige schenkte seinen treuen Fans gemeinsam mit Fany Kammerlander am Cello und dem Pianisten Jo Barnikel einen Abend voller Virtuosität, Wut und Zärtlichkeit.

Nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Uferlos-Macher war das Gastspiel Weckers ein ganz besonderer Abend. Denn Weckers Album "Uferlos" inspirierte die Gründer, als sie vor elf Jahren zwischen den beiden Flüssen Isar und Moosach standen, bei der Namensgebung für das erfolgreiche Freisinger Festival, wie sich Vipo Maat erinnert. "Wir haben seit elf Jahren versucht, ihn zu kriegen. Toll, dass wir ihn jetzt über den Kontakt von Musikschulleiter Odilo Zapf gewinnen konnten." Wecker sei nicht nur ein Ausnahmemusiker und Liedermacher, sondern er zeige eben auch politisch Haltung.

Dessen Texte haben nichts von ihrer Aktualität verloren, seine Stücke gegen Rechts, teilweise vor Jahrzehnten entstanden, sind auch heute noch Mahnung und Appell zugleich und fordern die Zuhörer auf, Stellung zu beziehen, denn die "braune Brühe soll nicht noch weitere Landstriche überschwemmen", sang Wecker unter den Bravorufen des Publikums. "Ich höre nicht auf zu träumen von der herrschaftsfreien Zeit" - damit sprach der Künstler seinen Zuhörern offensichtlich aus der Seele, denn immer wieder brandete zwischen den Zeilen Applaus auf. Auch Cellistin Fany Kammerlander und Jo Barnikel, der Wecker seit 1993 begleitet, begeisterten das Publikum, denn das Trio spielte wie aus einem Guss. Als Kammerlander dann noch ihr Instrument auf die Seite stellte und mit Wecker ein Liebeslied anstimmte, war die Rührung des Publikums fast greifbar.

Ganz still war es in der Luitpoldhalle, während der Liedermacher und Musiker Gedichte vorlas und aus seiner Jugend erzählte. Für ihn sei Poesie Widerstand, "wir besiegen den Hass durch Zärtlichkeit", die höchste Errungenschaft des Menschen sei die Empathie, das Mitgefühl. Dazu passte dann auch die nachdenkliche Stimmung, die Wecker mit Liedern erzeugte wie "Gefrorenes Licht" oder dem romantisch-lyrischen Leiermann aus der Winterreise von Robert Schumann, der mit gefrorenen Fingern auf dem Eis steht und dreht, was er kann, aber dessen Teller immer leer bleibt. Nach diesen leisen Liedern brandete der Applaus umso lauter auf.

Ohne die Unterstützung der Stadt Freising, allen voran der Stadtjugendpflege, ist es kaum möglich, jedes Jahr wieder Zugpferde wie Konstantin Wecker nach Freising zu holen. Und natürlich saß auch Hartmut Fischer im Publikum und genoss das Konzert. Der ehemalige Leiter der Stadtjugendpflege hatte jahrzehntelang seine Kontakte genutzt, um den Freisingern Gastspiele herausragender Künstler zu bieten.

Vipo Maat freute sich zudem, dass das "Uferlos" im Landkreis auch unter Politikern immer mehr anerkannt werde, was für ein Kulturfestival nicht einfach sei. Damit es auch finanziell aufgeht, werde jedes Jahr ein Spagat zwischen Kultur und Kommerz bewältigt. Dabei stehe die Kultur jedoch an erster Stelle, betonte Maat, der selbst als Studiomusiker, Musiklehrer und Musikproduzent arbeitet und gemeinsam mit dem Musiker Thomas Sedlmeier das Festival leitet.

Bereits am ersten Abend drängten sich die Besucher auf dem Festivalgelände, in friedlicher Feierlaune schlenderten sie über das Gelände und genossen Rock'n'Roll sowie die Santana- und AC/DC-Coverbands. Drangvolle Enge herrschte im Wigwahm, in dem jeden Abend ein anderer DJ auflegt. Neu ist heuer eine Lounge unter dem Zeltdach, die sehr gut angenommen wird, wie Amelie, die bereits im vierten Uferlos-Jahr hinter dem Tresen steht, Samstagmittag berichtete.

Bevor das Festival um 14 Uhr wieder seine Tore öffnete, herrschte geschäftiges Treiben an den Ständen. Anna aus Russland ist zum ersten Mal dabei und bereitete mit Nassim aus Marokko Wraps zu, während der Gesang der Freysing larks, die sich gerade einsangen, aus dem Zelt herüber wehte. Es sei eine schöne Zeit, auf dem Uferlos zu arbeiten, sagte Anna nach ihrem ersten Uferlos-Tag, das Publikum sei "very nice and cosy". Auch für Vivien, die eigentlich im Schwarzwald studiert, ist das Uferlos ein "Muss". Gemeinsam mit ihrer Freisinger Freundin Aileen kellnert sie wieder in einem der Biergärten. Es sei besonders abends "mega-anstrengend", aber die tolle Stimmung, das nette Team und das Trinkgeld entschädigten sie dafür, sagte die 23-Jährige lachend.

Genauso vielfältig wie die Musik ist das kulinarische Angebot, neben vegetarischen und veganen Gerichten erfreuen nach wie vor dicke Bratwürste in der Semmel und der Barbarenspieß - das sind aufgereihte, teigummantelte Fleischstücke - die Besucher. Aus Südtirol gibt es Knödel und Mehlspeisen, im "Badischen Backheisl" Flammkuchen, am Stand mit indischem Hühner- und Lammcurry bildete sich am Samstag schon kurz nach Öffnung des Uferlos eine Schlange. Allerdings konnte man sich da noch einen Platz im großen Biergarten aussuchen, während abends Sitzplätze zur Mangelware wurden. Neben den kulinarischen Verführungen gibt es ein breites Angebot an Silberschmuck, Taschen aller Art, Töpferwaren und bunter Kleidung, die zum Festival dazu gehören und zum Schauen und Bummeln einladen.

Das Allerwichtigste ist die entspannte Atmosphäre auf dem Uferlos, wie Amelie unter dem Tipi nach dem ersten Abend resümierte und damit sicher für viele sprach. Die Gäste seien gut drauf, alle fühlten sich wohl, lautete ihr Fazit.

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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