Süddeutsche Zeitung

Senioreneinrichtungen:100-prozentigen Schutz vor dem Virus gibt es nicht

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Ältere Menschen gehören in der Corona-Pandemie zur Hochrisiko-Gruppe. Im Freisinger Seniorenzentrum versucht man darum alles, um eine Ansteckung der Bewohner zu verhindern.

Von Gudrun Regelein, Freising

Im Frühjahr traf es das Seniorenheim "Kursana Domizil" in der Gemeinde Au: 61 Bewohner und 13 Mitarbeiter erkrankten an Covid-19, zehn der Bewohner starben mit oder an Corona. Der Fall zeigt, wie schnell sich das Virus verbreitet - und wie vulnerabel gerade ältere Menschen und Hochbetagte sind. Sie zählen in der Corona-Pandemie darum zu der Hochrisikogruppe.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen sei ein hundertprozentiger Schutz der Bewohner aber nicht möglich, sagt Björn Kummerow-Fuchs, Leiter des Seniorenzentrums Freising an der Rotkreuzstraße. Trotzdem versuche man alles, um eine Ansteckung zu verhindern, denn das würde für das Seniorenzentrum den "Super-Gau" bedeuten.

Schon sehr bald, im Frühjahr, habe man reagiert, damals durfte niemand mehr in das Haus kommen. Im Seniorenzentrum wurden dann Besuchsboxen mit Trennscheiben eingerichtet, die nach jedem Besucher gründlich desinfiziert wurden. Inzwischen gibt es dort vier dieser Boxen. Masken müssen während der Besuche auch getragen werden. "Abgesehen vom 1,50-Meter-Abstand und den Masken gibt es in Bayern derzeit aber keine Vorgaben", sagt Björn Kummerow-Fuchs. Aber auf die Station dürfen nach wie vor kein Besucher, denn dort verliere man die Kontrolle über das, was passiere. Nur in der Palliativstation und bei immobilen Bewohnern sind derzeit Besuche erlaubt. Im momentanen Teil-Lockdown sieht er die größte Gefahr, dass sich ein Bewohner ansteckt, wenn dieser von einem Angehörigen abgeholt und mit nach Hause genommen wird. "Verbieten können wir das aber nicht", sagt Björn Kummerow-Fuchs.

Mitarbeiter und Bewohner werden einmal pro Woche getestet

Aber testen könne man und das werde auch getan. Sämtliche Mitarbeiter und Bewohner werden einmal in der Woche getestet, das sind alleine 170 Menschen im Seniorenheim an der Rotkreuzstraße. Kummerow-Fuchs hofft nun auf den versprochenen Schnelltest, eigentlich sollte der schon Mitte Oktober da sein - zumindest wurde das von der Staatsregierung so angekündigt. "Aber erst am 9. November konnte er beim Gesundheitsamt beantragt werden. Das läuft nicht so optimal."

Im Seniorenzentrum werden die Mitarbeiter schon seit Längerem getestet, das sei ein großer Vorteil, ist sich Kummerow-Fuchs sicher. Drei Mitarbeiter seien bislang positiv gewesen und sofort in Quarantäne geschickt worden, Bewohner aber hätten sich bislang nicht infiziert, und dafür ist Kummerow-Fuchs auch sehr dankbar. Vor Kurzem aber gab es eine Phase, in der er gebangt hat: Damals hatte die Tochter, die ihre im Heim lebende Mutter abgeholt hatte, kurze Zeit später ein positives Corona-Testergebnis. Daraufhin wurde die Mutter als Kontaktperson 1 sofort isoliert und getestet. Zwei Wochen musste die alte Frau in Quarantäne bleiben, insgesamt dreimal wurde sie getestet - immer negativ. Aber nicht nur sie, die gesamte Station mit 30 Bewohnern musste 14 Tage lang in Quarantäne. Die Pfleger arbeiteten während dieser Zeit in Vollschutzmontur mit Schürze, Visier und Brille. Das sei sehr anstrengend und belastend, sagt der Heimleiter.

Ein Besuchsverbot zu Weihnachten wäre für die Bewohner schlimm

"Die Mitarbeiter stehen momentan sowieso unter einer großen Belastung, aber noch ist die Stimmung relativ gut." Den Angehörigen sei oft gar nicht bewusst, was sie mit ihrem Verhalten alles auslösen können, sagt Kummerow-Fuchs. Eine Ansteckung im Heim bedeute immer eine Katastrophe. Bislang blieb der Landkreis - abgesehen von der Einrichtung in Au - davon aber fast verschont. Im AWO-Seniorenwohnpark in Moosburg gab es unter den Mitarbeitern einen Fall, ebenso im Haus St. Martin in Marzling, heißt es aus dem Freisinger Landratsamt. Im Senioren-Zentrum Neufahrn erkrankten zwei Bewohner und ein Mitarbeiter an Covid-19, im Senioren-Zentrum Zolling waren es vier Bewohner und zwei Mitarbeiter.

Kummerow-Fuchs zumindest denkt angesichts der momentan Infektionszahlen darüber nach, Besucher wieder auf nur eine feste Person zu beschränken, "falls es nicht eh' zu einem erneuten Besuchsverbot kommt". Und Weihnachten? Falls dann tatsächlich keine Besuche erlaubt sind, sei das für die Bewohner sehr schlimm, sagt der Heimleiter. "Für die alten Menschen hat Weihnachten eine ganz andere Bedeutung." Das Festhalten an den schönen Erinnerungen, das Treffen in der Familie, das alles sei sehr wichtig. "Das könnten wir nicht auffangen."

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