Geschichte der Seuchen in Freising:Lepra, Sumpffieber und Typhusepidemien

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Auch in Freising gab es seit dem Mittelalter so genannte Leprosorien, in denen Menschen mit ansteckenden Krankheiten separiert wurden. Diese speziellen Häuser lagen meist an Ausfallstraßen, um den Kranken das Betteln zu erleichtern.

Von Peter Becker, Freising

Die Corona-Pandemie hat den Landkreis Freising fest in ihrem Griff. Von Tag zu Tag steigt die Zahl der Infizierten. Manche sterben an der Krankheit. Die moderne Medizin hilft trotzdem, die Auswirkungen der Pandemie in Grenzen zu halten. In früheren Zeiten war das nicht so. Die hygienischen Verhältnisse erlaubten es Krankheitserregern, sich ungehindert zu verbreiten. Die medizinische Versorgung war schlecht. Lange Zeit wussten selbst Ärzte nicht, was genau die Krankheiten ihrer Patienten verursacht hatte. Erst im späten 19. Jahrhundert entdeckten Louis Pasteur und Robert Koch, dass bestimmte Mikroorganismen Infektionskrankheiten auslösen und wie sie zu bekämpfen seien. Die SZ-Serie beschreibt, welche Krankheiten immer wieder im Landkreis grassierten. Der dritte Teil ist den Infektionskrankheiten Lepra, Malaria und Typhus gewidmet.

Kaum vorstellbar ist es heute, dass es Lepra in Europa gegeben hat. Es ist eine Krankheit, die man eher in tropischen Gegenden vermutet. Aber die Erkrankung wurde laut Ulrich Knefelkamp, der den Leprosenhäusern im Historischen Lexikon Bayern einen Beitrag gewidmet hat, mit den Kreuzzügen nach Europa eingeschleppt. Wobei es heute schwierig ist, zu unterscheiden, ob es sich bei den entsprechenden Fällen tatsächlich um Lepra oder aber um eine andere Form von Hautausschlag gehandelt hat. Die mittelalterliche Gesellschaft sah jede Form von Aussatz als Strafe Gottes an. Die Betroffenen wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Um die Kranken besser unter Kontrolle zu halten, wiesen die Städte ihnen Siechhäuser oder Leprosorien zu. Diese sollten möglichst an Ausfallstraßen liegen, damit die Insassen Gelegenheit zum Betteln haben könnten. Laut dem ehemaligen Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge lag ein solches Leprosorium in Freising an der Steinmühle, etwa dort, wo sich jetzt das Vinzentinum befindet. Ein weiteres befand sich vor den Toren Freisings in Neustift, ziemlich genau an der Stelle, wo die Tuchinger von der Landshuter Straße abzweigt.

Das Leprosorium an der Steinmühle war eine gemeinsame Stiftung von Stadt und Kirche. Es an der Moosach zu situieren, machte nach damaligem Verständnis Sinn. "Der Fluss spült die Krankheit weg", erklärt Goerge. Ein Pfleger kümmerte sich um die Kranken. Für den geistlichen Beistand gab es eine Kapelle. Einmal im Jahr entsendete die Stadt einen Beauftragten, der Gericht halten sollte. Schließlich gab es Raufereien oder jemand hatte einem Mitinsassen das Essen gestohlen. Nach Wissen von Goerge mussten die Aussätzigen von Freising nicht mit einer Klapper herumlaufen, mit der sie andere Menschen vor ihrer Annäherung zu warnen hatten. Das Leprosorium an der Steinmühle gab es bis ins 18. Jahrhundert hinein. Es wurde später in eine Pfründehaus mit Spital umgewandelt, in das sich Bürger einkaufen konnten.

Nach Überschwemmungen von Amper und Glonn gab es immer wieder Fälle von Wechselfieber

Seltsam mutet es heutzutage an, dass es bis ins 19. Jahrhundert in Freising Malariakranke gab. Der ärztliche Jahresbericht des städtischen Krankenhauses in Freising weist für die Jahre 1855/56 sechzehn Patienten aus, die an Wechselfieber erkrankt waren. Reinhard Weber hat diese Statistik in seinem Aufsatz "Zum Medizinalwesen im Raum Freising im 19. Jahrhundert" in der Zeitschrift Amperland aufgeführt. Gemeint ist eine spezielle Form von Malaria, die in anderen Gegenden Deutschlands als Marschen- oder Sumpffieber bekannt war. Vor dem Hintergrund, dass weite Teile des Ampertals oder entlang der Isar lange Zeit Sumpfgebiet waren, ist dies plausibel. Weber schreibt, dass das Wechselfieber vor allem nach Überschwemmungen von Amper und Glonn auftrat. Spitzenjahre seien 1855/56 sowie 1859/60 und 1862/63 gewesen. Die Trockenlegung der Feuchtgebiete, der Bau von Deichen und Kraftwerken brachten die Ausbrüche von Wechselfieber gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zum Erliegen.

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Auch in der Stadt und im Landkreis Freising hat im 17. Jahrhundert die Pest gewütet - die Hygiene war schlecht, vor allem gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges hatten die Menschen kaum etwas zu essen. In den Kirchen zeugen Bilder der Pestheiligen von dieser schweren Zeit.

Von Peter Becker

Der ärztliche Jahresbericht des städtischen Krankenhauses Freising aus den Jahren 1855/56 weist außerdem 40 Personen aus, die an Typhus litten. Weitere 28 hatten "gastrisches Fieber", wobei es sich wohl um eine leichtere Form der Infektionskrankheit gehandelt haben mag. Eugen Buxbaum, Regimentsarzt des 3. Cheveaulegers-Regiments in Neustift, beschrieb 1870 den Ausbruch einer Typhusepidemie in der Kaserne, dem früheren Kloster und heutigem Landratsamt. Sein Bericht, der im Freisinger Stadtarchiv vorliegt, ist insofern besonders interessant, weil er die Spekulationen um die Ursachen des Typhuserregers widerspiegelt. Dieser wurde erst 1880 von Carl Joseph Eberth nachgewiesen, also einige Zeit nach den Ereignissen in der Neustifter Kaserne.

Mikroorganismen im Trinkwasser kamen für Buxbaum nicht als Erreger in Frage - für ihn war es der Boden unter der Kaserne

Buxbaum schreibt, dass es in den Jahren 1856 bis 1868 in Freising und Neustift immer wieder zum Auftreten von Typhuserkrankungen gekommen ist. In diesen 13 Jahren seien 80 Menschen an der Infektionskrankheit gestorben. Buxbaum kommt nach Abwägung aller Umstände zu dem Schluss, dass die Beschaffenheit des Bodens, auf dem die Kasernengebäude standen, die Ursache für die Typhusausbrüche sein müsse. Ähnliche Ansichten vertrat der Hygieniker Max von Pettenkofer über die Entstehung von Cholera. Mikroorganismen als Erreger, das kam für Buxbaum nicht in Frage.

Der Regimentsarzt vergleicht die Wissenschaftler, welche der Auffassung sind, Typhus rühre von Organismen im Trinkwassers her, mit abergläubischen Menschen, die an von Dämonen vergiftete Brunnen glaubten. Als Beweis, dass Menschen Wasser vertragen, das sehr von Organismen verunreinigt ist, führt er die Region um Eichstätt an. Die Bewohner seien dort auf Regenwasser angewiesen, das sie in Zisternen sammeln und das von Spatzen verunreinigt sei. Obwohl das Wasser deshalb bestimmt von Organismen verunreinigt sei, litten die Menschen dort weder an Wechselfieber noch an Typhus. Buxbaum schließt daraus, dass der Mensch große Mengen dieser "Organismen" vertrage, ohne krank zu werden.

© SZ vom 08.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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