Süddeutsche Zeitung

Bodycams bei der Polizei:Filmen für die Deeskalation

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Die Freisinger Polizei hat beim Volksfest erstmals Kameras an den Körpern getragen. Die Erfahrungen sind durchwegs positiv. Vier Mal wurden die Aufnahmen gestartet, in zwei Fällen, war sofort Ruhe, ein Film ist jetzt Beweisstück

Von Laura Dahmer, Freising

Ein großes gelbes Schild auf der Polizeiuniform und die ebenso in Gelb gehaltene, auf Schulterhöhe angebrachte Kamera weisen auffällig darauf hin: Hier ist die Bodycam im Einsatz. Seit März dieses Jahres sind die Kameras bei der bayerischen Polizei erlaubt, in Freising haben die Beamten sie beim Volksfest erstmals getragen. Auch andere Polizeiinspektionen im Landkreis statten sich gerade damit aus.

"Die Bodycam soll eigentlich rein präventiv sein und hat ein primäres Ziel: Die Deeskalation und den Schutz der Beamten", sagt Ernst Neuner, Dienststellenleiter der Freisinger Polizei. Die ersten Erfahrungen beim Volksfest waren laut Neuner sehr positiv. Vier Mal wurde die Aufnahme dort gestartet. "In zwei Fällen haben sich die Gegenüber nach Ankündigung der Aufnahme beruhigt und wir haben das Videomaterial danach nicht mehr benötigt", so der Dienststellenleiter. Eine weitere Aufnahme war unbrauchbar, die vierte ist jetzt als Beweisstück im Strafverfahren. Aber wann kommt es zum Einsatz? "Die Beamten können die Bodycams freiwillig auf der Streife tragen. Grundsätzlich ist sie ausgeschaltet. Wenn sie dann zu einem Einsatz gerufen werden oder in eine Situation geraten, in der ein Verdacht auf abstrakte Gefahr besteht, können die Beamten das Gerät einschalten", beschreibt Neuner den Vorgang. Danach startet für 30 Sekunden das Pre-Recording.

Das Pre-Recording wird nur gespeichert, wenn danach aufgenommen wird

Dieses war zu Beginn dieses Jahres bei Datenschützern besonders in Kritik geraten. Denn die Polizeibeamten können das Pre-Recording starten, ohne ihr Gegenüber vorher darauf hinzuweisen. Ernst Neuner beschwichtigt. "Das Pre-Recording wird nur gespeichert, wenn danach auch die normale Aufnahme gespeichert wird." Vor dieser müsse der Polizeibeamte immer darauf hinweisen, dass er die Bodycam jetzt in Betrieb nimmt, wenn er oder jemand Drittes nicht gerade akut in Gefahr schwebt. "Das Pre-Recording soll Aufschluss über den Anlass der Aufnahme geben", erklärt Neuner. Kommt es gar nicht so weit, weil die Situation entschärft werden kann, wird das Pre-Recording wieder gelöscht. Wenn nicht, wird die gesamte Aufnahme der Bodycam im Anschluss automatisch an den Server der jeweiligen Polizeiinspektion übermittelt. "Wenn es dann zu einem Strafverfahren kommt, kann das Video als objektives Beweismittel dienen. Wenn nicht, schauen wir es uns gar nicht erst an und es wird nach 21 Tagen automatisch gelöscht", so Neuner. Objektiv ist das Video deshalb, weil die Aufnahmen nachträglich nicht verändert und geschnitten werden können. "Nicht vom Beamten, nicht von uns in der Polizeiinspektion."

Das sei, beklagt Neuner, oft das Problem mit Handyvideos. "Die sind dann so zusammengeschnitten, dass der Kontext und der genaue Ablauf der Situation nicht mehr erkennbar ist." Als normaler Bürger sei es generell auch nicht erlaubt, die eigene Kamera auf die Polizisten zu halten. "Für Bürger gilt, dass sie jemanden nicht einfach filmen und das Material veröffentlichen können", sagt der Freisinger Dienststellenleiter. Wer aber zum Beispiel mit einem Beamten mit Bodycam aneinandergerät und sich ungerecht behandelt fühlt, kann bei der Polizeiinspektion Beschwerde einlegen. "Unsere Beamten tragen zwar weder Nummern noch Namensschilder, aber es wird immer genau erfasst, wer die Aufnahme durchgeführt hat", sagt Neuner.

In Freising gibt es vier Bodycams, Moosburg und Neufahrn statten sich gerade aus

In Freising gibt es aktuell vier Bodycams, die die Polizeibeamten mit auf Streife nehmen können. Vorher müssen sie eine zweiteilige Schulung durchlaufen. Dabei lernen sie zum einen, wie die Rechtslage für die Aufnahmen ist und wann sie verwendet werden können. Zum anderen erhalten sie im Taktikteil Erfahrungsberichte von den Präsidien, die die Bodycams bereits eingesetzt haben. Wie und wann sie verwendet werden dürfen, ist im Polizeiaufgabengesetz (PAG) genau geregelt. Grundsätzlich untersagt sind Aufnahmen bei Versammlungen, Verkehrsdelikten oder bei der Unfallaufnahme, wenn es keinen gesonderten Anlass gibt. Besonders geregelt wird auch der Einsatz in Wohnungen. "Dort gibt es kein Pre-Recording - entweder die Bodycam ist komplett an oder aus", so Neuner. Wenn sie in der Situation nicht schnell genug angeschaltet werden könne, gebe es eben keine Aufnahme. "In einer Gefahrensituation geht die Bewältigung vor der Aufzeichnung." Ob die Beamten sie auf Streife mitnehmen, können sie selbst entscheiden. "Aber viele von meinen Leuten sagen, sie fühlen sich mit Bodycam wohler und sicherer", sagt Neuner.

Auch in Moosburg und Neufahrn sollen die Bodycams bald Teil der Ausrüstung werden. Nächste Woche beginnen in der Polizeiinspektion in Moosburg die Schulungen. "Leider", sagt der stellvertretende Dienststellenleiter Hans-Jürgen Hintermeier. "Momentan ist es zwar ruhig auf der Herbstschau, aber es wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, um die Bodycams zu testen." Dienststellenleiter Johannes Lang in Neufahrn hofft, die Bodycams ab Mitte oder Ende Oktober im Einsatz zu haben. Aktuell sind dort drei Geräte eingeplant.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019
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