Zum Tag des Buches:Von Selbsthilfe bis Unterhaltung

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Am 23. April ist Tag des Buches - der gestaltet sich in diesem Jahr etwas anders als sonst. (Foto: Alfonso Morales/Unsplash)

Sonderaktionen, die es sonst zum Welttag des Buches gibt, müssen heuer ausfallen. Aber auch in den Buchhandlungen im Landkreis merkt man, dass die Leute coronabedingt mehr Zeit zum Lesen haben. Gefragt sind Garten-, Koch- und Wanderbücher, aber auch Krimis.

Von Laura Dahmer und Thilo Schröder, Freising

Am 23. April ist Welttag des Buches. Für Freisinger Buchhandlungen heißt das normalerweise: Es gibt besondere Aktionen, Schulklassen kommen zu Besuch. Aber obwohl aktuell, so auch das Gefühl in Freising, wegen des Lockdowns mehr Menschen Zeit zum Lesen haben und mal wieder zu einem guten Buch greifen, werden vier Buchhändlerinnen aus Freising, Moosburg und Neufahrn den Tag verbringen wie jeden anderen zurzeit auch. Mit der Süddeutschen Zeitung haben sie darüber gesprochen, wie es ihnen gerade geht - und was die Menschen gerne lesen.

"Prinzipiell wurde der Versand - online und telefonisch - sehr gut angenommen", sagt Jutta Ederer. Das könne entstandene Verlust aber nicht ausgleichen, so die Freisinger Filialleiterin von Bücher Pustet. "Die Kunden fragen jetzt schon am Telefon: Können wir die Bücher schon abholen? Und ich sage: Nein, erst am Montag." Zuletzt sei bei Jugendbüchern viel Schul- und Beschäftigungsliteratur gekauft worden. Im Erwachsenenbereich dagegen: Wanderbücher, Unterhaltung, historische Romane. "Viel gekauft wurde 'Middle England' von Jonathan Coe, da geht's um den Brexit. Da wird man daran erinnert, dass es auch noch andere Probleme gibt." Außerdem Bestseller wie "Das Gewicht der Worte" von Pascal Mercier, "Das Haus der Frauen" von Laetitia Colombani. Und "Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit" von Rutger Bregman. "Einen klaren Trend kann ich da nicht erkennen", sagt Ederer. "Der Schwerpunkt geht vielleicht so ein bisschen Richtung Lebenshilfe, philosophisch, in sich kehrend."

Bei Bücher Pustet fragen die Kunden schon jetzt telefonisch nach, wann sie wieder kommen können. (Foto: Johannes Simon)

Ederer ist gespannt, wie es jetzt wirklich weitergeht, "gespannt optimistisch". Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigten: Es gebe keine Schlangen in den ersten Tagen nach der Wiedereröffnung. "Bei uns dürfen nach den neuen Regelungen 19 Personen rein." Sie gehe davon aus, dass viele kürzer verweilten, gezielter suchten. "Es wird vermutlich nicht so das Schmöker-Erlebnis sein. Leute werden Handschuhe mitbringen. Wir können ja nicht jedes Buch ständig desinfizieren." Die Schulklassenaktionen zum Welttag des Buches entfielen dieses Jahr, bestellte Bücher bekämen die Klassen trotzdem.

Normalerweise verteilt Gabriele Kellner Bücher in ganz Moosburg

Dass heute Welttag des Buches ist, macht Gabriele Kellner fast traurig. Normalerweise hat die Inhaberin von "Barbaras Bücherstube" viele Aktionen rund um diesen Tag geplant: Einen Monat lang kommt jeden Morgen auch zu ihr in den Laden eine Schulklasse und bekommt Bücher geschenkt. Außerdem verteilt Kellner überall in Moosburg Bücher, auf Parkbänken, am Bahnhof und in anderen Ecken der Stadt. Wer eins findet, darf es behalten und über einen Zettel im Deckel an die Buchhandlung mitteilen, wo es lag.

Tobias Weiskopf, 22, Allershausen (FDP): "Mein Lieblingsbuch ist "Verbrechen" von Ferdinand von Schirach. Für mich ist er der beste Autor, weil er es schafft, dass man Sympathien für den größten Verbrecher hat. Es ist ein Buch mit Kurzgeschichten und damit perfekt vor dem Schlafen gehen, weil man ein oder zwei lesen kann. Manchmal werden daraus auch vier oder fünf, weil Schirach einen so fesselt, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte, obwohl einem schon fast die Augen zu fallen." (Foto: privat)

All diese Dinge fallen in diesem Jahr weg oder mussten zumindest verschoben werden. Stattdessen sitzt die Buchhändlerin den ganzen Tag an Telefon und Laptop und arbeitet die Bestellungen aus ihrem Onlineshop ab. "Den gab es schon vorher, aber da musste man die Bücher noch selbst im Laden abholen", erzählt Kellner. Das hat sie umgestellt und liefert jetzt über einen Großhandel direkt nach Hause. "Das läuft gut, wir haben einige Neukunden aus Landshut, Freising und München dazugewonnen." Und weil es so gut läuft, hat Kellner selbst im Moment überhaupt keine Zeit zum Lesen. Trotzdem weiß sie, welche Bücher verstärkt gekauft werden: "Kochbücher", bemerkt sie lachend. "Und viele Kinderbücher, Lernhilfen und Unterhaltung gleichermaßen." Die Buchhändlerin freut sich sehr, dass viele während der Coronakrise nicht nur zur Fernbedienung greifen, sondern eben doch mal wieder zu einem guten Buch.

Ihr aktuelles Lieblingsbuch? "Der Klang des Herzens von Jojo Moyes", sagt Verena Deckner. Sie leitet den Buchhandel "Verena liest" in Neufahrn. "Es ist ein leichtes, aber wunderschön geschriebenes Buch, das in Zeiten wie diesen gute Ablenkung bietet." Sie selbst habe gerade viel Zeit zum Lesen. Am liebsten sind Deckner Kinderbücher, aber auch sonst muss sie sich immer einen guten Überblick verschaffen, was es aktuell gibt, und liest sich deshalb quer durch viele unterschiedliche Genres. In ihrem Onlineshop, den sie gemeinsam mit dem Buchverband "genialokal" betreibt, gehen gerade besonders Gartenbücher gut über die virtuelle Theke. "Ansonsten hat sich das Leseverhalten nicht großartig verändert", ist ihr Gefühl.

Susanne Günther, 47, Freising (Grüne): "Mein Lieblingsbuch? Jedes Jahr ein anderes. Derzeit sind es Bücher von Jorge Zepeda Patterson. Schon "Die Korrupten", sein erstes Buch, war total genial, toll übersetzt. Ein gesellschaftskritischer Thriller." (Foto: privat)

Die Buchhändlerin freut sich, am Montag endlich wieder öffnen zu können. "Ich habe schon einen schönen, großen Stapel an Büchern bereit liegen, den Leute aus der Umgebung zum Selbstabholen bestellt haben", sagt sie. "Ich glaube, viele freuen sich darauf, mal wieder raus zu kommen und in meine Buchhandlung zu können. Auf der Straße werde ich oft gefragt, wann ich wieder öffne, manche haben sich schon Einkaufslisten gemacht, die sie abarbeiten wollen."

Mehr Klassiker, mehr Reiseberichte

"Wir haben gemerkt, dass die Leute die frei gewordene Zeit zum Lesen nutzen: zum Abschalten, aber auch um Klassiker zu lesen, die sie schon lange interessiert haben", sagt die Rupprecht-Geschäftsführerin Maria Rupprecht. Auch Reiseberichte oder Wanderkarten seien mehr gekauft worden. Erwachsene suchten meistens spannende Krimis zum Abschalten. Ihr eigenes Lieblingsbuch wechsele ständig, gerade habe sie "Die Büglerin" von Heinrich Steinfest gelesen. "Der schreibt ganz toll."

Auch Rupprecht konstatiert einen Online-Zuwachs, der entstandene Verluste aber nicht auffange. "Zwei Tage vor der Schließung", erinnert sie sich, "war ganz viel los in den Buchhandlungen. Da hat man gemerkt: Für viele ist es ganz schwer, darauf verzichten zu müssen". Bei der Wiedereröffnung werde es Schutz an den Kassen geben, Abstände müssten eingehalten, die Zahl der Leute begrenzt werden. "In unseren Filialen in Baden-Württemberg haben wir die Erfahrung gemacht, dass gleich um neun Uhr morgens Leute vor der Tür stehen. Aber alle sind ganz vorsichtig und umsichtig."

Man solle als Buchhandlung jetzt nicht zum Verweilen einladen. "Wir haben deshalb Sitzmöbel oder Spielecken abgesperrt. Eine Buchhandlung war ja immer ein Treffpunkt, das wird hoffentlich über kurz oder lang wieder so."

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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