Schafhirtin in Freising:"Eine Landwirtschaft zum Anfassen wäre mein absoluter Traum"

Lesezeit: 3 min

Die Beschäftigung mit den Tieren sei wohltuend, sagt Müller-Waldeck. Ihre Schafe liefern aber auch Fleisch, Felle und Wolle. (Foto: Marco Einfeldt)

Franziska Müller-Waldeck ist promovierte Agraringenieurin. Seit ein paar Jahren hält sie eine Herde der vom Aussterben bedrohten Waldschafe in Freising. Was sie dazu bewegt hat.

Von Gudrun Regelein, Freising

Kaum hat Franziska Müller-Waldeck das Stahlgitter, das als Absperrung dient, zur Seite geschoben, kommen die Schafe angetrabt. Allen voran Milli, die Rudelführerin, die die Besucherin neugierig begrüßt. Zu Milli habe sie ein besonders enges Verhältnis, sagt Müller-Waldeck und gibt ihr die geforderte Krauleinheit, die diese mit einem sanften Schmatzen quittiert. "Milli zählt quasi zur Familie dazu. Sie ist unsere Prinzessin." Milli gehört zu der Herde der bedrohten Waldschafe, die die 44-Jährige besitzt, sie wurde bei ihr zu Hause mit der Flasche aufgezogen.

Seit elf Jahren hat Müller-Waldeck eine kleine Schafherde, ein Teil der Tiere lebt auf einem gepachteten Flurstück in Vötting. Dort haben sich die meisten Schafe an diesem grauen und nebeligen Novembertag unter dem Weidezelt versammelt. Der andere Teil der Tiere beweidet Grünlandflächen beim Schafhof in Freising.

Wann immer ihre Zeit es zulässt, ist Franziska Müller-Waldeck bei ihren Schafen. (Foto: Marco Einfeldt)

Eigentlich ist Franziska Müller-Waldeck promovierte Agraringenieurin, sie arbeitet in der Landwirtschaftsverwaltung - ihr Thema ist unter anderem die Wildlebensraumberatung, sie berät Landwirte, wie eine größere Artenvielfalt in der offenen Kulturlandschaft möglich ist. Das ist ihr Hauptberuf. Daneben ist die gebürtige Lüdenscheiderin Schafhalterin aus Leidenschaft und hat mit "Erdkind" schon viele verschiedene Naturprojekte ins Leben gerufen.

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Die Geschichte von Erdkind reicht weit zurück - das Projekt wurde gemeinsam mit ihrem ältesten Kind entwickelt. Müller-Waldeck lebte damals noch in Kiel und studierte Landwirtschaft. Ihre Tochter war - so wie sie früher - ein Draußenkind, in der Freizeit war man gemeinsam viel in der Natur unterwegs. So entstand dann die Idee zu Erdkind, 2006 wurde das Projekt offiziell gegründet, ihre Tochter zeichnete damals das Logo. "Der Name Erdkind soll unsere Verbundenheit mit dem Boden, der Erde ausdrücken", sagt Müller-Waldeck. Es begann ganz klein, mit Kindergeburtstagen oder Ausflügen, bei denen gemeinsam mit den Kindern Kräuter gesammelt und anschließend destilliert wurden. Das waren damals die ersten Geschichten, erzählt sie.

Die kleine Familie zog schließlich nach Freising, hier machte Müller-Waldeck ihre Promotion an der TU München. Daneben wuchs Erdkind immer weiter. Ihre Liebe zur Natur, die Wertschätzung dafür und ihr Wissen um natürliche Zusammenhänge will sie durch Erdkind weitergeben. "Die Natur mit allen Sinnen entdecken und dabei zu lernen - beispielsweise wie wichtig die Nachhaltigkeit ist, das ist das Ziel", erklärt sie. Auch mit Blick auf die kommenden Generationen solle verantwortungsvolles Handeln gelernt werden.

Zur Schafpflege gehört auch ein Spaziergang, den auch die Tiere genießen. Der Mantel, den sie dabei trägt, wurde aus Schafwolle in traditionell-bayerischer Handwerkskunst hergestellt. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine Zeitlang arbeitete Müller-Waldeck dann als Tagesmutter, das war vor gut vier Jahren, als ihr zweites Kind geboren wurde - und endete mit Beginn der Corona-Krise 2020. Ein kleines Kinderprogramm an manchen Wochenenden aber bietet sie noch heute an, auch da geht es ums Draußensein. Regenwürmer oder Bienen werden beobachtet oder wie zuletzt passend zur Jahreszeit Hecken erforscht. "Die Kinder sollen sich für die Natur begeistern und hoffentlich zukünftige Naturschützer werden."

Der Wunsch nach einer eigenen, regionalen, nachhaltigen und menschennahen Landwirtschaft aber wurde bei ihr immer größer. 2014 war es dann soweit: Müller-Waldeck gründete einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, die entscheidende Frage damals war, ob sie Ziegen oder Schafe halten wolle, erzählt sie. Während ihrer vielen Praktika während des Studiums habe sie die größten Glücksmomente im Schaf- oder Ziegenstall erlebt. Entschieden hat sie sich dann für die Schafe, "das war aus rationalen Gründen und aus Liebe zu diesen Tieren", sagt Müller-Waldeck.

Das Schaf sei die Kuh des kleinen Mannes, so hieß es immer während des Studiums, erzählt sie und lacht. Das älteste Nutztier sei gut händelbar, leicht im Umgang und relativ unkompliziert zu halten. "Und es hat gute Eigenschaften für die Beweidung. Die Waldschafe gehören zu den aussterbenden Nutztier-Rassen, auch das war für sie ein Kriterium. "Sie sind sehr robust, genügsam und ihr Fleisch schmeckt fantastisch." Die Tiere leben das ganze Jahr über bei Offenstallhaltung auf zum Teil biozertifizierten Streuobstflächen, fressen Gras und im Winter heimisches Heu und Getreide. Ihre Schafe liefern ihr Fleisch, Felle und Wolle - und tun ihr gut. "Seit Corona würde ich am liebsten täglich zu meinen Schafen kommen. Die Beschäftigung mit ihnen ist unglaublich wohltuend."

Erdkind hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt, inzwischen gibt es dort Felle, Kleidung, Teppiche und Cremes - alles Produkte, die von regionalen Schafen gewonnen wurden - zu kaufen. Müller-Waldeck vermarktet sie direkt. Das Fleisch der Schafe findet unter anderem bei einem lokalen Metzger einen Abnehmer. Die Tiere schlachten zu lassen, falle ihr nicht leicht, gibt sie offen zu. "Aber das gehört nun einmal dazu."

Ihren Traum vom eigenen Acker, den sie schon immer hatte, aber hat sie noch nicht aufgegeben. "Im Landkreis eigenen Grund erwerben zu können, gemeinsam mit meiner Familie etwas Eigenes als Basis für Erdkind zu haben, wäre mein großer Wunsch. Eine Landwirtschaft zum Anfassen wäre mein absoluter Traum", sagt Franziska Müller-Waldeck.

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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