Rettungsdienste in Freising:Kein Fall für den freien Markt

Rettungsfahrzeug im Einsatz

Viele Rettungswägen werden von ehrenamtlich tätigen Hilfsorganisationen gestellt. Private Anbieter machen ihnen Kokurrenz.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

BRK und Malteser kritisieren die zunehmende private Konkurrenz im Rettungswesen.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Wer bei einem medizinischen Notfall die Nummer 112 wählt, rechnet mit schneller Hilfe vom Rettungsdienst. Die alarmierten Rettungswagen werden zu einem großen Teil vom Bayerischen Roten Kreuz und anderen überwiegend ehrenamtlich tätigen Hilfsorganisationen gestellt. Doch zunehmend drängt auch private Konkurrenz auf den Markt, teilweise mit Dumpingpreisen.

Ein Problem ist das vor allem, seit die EU-Kommission auf einen fairen Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen für den Rettungsdienst gedrängt hat. Ausländische Anbieter, wie beispielsweise das Unternehmen Falck, eine Aktiengesellschaft aus Dänemark, stehen bereits in den Startlöchern. Das war auch Thema beim jüngsten Blaulichtgespräch von Staatsminister Florian Herrmann mit den Vertretern der Rettungsdienste im Landkreis Freising im Weihenstephaner Bräustüberl.

Die ehrenamtlichen Hilfsorganisation fordern mehr Unterstützung

Private Rettungsdienste dürfen bei der Vergabe von neuen Rettungswachen nicht benachteiligt werden, das hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits 2012 entschieden. Doch die Ausschreibungsverpflichtung und der damit verbundene Wettbewerb würden zu vielen Schwierigkeiten führen, kritisiert der Freisinger BRK-Kreisgeschäftsführer Albert Söhl. Auch weil die Laufzeit der Verträge jeweils auf fünf Jahre oder kürzer begrenzt sei. "Was macht man denn dann, wenn der Vertrag nach fünf Jahren nicht mehr verlängert wird", fragte Söhl. Er fordert von der Politik, die vorwiegend ehrenamtlichen Hilfsorganisationen bei diesem Thema besser zu schützen.

2018 hatte beispielsweise die Stadt München dem Privatunternehmen Aicher Ambulanz Union für die kommenden vier Jahre den Zuschlag für das Oktoberfest erteilt. Das Rote Kreuz war zuvor 133 Jahre lang für den Rettungsdienst auf der Wiesn zuständig gewesen. Söhl hat für ein solches Vorgehen kein Verständnis. "Wir bezahlen unsere Mitarbeiter alle nach Tarif, viele sind schon seit Jahren dabei, sie sind also schon älter und verdienen auch mehr. Da können wir bei Ausschreibungen gar nicht mehr wettbewerbsfähig sein und mit einem privaten Anbieter mithalten, der womöglich nur mit jungen Kräften arbeitet", sagte er.

Laut EuGH ist der Rettungsdienst eine Bereichsausnahme von öffentlichen Aufträgen

Froh sei man darum über die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der im März 2019 bestätigt hatte, dass der Rettungsdienst unter die sogenannte Bereichsausnahme fällt. Für diesen würden darum nicht die Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Aufträge gelten, sofern die Leistung von einer gemeinnützigen Organisation erbracht werde. Auch Innenminister Joachim Herrmann hatte im Juli das Urteil des Europäischen Gerichtshofs begrüßt, denn damit sind bei der Vergabe von Leistungen der Notfallrettung an gemeinnützige Organisationen zumindest keine europaweiten Ausschreibungen mehr erforderlich.

Eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte am Dienstag außerdem, dass eine Novelle des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes geplant sei, die auch die "Bereichsausnahme" bei der Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen beinhalte. Die Rettungsdienste im Landkreis Freising hoffen nun, dass diese Novelle auch bald umgesetzt wird.

Die Malteser am Münchner Flughafen sind auch betroffen

Vor welchen Problemen man steht, wenn bei der Vergabe vom Aufträgen an Rettungsdienste alles dem freien Markt überlassen wird, kann auch Frank Drescher vom Malteser Hilfsdienst schildern. Er ist Leiter der Rettungsdienste in Bayern und Thüringen. Die Malteser sind am Münchner Flughafen präsent. Zwar gebe es für Rettungswachen der allerersten Generation einen Bestandsschutz, bei der Vergabe von neuen Aufträgen jedoch nicht.

"Bei uns ist das so, dass wir uns für den Auftrag für den zweiten Rettungswagen, den wir am Flughafen stationiert haben, Ende 2019 wieder neu bewerben müssen, weil dann der Vertrag ausläuft", sagte Drescher. Da sei natürlich auch Personal betroffen. Dieses könnten die Malteser zwar notfalls an einen anderen Standort verschieben. Aber hilfreich sei das nicht. "Gerade die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz ist für die Hilfsorganisationen ja auch Garant dafür, dass sie die Arbeitskräfte finden, die sie brauchen", so Drescher. Für problematisch hält er es auch, wenn bei Rettungsdiensten, die als Unternehmen geführt werden, der Profit im Vordergrund stehe. "Sobald man Gewinn machen muss, wird bei Kostensteigerungen an der Personalschraube gedreht", sagte Drescher.

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