Brückenbau im Katastrophengebiet:"Man liegt dort im Dreck und muss sich orientieren"

Brückenbau im Katastrophengebiet: Florian Wigger, Brückenbauer beim THW, kontrolliert Brückenteile auf dem Hilfswerk-Gelände in Freising.

Florian Wigger, Brückenbauer beim THW, kontrolliert Brückenteile auf dem Hilfswerk-Gelände in Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

Florian Wigger vom Technischen Hilfswerk hat den Bau einer Behelfsbrücke in Bad Neuenahr-Ahrweiler unterstützt - harte Arbeit im stark vom Hochwasser zerstörten Gebiet.

Von Henrike Adamsen, Freising

Brückenbau im Katastrophengebiet: Einer Aufgabe, die viel abverlangt, stellt sich Florian Wigger, Ingenieur für Luft- und Raumfahrt, mit 22 Jahren Berufserfahrung und einer Faszination für Großbauten. Im Gespräch mit der SZ blickt er auf den erfolgreichen Einsatz und die Zusammenarbeit mit anderen Ortsverbänden in Bad Neuenahr-Ahrweiler zurück.

SZ: Herr Wigger, Sie waren mit Ihrem Team der Freisinger Brückenbauer sechs Tage in Bad Neuenahr-Ahrweiler, um eine Behelfsbrücke neben der zerstörten Landgrafenbrücke aufzubauen. Mit was für einem Gefühl reist man zu so einer Mammutaufgabe?

Florian Wigger: Im ersten Schritt ist man ein Stück weit nervös. Wir wissen sehr gut, welche Brücken wir bauen müssen, und was wir dabei haben müssen, um sie zu bauen. Aber die Situation vor Ort aus der Ferne einzuschätzen, ist schwierig und da reist man eben mit einer gewissen Erwartung und einer gewissen Aufregung an.

In welchen Schritten baut man so eine Behelfsbrücke? Wie lange kann man sie nutzen?

Der erste Schritt ist immer eine Erkundung, in der festgestellt wird, ob wir dort eine Brücke bauen können, indem man vermisst, wie breit Ufer und Fluss sind. Man klärt, welche Fahrzeuge über diese Brücke fahren müssen, denn das hat Einfluss auf die Brückenbauart und die Brückenklassen. In unserem Fall dürfen Lastwagen über die zweispurige Brücke fahren. Danach kann man den Behelfsbrückentyp auswählen, wir haben uns für die so genannte D-Brücke entschieden.

Parallel dazu wird der Baubereich vorbereitet, das heißt es wurde erst einmal großflächig geräumt. Die Brücke selbst wird auf einer so genannten Rollenbahn gebaut. Diese muss eingemessen und auf einem gewissen Untergrund eingebaut werden. Ganz wichtig ist auch der Fundamentbau, denn diese braucht es einfach für Brücken in dieser Größenklasse - und dann kann man die Brücke bauen. Wir gehen aktuell von einer Standzeit von mindestens einem Jahr aus. Das sind auch unsere Erfahrungen mit anderen eingestürzten Brücken, die wir ersetzt haben.

Sie müssen uns wohl einen kurzen Crash-Kurs zum Brückenbau geben. Was bedeutet eine Brücke vom Typ D?

Die Behelfsbrücken, die das THW bauen kann, bestehen aus vorgefertigten Stahlelementen, die dann durch uns montiert werden. Da gibt es in unserem Einsatzbereich zwei Typen, die wir einsetzen. Das ist einmal der Typ "Bailey", das ist ein relativ einfaches System und gibt es schon seit einigen Jahrzehnten. Das andere System der Firma Krupp nennt sich D-Brücke und das sind Dreiecke, die da miteinander verbunden werden.

Dort, wo die Brücke auf den beiden Landseiten aufliegt, mussten Sie zum Teil in dem engen Zwischenraum zwischen Brücke und Boden arbeiten. Wie hält man das aus, wenn man weiß, dass mehrere Tonnen Stahl über einem schweben?

In der Situation war die Brücke gesichert und sie konnte sich nicht mehr bewegen. Das Gefühl, dass etwas einstürzen konnte, hatten wir also nicht. Aber an der Stelle ist es sehr eng, da darf man keine Platzangst haben. Man liegt dort im Dreck und muss sich orientieren, sich bewegen und aufpassen, dass man sich nicht selber weh tut. Da ist man sicherlich unter Strom. Die Kameraden, die unter der Brücke lagen, sind vorher extra gefragt worden, ob sie die Aufgabe wirklich machen wollen. Dann arbeitet man zwei, drei Stunden unter der Brücke und hinterher ist man sehr, sehr glücklich und froh und bekommt auch die Rückmeldung aus der Mannschaft: "Wow, dass ihr das geschafft habt".

Das Ahrtal rund dreieinhalb Wochen nach der Flut

Das Ahrtal rund dreieinhalb Wochen nach der Flut - samt der Behelfsbrücke, die in Bad Neuenahr vom Technischen Hilfswerk (THW) an der Stelle errichtet wurde, an der die Markgrafenbrücke von der Flut zerstört wurde.

(Foto: dpa)

Das Freisinger Team war mit zehn Leuten im Einsatz, insgesamt waren es um die 60 Helfer: Wie funktioniert die Abstimmung untereinander?

In dem Fall sehr gut. Wir haben im Schichtbetrieb gearbeitet, das heißt, es waren nicht immer 60 Personen auf der Baustelle, sondern im Schnitt 30. Wir haben die linke und rechte Seite der Brücke noch mal aufgeteilt, sprich 15 Helfer auf jeder Seite. Und jeder dieser Helfer hatte einen Schichtführer, der verantwortlich für den Bau in der Schicht ist. Diese stimmen sich untereinander ab und natürlich nach oben mit dem Brückenbauleiter, der die Gesamtverantwortung für die Baustelle trägt.

Bei den ganzen anstrengenden Arbeiten, ist es da schwierig die gute Stimmung aufrecht zu halten oder überwiegt das "Teamwork"-Gefühl?

Bei dem Einsatz hat ganz eindeutig das Teamwork überwogen und der Wille, hier etwas kurzfristig auf die Beine zu stellen und der Bevölkerung vor Ort zu helfen. Jeder war höchst motiviert, sonst hätten wir das in diesem kurzen Zeitraum niemals geschafft. Ein großes Lob gilt den Mannschaften, die zusammen gewürfelt waren aus verschiedene Ortsvereinen und sich zum Teil vorher noch nicht kannten.

Sie sind Gruppenführer der Fachgruppe Brückenbau. Wie lange arbeiten sie schon für das THW in Freising und was hat sie überhaupt zum Brückenbau verschlagen?

Ich bin seit 22 Jahren beim Technischen Hilfswerk, davon 20 Jahre beim THW in Freising. Ich bin Ingenieur, zwar für Luft- und Raumfahrt, aber die Nähe zu großen Bauten, zur Technik sowie zur Montage und Planung, das ist, was mir Spaß macht und was mir liegt. Unsere Fachkenntnis im Brückenbau ist deutschlandweit eine sehr einmalige Geschichte. Darin besteht für uns auch die Motivation dahinter, denn das ist etwas, mit dem wir uns abheben können.

Hatten sie schon viele solcher Einsätze oder war das die erste Typ-D Behelfsbrücke, die sie für das THW mit aufgebaut haben?

Den Typ D haben wir auch schon im Rahmen von technischen Hilfeleistungen aufgebaut, im Rahmen eines alarmierten Einsatzes war das für uns in Freising aber die erste. Allerdings haben wir vor fünf Jahren in Simbach nach der Flutkatastrophe auch drei Brücken und eine vierte in Passau innerhalb kürzester Zeit aufgebaut. Alle im Team haben also schon mal eine Brücke gebaut, manche sind so lange dabei wie ich. Es hat sich in dem ganzen Zeitraum keiner der 60 Beteiligten auf der Baustelle verletzt, das spricht für die Erfahrung, die wir mitbringen.

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