Freisinger SPD:Uneins über ihre neue Führung

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Nach der Wahl von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken diskutiert die Freisinger SPD über ihre neue Führung. (Foto: imago images/Emmanuele Contini)

Vor dem SPD-Bundesparteitag sind die Genossen in der Kreisstadt gespalten was ihr Spitzenduo angeht.

Von Thilo Schröder, Freising

Nach der Entscheidung der SPD-Basis, künftig von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken angeführt zu werden, treffen sich Delegierte am Freitag zum Bundesparteitag in Berlin. Dort soll das Duo formal gewählt werden. Mit Teresa Degelmann und Andreas Mehltretter sind auch zwei Freisinger Sozialdemokraten vertreten. Beide befürworten das Votum, genau wie der Freisinger SPD-Stadtverbandschef Markus Grill. Heftige Kritik kommt dagegen von Alt-Oberbürgermeister Dieter Thalhammer und Stadtrat-Fraktionschefin Heidi Kammler. Sie hätten lieber Olaf Scholz und Klara Geywitz an der Parteispitze gesehen.

"Wir brauchen einen Kurswechsel", sagt Teresa Degelmann. Die Partei habe in der großen Koalition zwar einiges vorangebracht. "Aber wir dürfen nicht den Kompromiss von Anfang an mitdenken." Die Partei müsse sich fragen: "Was wollen wir?" Und nicht: "Was ist umsetzbar?" Das neue Duo könne "der SPD die Glaubwürdigkeit zurückgeben", sagt Mehltretter.

Genau das Gegenteil sieht Alt-OB Thalhammer in dem Votum: "Die Glaubwürdigkeit der SPD leidet unter der Wahl", sagt er. Eine Mehrheit habe ja den jetzigen Koalitionsvertrag abgesegnet. Jetzt große Richtungsänderungen vorzunehmen oder gar aus der Koalition auszutreten, sei falsch. "Das ist keine Kontinuität in der Politik, das ist kein Stil." Gegen Nachverhandlungen habe er ja nichts, auch das neue Führungsduo respektiere er. "Aber dass die zur Spaltung der Partei beitragen, das geht nicht. Neues Profil ja, aber nicht so." Dass die Personaldiskussionen in der Partei mit der Vorstandswahl abbrechen, daran glaubt Dieter Thalhammer nicht. "Die Debatten werden weitergehen." Ähnlich äußert sich Heidi Kammler. "Ich hoffe, dass beim Bundesparteitag die richtigen Schlüsse gezogen werden. Die Welt ist so brüchig gerade, da kann man keine Experimente wagen." Insbesondere das Verhalten von Saskia Esken betrachte sie mit Argwohn. "Die scheint mir sehr kompromisslos." Auch Kammler sieht kein Ende der Personaldebatte, ihre Prognose ist sogar noch düsterer als die von Thalhammer: "Ich weiß ja nicht, ob die das nächste Jahr überstehen."

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Die zum Teil gegenteiligen Haltungen der Freisinger Sozialdemokraten verdeutlichen, was der Bundesverband eigentlich vermeiden will: eine innerparteiliche Lagerbildung. Nicht ohne Grund kandidiert die unterlegene Klara Geywitz als Vizeparteichefin. Einig sind sich die Kommunalpolitiker hingegen darin, dass die Partei eigene Erfolge, etwa die Grundrente oder den Mindestlohn, entweder kleinredet oder unzureichend an die Öffentlichkeit kommuniziert. Thalhammer spricht von einem "Vermarktungsproblem", Markus Grill in der Folge von einer "Spirale negativer Umfragewerte".

Wie nimmt aus ihrer Sicht das Umfeld in Freising die derzeitige Situation wahr? "Generell sehr positiv", sagt Mehltretter. "Recht unterschiedlich", sagt Teresa Degelmann. Beim Klimapaket sei "die Kritik schon sehr hochgeschlagen", räumt Mehltretter ein. Nachbesserungsbedarf sieht auch Heidi Kammler. Alle Befragten verweisen auf und befürworten die Möglichkeit, nachzuverhandeln, die 2017 im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Er sei "weiterhin ein Gegner, die große Koalition fortzusetzen", sagt Markus Grill. Dass das neue Duo stramm links sei, wie behauptet werde, sei aber falsch. Dennoch sei die Wahl ein "klares Signal der Basis gegen ein ,Weiter so' ". Der Frage, ob sie einen Austritt aus der Koalition unterstützen würde, weicht Teresa Degelmann aus, spricht lieber von der "großen Hoffnung, dass wir jetzt zu Sachthemen zurückkommen" und "dass man dem Ganzen eine Chance gibt".

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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