Süddeutsche Zeitung

100. Geburtstag in Freising:"Man muss sich auch mal strapazieren"

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Täglich Bewegung - das ist Paul Wildgrubers Rezept für ein langes Leben. Seine Heimat am Goldberg schätzt er wegen der guten Nachbarschaft sehr.

Von Paulina Gastl, Freising

Für den Freisinger Paul Wildgruber war es ein ganz besonderer Tag. Er feierte am Freitag seinen 100. Geburtstag. Seine Gäste kamen von weit her, so waren nicht nur Verwandte seiner Frau aus Dresden, sondern auch seine Schwester mit ihren Kindern aus den USA zu Besuch. "Das war sein sehnlichster Wunsch an seinem Geburtstag: seine Schwester wiederzusehen. Das haben wir heimlich eingefädelt", verriet seine Tochter Rita Patzelt. Seine Schwester war 1957 nach Kalifornien ausgewandert. Außerdem gratulierte ihm Bürgermeisterin Eva Bönig und überreichte dabei auch ein Geschenk des Ministerpräsidenten.

Früher hatte Paul Wildgrubers Familie einen Hof in Freising, für jedes ihrer fünf Kinder kaufte sie eine Ziege. "Fünf im Stall und fünf im Haus haben sie immer gesagt", erinnert sich Wildgruber lachend an seine Kindheit. Vor dem Krieg machte er ein Praktikum am Veitshof in Freising und begann eine Lehre in der Molkerei. Dann wurde er eingezogen und war in Frankreich, Jugoslawien und Russland stationiert. In Russland wurde er zwei Mal verwundet. Bei seinem zweiten Lazarettaufenthalt in Graz lernte er seine spätere Frau kennen. Bevor er im Dezember 1948 zurück in die Heimat kam, war er in Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien, wo er im Bergwerk arbeiten und Holz machen musste. Endlich zurück in Freising, nahm Paul Wildgruber seine Ausbildung in der Molkerei wieder auf und bekam eine Stelle in Niederbayern. Seine Frau heiratete er im Juni 1951, nachdem diese über die grüne Grenze vom Sudetenland nach Dresden geflohen war. Drei Jahre später wurde das erste Kind des Paares geboren. Im Jahre 1955 wurde Wildgruber Betriebsleiter in einer Molkerei in Radolfzell am Bodensee. Es zog ihn aber zurück in seine Heimat: Von 1959 an war er in Freising Geschäftsleiter der Molkerei Weihenstephan, bis er schließlich 1963 in den Ruhestand ging. Sein Haus am Goldberg ließ seine Tochter ausbauen. "Seitdem leben wir alle unter einem Dach", erzählte Rita Patzelt.

Ständig in Bewegung

Dass Paul Wildgruber auch heute noch fit ist, dafür sorgt nicht nur seine Tochter, die ihm täglich das Frühstück zubereitet und darauf achtet, dass er genug trinkt, sondern auch er selbst. Viel Bewegung ist sein Tipp für ein langes Leben. "Ich kann doch den ganzen Tag nicht nur rumsitzen!", findet er. Deswegen ist er täglich in Bewegung - ob zum Einkaufen mit dem Rollator oder beim Drehen seiner Runden mit dem Fahrrad am Goldberg. "Man muss sich auch mal strapazieren", sagt der 100-Jährige. Seine Heimat am Goldberg weiß er zu schätzen. Über seine nette Nachbarschaft, mit der er gerne plaudert, sei er sehr froh, erzählt er. "Gute Nachbarn sind viel wert. Viele meiner Freunde sind leider bereits gestorben, aber die Freundschaft lebt weiter, nur eben auf andere Weise".

Viel hat der Freisinger in seinen 100 Jahren erlebt. Die schönsten Erinnerungen aus all diesen Jahren seien das Kennenlernen mit seiner Frau, die Hochzeit sowie die Geburt der Kinder, schildert er. Für die Zukunft hat er einen konkreten Wunsch: "Dass die Spannungen, die in der Welt sind, sich durch gegenseitiges Bemühen lösen, sodass es Frieden gibt auf dieser Welt und man auch mal ein vernünftiges Wort miteinander redet."

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Quelle:
SZ vom 17.12.2019
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