Süddeutsche Zeitung

Freisinger Sportvereine:Zu wenig Trainingsmöglichkeiten

Sportvereine im Landkreis kämpfen mit vielschichtigen Problemen, am meisten machen ihnen eingeschränkte Trainingszeiten für den Nachwuchs zu schaffen. In Freising hoffen viele auf die neue Halle im Steinpark.

Von Tobias Meindl, Freising

Eigentlich könnte die Situation kaum besser sein. Im Vereinsregister der Stadt Freising stehen rund 80 verschiedene Vereine, die Auswahl reicht von der SG Gemütlichkeit Freising-Neustift über Tauchvereine bis hin zu Bundesligisten, wie dem Baseballverein der Freisinger Grizzlies. Die meisten Jugendabteilungen haben keine Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden, die Nachfrage ist groß. Probleme hat ein Großteil der Vereine aber mit der Hallen- und Trainersituation. Die Verantwortlichen nennen dies als Grund für die immer häufiger vorkommenden Wartelisten und Aufnahmestopps im Jugendbereich.

Dabei spielen vor allem die Trainingszeiten eine zentrale Rolle. Trainingsstätte des Schwimmvereins SV'77 Neufahrn ist das Neufun. Vorsitzender Markus Kaitschick bekommt dort an drei Tagen Wasserzeiten zugesprochen. Montagabend hat er alle fünf Bahnen zur Verfügung. Dienstags und donnerstags sind es jedoch nur zwei, was zur Folge hat, dass nur eine begrenzte Zahl Jugendlicher am Training teilnehmen kann. Folglich sieht sich der Verein gezwungen, im Kinder- und Jugendbereich eine Warteliste zu führen. Kaitschick sagt dazu: "Ich kann nicht 20 Kinder auf einer Bahn schwimmen lassen, das geht auch für die Trainer nicht mehr."

Der Eiskunstlaufverein Freising hat ein ähnliches Problem, er kann die Eishalle, die Weihenstephan-Arena, unter der Woche nur von 13 bis 15 Uhr nutzen, da abends der etablierte Eishockeyverein trainiert. In diesem Zeitfenster hat Bianca Leitenberger nur zwei ihrer ehrenamtlich arbeitenden Trainer zur Verfügung, da sich nicht jeder seine Arbeitszeit flexibel einteilen kann. "Dafür kommt die Halle am Wochenende an ihre Grenzen. Da stehen dann auch mal 100 Leute auf dem Eis", erzählt Leitenberger, die aufgrund dieser Probleme derzeit keine weiteren Mitglieder aufnehmen kann.

Teils muss das Training auf mehrere Hallen verteilt werden, es gibt Probleme mit Wettkampfterminen und Aufnahmestopss

Beim Tischtennisclub Freising-Lerchenfeld ist die Hallengröße der limitierende Faktor, da nur maximal zehn Tische Platz haben. Dies führte 2017 auch hier zu einem Aufnahmestopp, wie Jugendleiterin Karolin Klimm erzählt.

Teilweise sind Vereine dazu gezwungen, ihr Training auf verschiedene Hallen zu verteilen, um zu gewährleisten, dass es regelmäßig stattfinden kann. Komplikationen gibt es auch bei der Verteilung der Wettkampftermine, da mehrere Vereine auf dieselbe Halle angewiesen sind.

Hans Reisch, Vorsitzender des Judoclubs Freising, beschreibt die aktuelle Hallensituation als "sehr bescheiden". Grund dafür sei, dass die Schulturnhalle der Grund- und Mittelschule Neustift die Wettbewerbsanforderungen nicht erfülle und man somit gezwungen sei, für Wettkämpfe in die Sporthalle des BC Attaching auszuweichen. Das führe nicht nur zu organisatorischem Aufwand, sondern auch zu höheren Kosten, da man die teuren Judomatten für beide Standorte zur Verfügung stellen müsse, erklärt Reisch.

Er setzt vor allem auf die neue Dreifachturnhalle, die am Steinpark entstehen wird, und hofft, diese in Zukunft nutzen zu können. Allgemein bezeichnet Reisch die Hallenbelegung als das wahrscheinlich schwerwiegendste Problem aller Vereine im Landkreis.

Die Stadt Freising kennt das Problem und hat einen Sportentwicklungsplan erarbeitet

Michael Barsuhn vom Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung (Inspo) lobt jedoch das Engagement der Stadt Freising. Er sieht eine gute Grundlage, um die Handlungsempfehlungen des Sportentwicklungsplans, den er zusammen mit einem Projektteam und in Kooperation mit der Stadt Freising im Februar dieses Jahres erarbeitet hat, umzusetzen. Er betont: Freising sei sich der Situation bewusst und habe bereits Hallenplanungen auf den Weg gebracht, um einen Ausgleich zu schaffen. "Dies ist eine besondere Situation, die der Stadt Freising einen großen Vorteil im Vergleich zu anderen Städten verschafft", erklärt er weiter. Wichtig sei es nun, bei der Umsetzung die nächsten Schritte zu gehen.

Auch Armin Hegen, Sportdirektor der Freising Grizzlies, äußert sich positiv über die Entwicklung der Hallensituation und sagt: "Es geht schon. Wir haben hier in Freising keinen Notstand und die Stadt bemüht sich." Er kämpfe in seinem Verein hauptsächlich mit dem Trainernachwuchs, da es ab einem bestimmten Niveau nicht einfach sei, qualifizierte Trainer zu finden. "In der heutigen Zeit spielen viele Kinder bereits im Grundschulalter auf einem sehr hohen Level und da reicht es nicht mehr aus, wenn die Eltern das Training übernehmen", erklärt Hegen. Zusätzlich sei das Regelwerk in der Sportart Baseball nicht allgemein bekannt. Somit sei es auch eine wichtige Voraussetzung, Trainer zu finden, die selbst aktive Baseballspieler waren. Folglich setzen viele Vereine bei der Trainersuche auf die eigenen aktiven Sportler, die bei Interesse direkt übernommen werden können. Nahezu alle Trainer arbeiten ehrenamtlich und bekommen eine Aufwandsentschädigung, die sogenannte Trainerpauschale. "Ich habe den Eindruck, dass es immer weniger gibt, die bereit sind, Verantwortung zu tragen und ehrenamtlich zu arbeiten", sagt Michaela Hain, Vorsitzende der Freisinger Ringer.

Probleme bereiten indirekt auch der Ausbau von Ganztagsschulen und die neue Datenschutzverordnung

Auch in der Bürokratie sehen viele Vereine ein Problem. Markus Kaitschick vom SV'77 Neufahrn nennt als Beispiel die neue Datenschutzgrundverordnung und bemängelt: "Wir können uns keinen Juristen leisten, der das für und macht und die Strafen bei einem Verstoß sind extrem hoch. Das ist alles andere als Ehrenamt-freundlich. Man hat das Gefühl, dass einem ständig Steine in den Weg gelegt werden."

Der Ausbau von Ganztagesschulen und die Tatsache, dass Schüler allgemein mehr Zeit in beziehungsweise mit der Schule verbringen und oft Nachmittagsunterricht haben, ist für einige Vereine ebenfalls problematisch, da dieser häufig mit den Trainingszeiten kollidiert und der Grund für eine schwindende Trainingsbeteiligung sein kann.

Hans Reisch vom Judoclub Freising bemängelt vor allem, dass Kinder und Jugendliche benachteiligt seien, denen es besonders schwer falle, gute Leistungen in der Schule zu erbringen und die dafür deutlich mehr Zeit investieren müssen. Markus Kaitschick ist jedoch bewusst, dass die schulische Ausbildung im Vordergrund steht. Hinzu komme, dass nicht jede Sportart so gefördert wird, dass ein Nebeneinander von Wettkampfsport und Schule möglich wird.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2019/lada
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