Kritik an Billig-Fleisch:Profit auf Kosten der Tiere

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Artgerechte Haltung und kurze Transportwege zum Schlachthof. Darauf achten Tagwerk-Bauern aus der Region. (Foto: Lukas Barth)

Eine Werbeoffensive des Discounters Lidl erregt den Missmut der regionalen Metzger. Die Kampagne suggeriert, billiges Fleisch sei gleichbedeutend mit Qualität. Heimische Betriebe setzen auf artgerechte Haltung, doch das kostet Geld.

Von Gerhard Wilhelm, Freising

"Woran erkannt man eigentlich, was gut ist?", fragt seit 20. Februar der Discounter Lidl und beantwortet die Frage gleich selbst: "An der guten Qualität - seiner Produkte. Wie zum Beispiel beim Fleisch." Und das stößt regionalen Metzgern sauer auf. "Gutes Fleisch erkennt man am Preis - so lässt sich die aktuelle Werbung des Discounters Lidl vereinfachen. Mehr bleibt bei einer Überprüfung der Werbekampagne nicht übrig", ärgert sich Werner Braun, Obermeister der Metzgerinnung Dachau-Freising.

Auch Bernhard Renner, Geschäftsführer der Tagwerk Biometzgerei GmbH, sieht dies so: "Für diese Discounterpreise kann man keine Kette von der artgerechten Tierhaltung in einer ökologischen Kreislaufwirtschaft bis zur tiergerechten Schlachtung vorweisen."

"Qualität hat bei Lidl stets höchste Priorität", betont indes der Discounter. Statt zu suggerieren, Fleisch sei dann gut, wenn ein Mitarbeiter es über die Theke reiche, und Schokolade werde handgerührt, definiere das Unternehmen "klare Qualitätsmerkmale", heißt es in einer Pressemitteilung. "Lidl hat in den vergangenen Jahren einen starken Veränderungsprozess durchlaufen."

Dazu gehöre, das Sortiment auszubauen - mit dem Fokus auf die "Qualität und Vielfalt unserer Eigenmarken". Neben einem guten Geschmack habe Frische oberste Priorität, sagt Christoph Pohl, in der Lidl-Geschäftsleitung zuständig für den Einkauf. "Außerdem haben wir sehr effiziente Distributionsnetzwerke und ein umfangreiches Qualitätssicherungssystem, das entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette wirkt. Dieses Qualitätsbewusstsein wollen wir nun nach außen tragen."

Für den Niederhummeler Metzgermeister Renner ist dies bei einer Produktion im industriellen Ausmaß nicht möglich. "Bei uns ist jeder Schritt überprüfbar. Wir haben uns bewusst für eine transparente, qualitätsorientierte Verarbeitung entschieden", betont er.

Die Tiere kämen nur von Tagwerk-Bauern aus der Region, hätten eine kurze Anfahrt und verbrächten ihre letzten Tage auf dem Tagwerk-Biohof neben der Metzgerei. "Ohne lange Transporte, ohne Angst und Stress für die Tiere geschieht alles in Ruhe und ohne laute Geräusche. Das hat seinen Preis und ist im industriellen Maßstab nicht zu machen. Da geht es um billige Preise", stellt Renner klar.

Auf seiner Internetseite geht der Discounter nicht näher auf die Herkunft der Tiere ein. Rindfleisch stamme "fast ausschließlich von deutschen Tieren" und Schweinefleisch zu 100 Prozent. Über einen QR-Code auf der Verpackung könne der Kunde Informationen über Herkunft und Verarbeitung erfahren.

Obermeister Werner Braun zweifelt: "Dass Begriffe wie ,Fairness und Nachhaltigkeit' für Lidl oberste Priorität haben, ist angesichts der jahrelangen aggressiven Preispolitik, die auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt gehe, nicht nachzuvollziehen."

"Dem Discounter fehlt die Kompetenz"

Deutlich werde in der Werbung eher, dass dem Discounter die Kompetenz für das Lebensmittel Fleisch fehle, so Braun "Weder zählt Jungbullenfleisch zum zartesten Fleisch auf dem Markt, noch reichen zwei Wochen Reifezeit für Spitzenqualität. Dass hier ein Qualitätsbegriff definiert werden soll, welcher noch dazu das Preis-Dumping in der Lebensmittelkette verschlimmert, kann so nicht hingenommen werden", sagt Metzgermeister Braun. Der Discounter biete weiterhin Fleisch aus Massentierhaltung an, was sich mit einer vernünftigen, artgerechten Tierhaltung nicht vereinbaren lasse.

Bernhard Renner vom Tagwerk Biometzgerei sieht dies auch so. "Wir haben uns bewusst für eine überschaubare Größe entschieden. Im Sinne der Tiere und der Verbraucher." Aber angesichts des Verbraucherverhaltens, immer nach dem günstigsten Preis zu suchen, kann Renner verstehen, warum immer mehr konventionelle kleinere Metzgereien unter Druck geraten. Obwohl "viele Dinge bei der industriellen Produktion im Dunklen ablaufen", was aber viele Verbraucher nicht genügend hinterfragen würden.

Auf die Frage, woran man denn gutes Fleisch erkenne, meint Obermeister Braun: "Vielleicht daran, dass es nicht von Lidl kommt." Er rät den Verbrauchern: "Gehen Sie zum Metzger Ihres Vertrauens, denn dort können Sie alles fragen, was Sie auf einem Etikett beim Discounter nicht finden."

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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