Süddeutsche Zeitung

Schulstart im Landkreis Freising:Normal ist nichts mehr

2021 beginnt wegen Corona mit geschlossenen Schulen und Kindergärten. Unterrichtet wird überwiegend online, gerade jüngere Schüler sind damit überfordert. Die Notbetreuung ist vor allem in den unteren Klassen gefragt.

Von Petra Schnirch, Alexandra Vettori und Gabriel Wonn, Freising

Kleine Kinder, kleine Probleme - große Kinder, große Probleme, diese Binsenweisheit trifft in der Corona-Zeit nicht zu. Denn das neue Jahr startet mit erneut geschlossenen Schulen und Kindergärten, vom Notbetrieb bis Jahrgangsstufe 6 abgesehen. Bis 29. Januar hat das Kultusministerium für die bayerischen Schulen in allen Jahrgangsstufen Distanzunterricht angeordnet. Weil viele Eltern aber nicht mit Sonderurlaub ins neue Jahr starten wollen oder können, ist die Notbetreuung zumindest in den unteren Klassen gefragt.

"Damit sind wir nicht so glücklich", sagte Rudolf Weichs, Rektor an der Grund- und Mittelschule Hallbergmoos. Über 50 Kinder sind für die Notbetreuung angemeldet, fast 20 Prozent der Schüler. Sie werden klassenübergreifend in Kleingruppen unterrichtet. Ein Wechselmodell mit dann 50 Prozent der Schüler wäre einfacher zu organisieren, betonte Weichs. Den Unterricht in Schichten hat das Kultusministerium für Februar in Aussicht gestellt. Dann aber zusätzlich noch eine Notbetreuung an der Schule, sagte Weichs, werde personell kaum möglich sein.

20 Prozent der Schüler sind auch in der Neufahrner Grundschule am Fürholzer Weg in der Notbetreuung, meldete Rektorin Elke Horn. Das sei aber keine Überraschung, "normalerweise haben wir Ganztagsklassen, das heißt, viele unserer Eltern sind berufstätig und können jetzt einfach nicht daheim bleiben. Und die kleinen Kinder kann man nicht alleine lassen", erklärte sie. Der Notbetrieb läuft an ihrer Schule ebenfalls klassenübergreifend mit Gruppen von maximal zehn Kindern, damit die Abstände gewahrt bleiben. Normaler Unterricht findet auch an der Schule nicht statt, vielmehr bearbeiten die Kinder die gleichen Aufgaben wie ihre Mitschüler daheim. Betreut werden sie dabei von Fachlehrern, die keine Klassenleitung haben, und Mitarbeitern der Ganztagsbetreuung.

Die Klassen im Fernunterricht unterrichten weiter die Klasslehrerinnen, die im Homeoffice an ihren Computern sitzen. Vor allem die Kleinen brauchen die gewohnte Bezugsperson, außerdem, so Horn, "wissen die Klassleiter am besten, wo sie stehen". Es laufe alles gut an, sagte sie, "wir wussten ja, was aufkommen könnte". Und glücklicherweise sei ihr Team sehr aufgeschlossen und über die digitalen Plattformen gut vernetzt.

Mancherorts gibt es Materialpakete in Papierform

Das ist man auch an der Paul-Gerhardt-Grundschule in Freising, dennoch ging hier gleich am Montag die Kommunikationsplattform in die Knie. Der Anbieter arbeite daran, sagte Rektor Simon Pelczer. Das neue Format müsse sich erst noch einspielen. Auf jeden Fall unerlässlich sei das wöchentliche Materialpaket in Papierform, das sich die Kinder klassenweise, aber zeitversetzt an unterschiedlichen Eingängen der Schule abholen und nach einem Wochenplan bearbeiten. Denn die für rein digitalen Unterricht nötigen Endgeräte und Drucker seien in viel zu wenigen Familien verfügbar, sagte Pelczer. Weil viele Grundschüler noch nicht so gut lesen können, filmen die Lehrkräfte die Materialien beim Erklären während einer Videokonferenz mit den Schülern. Die wissen dann - im Idealfall - welches Blatt wie zu erledigen ist. Die Video-Konferenzen seien die Schwerpunkte des Home-Schultags, "sobald diese dann hoffentlich auch wieder funktionieren", so Pelczer. Dann tauscht sich auch die Lehrerschaft wieder täglich per Video aus. Weniger gefragt ist die Notbetreuung an der Paul-Gerhard-Grundschule. Hier sind nur 15 von knapp 250 Schülern angemeldet.

Die Situation am inklusiven Freisinger Bildungszentrum der Lebenshilfe, das viele Kinder mit geistiger Behinderung besuchen, ist eine ganz besondere: 47 der 200 Kinder sind in der Notbetreuung. Schulleiter Björn Zaddach vermutete, dass es noch mehr werden. Bei vielen befürworte auch die Schule, dass sie weiter in das Zentrum kommen. Etwa bei autistischen Kindern, die den gewohnten Rhythmus brauchen, oder "weil wir die Familienverhältnisse kennen" und behinderte Schüler etwa auf engstem Raum in einer Asylbewerberunterkunft leben.

"Wir haben frühzeitig geahnt", dass es nach den Weihnachtsferien keinen normalen Unterricht geben werde, sagte Zaddach. Erst seit Donnerstag sei jedoch klar, dass es auf eine Notbetreuung und Distanzunterricht hinaus laufe. Im Bildungszentrum ist wie im Frühjahr ein Mix verschiedener Lernformen geplant. Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Materialien per Post oder sie werden ihnen gebracht, es gibt Telefonate, auch mit den Eltern, und die Schule nutzt die Plattform Mebis. Viele Lehrer hätten angefangen, den Unterricht zu filmen, sagte Zaddach. Gerade die jüngeren Schüler seien aber mit dem Lernen per Video zum Teil völlig überfordert. Auch in höheren Klassen sei das Lernniveau in einer Jahrgangsstufe sehr unterschiedlich. Zaddach hofft, dass bald zumindest ein Wechselunterricht möglich wird. "Die Kinder sind dringend darauf angewiesen, den persönlichen Kontakt zu haben." Das soziale Lernen voneinander falle weg. Die Schule bekomme das alles schon hin, aber "gut ist es nicht".

An Gymnasien ist die Notbetreuung weniger gefragt

Was die Notbetreuung betrifft, können sich die Gymnasien nicht beklagen. Hier betrifft das Angebot nur die Jahrgangsstufen fünf und sechs. Das Freisinger Camerloher Gymnasium verzeichnet bislang fünfzehn Anmeldungen, das Josef-Hofmiller-Gymnasium sieben und das Dom-Gymnasium sogar nur eine einzige.

Andrea Bliese, Leiterin am Camerloher Gymnasium, beschreibt die Umstellung auf Corona-Betrieb als "relativ unaufwendig": "Der größte Teil des Unterrichts findet als Videokonferenz statt. Wir haben da noch einmal auf ein anderes Programm umgestellt, welches auch für die Lehrer relativ selbsterklärend ist. In der letzten Ferienwoche haben wir auch noch einmal ein paar Fortbildungen gemacht. Und das viel gescholtene Mebis funktioniert ja auch, nur halt nicht zu den Stoßzeiten wie um acht Uhr früh. Da muss man manchmal eine Stunde warten." Vergleiche man es mit der Situation im Frühjahr, spüre man eine deutliche Verbesserung, so Bliese. Lediglich der steigende Bedarf an Leihgeräten für die Schülerinnen und Schüler zuhause sorge mittlerweile für Engpässe.

An diesen mangelt es dem Josef-Hofmiller-Gymnasium nicht. Alle Schülerinnen und Schüler seien in die Online-Systeme eingepflegt, so Schulleiterin Susanna Räde. Die Anwesenheit werde zu Beginn jeder virtuellen Unterrichtsstunde kontrolliert. Dies habe am ersten Schultag noch ein wenig mehr Aufwand erfordert, was aber auch erwartet worden sei.

"Es gibt auch manche Lehrer, die in die Schule kommen, weil sie die Geräte brauchen. Wie zum Beispiel ein Physiklehrer, wenn er einen Versuch zeigen will. Es können nicht alle zuhause bleiben", sagt Räde: "Da ruckelt am ersten Tag wegen der Belastung noch ein bisschen das Internet an der Schule selbst. Sonst habe ich noch nichts von Störungen gehört. Es kann sein, dass es mit den Online-Programmen mal besser und mal schlechter funktioniert. Ich denke, so ist das dann halt am ersten und zweiten Tag. An sich sind wir ganz zufrieden."

Die intensive Vorbereitung kommt auch dem Dom-Gymnasium zugute. Man verfüge nach der Situation im Frühjahr über einen breiten Erfahrungsschatz, so Rektor Manfred Röder. Daher habe man für die ersten Schultage einen Plan B erarbeitet, der auch gleich Anwendung fand: Nachdem der "virtuelle Startschuss" in puncto Videokonferenzen für technische Schwierigkeiten gesorgt hatte, werde man nachjustieren und künftig auf eine bereits geplante Umprogrammierung der Homepage zurückgreifen.

"Es war nicht reibungslos, trotz aller Vorbereitungen. Wir haben die ganze letzte Woche investiert und noch am Wochenende Probedurchläufe angeboten und durchgeführt. Wenn dann die Technik muckt, ist das bedauerlich. Aber wir sind vorbereitet, arbeiten daran und ich bin zuversichtlich, dass wir schnell auf einem gutem Stand sind", zeigt sich Röder optimistisch. Notbetreuung und Leihgeräte seien aber kein Problem, hier habe man noch Kapazitäten.

Auch in den Kitas gibt es eine Notbetreuung. In Allershausen nutzen 20 bis 25 Prozent der Eltern diese Möglichkeit. In der Krippe sind laut Bürgermeister Martin Vaas etwa 20 Kinder anwesend, im Gemeindekindergarten Spatzennest 27 der etwa 120 Mädchen und Buben. Probleme habe es Montagfrüh keine gegeben.

In Freising liegen noch keine Zahlen vor. In allen städtischen Einrichtungen existiert ein Not-Angebot, die Aufnahme ist einfacher als im Frühjahr. Damals war Voraussetzung, dass die Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sind. Diesmal müssen Erziehungsberechtigte per Unterschrift versichern, dass sie "eine Betreuung nicht auf andere Weise sicherstellen" können. Im Freisinger Rathaus hofft man, "dass sich die Familien bestmöglich an das vordringliche Gebot halten, vermeidbare Kontakte zur Unterbrechung/Verhinderung von möglichen Infektionsketten" zu unterlassen und die Kinder zuhause zu betreuen, so Sprecherin Christl Steinhart. Für Notfälle stünden die Einrichtungen zur Verfügung. Offenkundig ist die Botschaft angekommen. In Allershausen seien die meisten Kinder schon während des ersten Lockdowns betreut worden, sagt Vaas - ihre Eltern gehören folglich den systemrelevanten Berufsgruppen an.

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