Freising:So normal wie möglich

Die Frühförderung der Lebenshilfe unterstützt Eltern mit behinderten Kindern, ihren Alltag zu bewältigen. Die Organisation ist dabei jedoch selber auf Spenden angewiesen

Lara Liese

- Bewältigung. Das ist für Eltern, die ein körperlich, geistig oder mehrfach behindertes Kind bekommen, der erste Schritt. Bewältigen, dass das Kind keine gewöhnliche Entwicklung durchlaufen wird.

Dabei und bei den weiteren Schritten unterstützt die Frühförderung der Freisinger Lebenshilfe die Eltern. Mitarbeiter aus dem medizinischen, pädagogischen und psychologischen Bereich arbeiten hier zusammen und stehen den Eltern auch bei alltäglichen Problemen mit Rat und Tat zur Seite: "Das sind Fragen wie: Wo werden meine anderen Kinder betreut, wenn ich mit einem länger ins Krankenhaus muss?", berichtet die Leiterin der Freisinger Stelle, Alexandra Eichinger.

Doch für solche Leistungen erhält die Frühförderung kein Geld - weder vom Bezirk Oberbayern, noch von den Krankenkassen. Deshalb, und weil die Nebenkosten in Freising höher sind als anderswo, ist die Frühförderung verschuldet, man ist auf Spenden angewiesen. "Wenn wir schließen müssten, wo sollten die 450 Kinder, die wir im Jahr betreuen, hin?", fragt sich Eichinger.

Zu diesen Kindern gehört Bastian aus Paunzhausen. Seit in seinem dritten Lebensjahr festgestellt wurde, dass er an der seltenen, kaum erforschten Krankheit Neurofibromatose leidet, war er drei Mal in der Woche bei der Frühförderung: Logopädie, Ergotherapie und Krankengymnastik. Ein Merkmal seiner Krankheit sind Tumore am Sehnerv, aufgrund derer Bastian kaum etwas sehen kann und womöglich erblinden wird. Dennoch versucht seine Mutter, sein Leben so normal wie möglich zu gestalten. Das ist auch Bastians größter Wunsch. Seit einem Jahr besucht der Siebenjährige die Adolf-Rebl Förderschule in Pfaffenhofen, jeden Tag um acht Uhr fährt seine Mutter ihn hin und holt ihn um zwölf ab.

Neben alltäglichen Problemen belasten seine Mutter bürokratische Schwierigkeiten: "Wenn man einen Antrag stellt, dauert es sehr lange, bis man überhaupt eine Antwort erhält", erzählt sie. Letztens habe sie die Rechnung für eine Leselupe eingereicht, von den 90 Euro wurde aber nur die Hälfte erstattet. Die Begründung: Im Internet hätte es die Lampe billiger gegeben. "Als Betroffener hat man doch nicht die Kraft und die Zeit dann herumzutelefonieren", sagt Silvia L..

Rund um die Uhr kümmern sie und ihr Mann sich um Bastian: Seine größte Angst ist es, alleine zu sein, und oft hat er nachts schlimme Albträume, deshalb schläft er seit Beginn der Chemotherapie im Bett seiner Eltern. Sein Onkel, seine Tante und seine Großeltern wohnen in den umliegenden Häusern und unterstützen die Familie: "Wir sind immer füreinander da und ich wüsste nicht, wie ich es sonst schaffen würde", sagt Bastians Mutter.

Auch der dreijährige Sami (Name geändert), der geistig und körperlich schwer behindert ist, wird bei der Freisinger Frühförderung betreut. Drei Mal in der Woche kommt er mit seiner Mutter zur Physiotherapie und Heilpädagogik in die Frühförderungsstelle. Insgesamt fährt seine Mutter sechs Mal wöchentlich in die Kesselschmiedstraße: Ihre beiden anderen Söhne im Alter von fünf und sieben Jahren sind ebenfalls förderbedürftig. Weil ihr Mann, der im Niedriglohnsektor arbeitet, jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit fahren muss, nimmt sie den Weg jedes Mal mit dem Bus auf sich. Und jedes Mal müssen alle Kinder mitkommen, weil die aus Palästina stammende Familie in Freising keine Freunde oder Verwandten hat, bei denen sie die anderen Söhne lassen könnte.

Karim (Name geändert), der älteste Sohn, hat es nach intensiver Betreuung in der Förderstelle an die Grundschule geschafft. Trotzdem hat er eine Lernschwäche und bräuchte eigentlich Hilfe bei den Hausaufgaben und beim Lernen. Die Mutter versucht ihr Bestes, um ihn soweit zu unterstützen wie sie kann, aber schon die Betreuung des jüngsten Sohnes, Sami, und die ständigen Fahrten zur Förderstelle fordern sie sehr. Für eine Nachmittagsbetreuung im Hort müsste die Familie monatlich 147 Euro bezahlen. Geld, dass die Familie M. einfach nicht hat. Sami, der jüngste, kann noch nicht laufen. Er krabbelt viel, wobei sich seine Kleidung schnell abnutzt, auch hierfür regelmäßig Ersatz zu beschaffen, ist für die Familie ebenfalls immer wieder eine große finanzielle Herausforderung.

Blinde und sehbehinderte Kinder im Zirkus Manege, 2006

Kindern mit Behinderung  ein weitgehend  normales Leben zu ermöglichen, ist eine der Aufgaben der Frühförderung. 

(Foto: CATH)
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