Tag der Organspende:"Entweder ist wahnsinnig viel Egoismus in diesen Leuten oder wahnsinnig viel Angst"

Tag der Organspende: Am 4. Juni ist Tag der Organspende. Noch immer warten viele Menschen auf ein Spenderorgan, weil nicht genügend Menschen einen Organspendeausweis unterschreiben.

Am 4. Juni ist Tag der Organspende. Noch immer warten viele Menschen auf ein Spenderorgan, weil nicht genügend Menschen einen Organspendeausweis unterschreiben.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Viele Menschen tun sich immer noch schwer mit der Entscheidung, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden, obwohl sie damit Leben retten könnten. Roland Kittmann möchte die Unschlüssigen überzeugen und startet darum eine ganz besondere Aktion.

Interview von Charline Schreiber, Freising

Vor zehn Jahren hat Roland Kittmanns Lebensgefährtin nach langer Krankheit eine Spenderniere erhalten. Es war eine Chance auf Leben, von der sich Kittmann wünscht, dass sie noch viel mehr Menschen haben. Immer wieder stellt er fest, dass sich die Menschen beim Thema Organspende unschlüssig sind. Eigentlich ist Kittmann Mathematiker. Mit dem Freisinger Verein "Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten", dem auch seine Partnerin angehört, stellt er sich aber am kommenden Samstag, zum Tag der Organspende, in die Freisinger Innenstadt. Er möchte die Zweifelnden mit einer Spendenaktion überzeugen und hofft, damit einen Dominoeffekt auszulösen.

SZ: Herr Kittmann, am kommenden Samstag ist Tag der Organspende. Warum liegt Ihnen das so am Herzen?

Roland Kittmann: Das Interview der SZ aus dem letzten Jahr zum Tag der Organspende hat mich sehr berührt und das tut es auch jetzt noch. Meine Partnerin, wir sind jetzt seit eineinhalb Jahren zusammen, die lebt. Aber eigentlich wäre sie tot. Sie war austherapiert, die Dialyse hat nicht mehr angeschlagen. Und wenn sie keine Niere bekommen hätte, wäre sie heute nicht mehr hier. Sie müssen sich das vorstellen: Die Person, die sie lieben, gebe es nicht, wenn nicht jemand seine Organe gespendet hätte. Nur durch diese Organspendeausweise können die Menschen auch nach ihrem Tod noch etwas Gutes tun.

Tag der Organspende: Roland Kittmann, Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten Freising.

Roland Kittmann, Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten Freising.

(Foto: Privat)

Warum schrecken dann so viele Menschen vor der Organspende zurück?

Ich habe mit guten Freunden darüber gesprochen. Ich konnte teilweise nicht einmal die überzeugen, einen Organspendeausweis zu unterschreiben. Die Angst der Menschen, auch wenn sie schon hirntot sind, etwas herzugeben, was sie vielleicht doch noch am Leben halten könnte, ist groß. Die Skepsis, dass Ärzte sie für tot erklären, obwohl sie vielleicht noch eine einprozentige Chance haben, werden diese Menschen nicht los. Aber für diese minimale Überlebenschance, die es ganz vielleicht gibt, wenn überhaupt, drei oder vier Menschenleben zu opfern? Nein. Entweder ist wahnsinnig viel Egoismus in diesen Leuten oder wahnsinnig viel Angst.

Verurteilen Sie Menschen, die sich bewusst gegen eine Organspende entscheiden?

Ich möchte da kein Urteil fällen. Aber nachvollziehen kann ich es nicht. Es ist einfach wichtig Menschen zu motivieren, einen Organspendeausweis zu unterschreiben.

Am Samstag stellen Sie sich mit der Freisinger Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten auf den Parkplatz vor den Schlüterhallen, in der Münchner Straße 32, von 9 Uhr bis 13 Uhr. Sie spenden für jeden Menschen, der sich einen Organspendeausweis mitnimmt und unterschreibt, einen Euro.

Den Erlös möchte ich an den "Förderkreis für nierenkranke Kinder, München e.V." spenden. So können die Menschen ihre Skepsis vielleicht überwinden und zwei gute Dinge tun: Ich spendiere das Geld und die Leute werden Organspender. Wenn ich die Menschen, die noch letzte Zweifel haben, so überzeugen kann, dann wäre das toll. Die Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten teilt jedes Jahr Spendenausweise aus. Ich habe mir aber gedacht: Es reicht nicht, nur die Ausweise auszuteilen, er muss ja auch unterschrieben werden. Entweder überzeuge ich die Person vor Ort und ich werfe direkt einen Euro in die Spendenkasse. Oder der Interessent schreibt uns kurz unter www.dia-tx.de/index.php/kontakt, dass er einen Spenderausweis unterschrieben hat. Und dann spende ich den Euro im Nachhinein.

Aufklärung zum Thema Organspende ist nichts, was einem täglich vor die Füße gespült wird. Sollte die Politik durch die Widerspruchslösung Menschen dazu motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Natürlich wäre das gut. Aber die Politik macht jetzt seit 20 Jahren Anläufe, ich verfolge das schon länger. Auch schon bevor ich jemanden kannte, der ein Transplantat in sich trägt. Es ist schade, dass die Widerspruchslösung nicht zum Tragen kommt. Aber es ist nun mal so. Und wenn Leute wie Sie und ich das publik machen können, dass wir viel mehr Organspender brauchen, dann bringen wir das wie in so einem Schneeballsystem ins Rollen. Wir können uns nicht immer auf die Politik verlassen. Ich bin überzeugt, dass sich dann auch andere Vereine einschalten, und eventuell eine ähnliche Aktion starten, um Leute zu motivieren Organspendeausweise zu unterschreiben. Das, was die Politik nicht schafft, können wir auch mit eigenem Engagement schaffen.

Sie sagten Ihre Partnerin hat selbst eine transplantierte Niere. Wie präsent ist das in Ihrem Leben?

Zehn Jahre befindet sich jetzt die Niere in ihrem Körper. Das haben wir groß gefeiert. Es ist uns und ihr sehr bewusst. Ich habe viele Leute kennengelernt, die zur Dialyse gehen. Die Menschen leiden, jede Woche müssen sie dahin, um zu überleben. Jede Woche ist denen bewusst, dass sie sehr viel besser leben könnten, wenn nur mehr Menschen Organspender wären.

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