Süddeutsche Zeitung

Freising:Wie drei kleine Störche umsorgt werden

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Ein Freisinger Storchenpaar zieht Jungtiere auf der ehemaligen Versuchsbrennerei in Weihenstephan auf - und nicht nur ihre Eltern kümmern sich rührend um ihr Wohlergehen. Damit sie sich nach dem vielen Regen nicht erkälten, wird mit Hilfe der Feuerwehr sogar trockenes Heu angeliefert.

Von Kerstin Vogel, Freising

Ein bisschen misstrauisch lugt er schon herab, der Storch, wie er da oben in seinem Horst steht, unbeweglich - aber wachsam. Unten vor der ehemaligen Versuchsbrennerei am Weihenstephaner Berg ist tatsächlich mehr los als sonst, ein Fahrzeug der TU-Werksfeuerwehr ist an diesem Dienstag angerückt, das neue mit der langen Leiter und der Hubrettungsbühne, denn tatsächlich will man an diesem Tag etwas von dem Storch - genauer von seinen Nachkommen.

Gleich drei sind es in diesem Jahr, das ist sehr gut. Zuletzt saß oft nur ein Küken in dem Horst, 2020 gab es gar keinen Nachwuchs. Heuer also drei. Man hatte das schon gesehen in der eigens vor dem künstlichen Nistangebot installierten Webcam. Die Technik erlaubt rund um die Uhr einen Blick in das Nest, sehen können das allerdings nur wenige. Die Kamera darf nicht öffentlich geschaltet werden, da hat die IT-Sicherheit der TU Weihenstephan etwas dagegen. Zu leicht könnte sich hier Hackern ein Einfallstor bieten.

Die Beringung ermöglicht einen Überblick

An diesem Tag steht die Beringung der drei Jungstörche an, deswegen der menschliche Besuch in luftiger Höhe, das ist wichtig, um einen Überblick zu behalten, wie sich die Population entwickelt. Viele Jahre waren die Bestände des Weißstorchs in Deutschland ständig zurückgegangen. Erst in den vergangenen Jahren haben Maßnahmen der Naturschützer wieder für einen Aufwärtstrend gesorgt.

Auch bis der Horst auf der Brennerei angenommen wurde, hat es gedauert. Vor Jahren schon habe man zusammen mit dem Bund Naturschutz das Nistangebot für Störche in der alten Sirenenanlage auf dem Dach eingerichtet, schildert Michael Weißwange vom Gebäudemanagement Weihenstephan. Man habe sogar weiße Farbe auf dem Dach verteilt, um Hinterlassenschaften anderer Störche zu simulieren und den Horst damit für Artgenossen als geeigneten Nistplatz erscheinen zu lassen, ergänzt Robert Tafertshofer, der für das Immobilienmanagement der TU in Weihenstephan arbeitet - trotzdem habe es zehn Jahre, bis 2018, gedauert, bis dieses Wohnangebot der besonderen Art angenommen worden sei, erinnern sich die beiden.

Auch durch Dachdeckerarbeiten lassen sich die Störche nicht stören

Seit ein paar Jahren aber haben sich die Störche auf der alten Versuchsbrennerei eingerichtet, lassen sich mittlerweile sogar von Dachdeckerarbeiten und ähnlichen Aktivitäten nicht mehr verschrecken - und auch die Störung durch die Beringung können die Tiere ganz gut verkraften, wie Weißwange sagt. Das Elterntier, das gerade im Horst sitzt, hebt dann zwar ab und zieht misstrauisch in sicherer Entfernung seine Kreise. Die Jungtiere aber ducken sich bei Gefahr im Verzug ab - und lassen die Prozedur dann einfach über sich ergehen. Dass nachher vielleicht der Geruch von Menschen an ihnen haftet, ist anders als bei vielen Wildtieren bei Störchen kein Problem. Kaum ist der Feuerwehrkorb wieder auf dem Weg nach unten, kehrt das Elterntier in den Horst zurück, als wäre nichts gewesen.

Bei aller Fürsorge der Weihenstephaner Immobilien- und Gebäudeverwalter - Namen haben sie den Jungtieren noch nie gegeben, wie sie sagen, und so wird auch das Trio aus diesem Jahr wie üblich nur unter Nummern geführt werden: A3x35, A3x36 und A3x37 steht auf den Ringen, die Clemens Krafft, der Beauftragte des Landesbundes für Vogelschutz, an diesem Tag mit geübten Handgriffen an den Storchenbeinen angebracht hat. Er ist inzwischen in dem Korb der Feuerwehr zu dem Horst hinauf gebracht worden, zusammen mit zwei Helfern und einer Fotografin, die das Geschehen dokumentiert.

Die Jungstörche sollen sich keinesfalls erkälten

Außer den Ringen hat Krafft einen großen blauen Sack dabei mit trockenem Heu, denn es hat so viel geregnet in den vergangenen Tagen, dass in dem Horst schon eine Art Matschbett entstanden ist. Die Jungstörche aber sollen sich auf gar keinen Fall erkälten, das könnte ihnen auch jetzt noch zum Verhängnis werden. Sie sollen es möglichst warm und trocken haben da oben in ihrem Nest. Zum Glück habe es zuletzt zwischendrin immer wieder trockene Phasen gegeben, schildert Krafft, denn wenn es während der Aufzucht in dieser Jahreszeit dauerhaft regne, dann sei das für die Jungstörche "doppelt blöd". Nicht nur, dass es dann nass und kalt sei im Horst und Unterkühlung drohe, die Eltern fütterten auch nur bei Trockenheit.

So wie es jetzt aussieht, haben die drei Freisinger Jungstörche allerdings alle Chancen, die Aufzucht gut zu überleben. Die Elterntiere wechseln sich fürsorglich ab bei der Fütterung, hat Tafertshofer beobachtet. Die beiden klatschten sich förmlich ab: Der eine kommt mit Nahrung zurück in den Horst, schon macht sich der andere auf den Weg, um Nachschub zu holen, wobei Tafertshofer den Verdacht hat, dass es auch ein bisschen der Bewegungsdrang ist, der die Elterntiere da überfällt, schließlich verbringen sie die meiste Wartezeit stehend.

Fünf bis sechs Wochen sind die Weihenstephaner Storchküken nun alt, schätzt Vogelexperte Krafft. Mit acht oder neun Wochen würden sie üblicherweise den Horst verlassen und zunächst ins Freisinger Moos übersiedeln, wo sie von den Elterntieren nach und nach lernen, wie man sich als Storch selber ernährt. In den Horst kehren sie dann nur noch nachts zurück - und irgendwann gar nicht mehr; bis die Wohnung auf der alten Brennerei im nächsten Jahr dann wieder von einem Storchenpaar bezogen wird.

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