Süddeutsche Zeitung

Landkreis Freising:Kurzzeitpflegeplätze sind rar

Patienten, um die sich zu Hause keiner kümmert, müssen deshalb länger als geplant im Klinikum bleiben. Gerade an Weihnachten war die Situation besonders schlimm.

Von Gudrun Regelein, Freising

In Deutschland gab es 2018 gut 3,6 Millionen pflegebedürftige Menschen. Drei Viertel von ihnen wurden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Dauerhaft, Tag und Nacht. Damit diese kleine Auszeiten nehmen können, gibt es die Kurzzeitpflege. Doch das Angebot ist bei weitem nicht ausreichend. Auch im Landkreis Freising fehlen Plätze, sagt Walburga Braun, Mitarbeiterin im Sozialdienst des Klinikums Freising. "Es gibt definitiv zu wenige."

Eigentlich hat jeder Pflegende Anspruch auf acht Wochen Kurzzeitpflege im Jahr, in dieser Zeit wird der Pflegebedürftige vorübergehend in einem Heim betreut. Die Kurzzeitpflege bietet eine wichtige Entlastung. Kurzzeitpflege ist aber auch für gebrechliche oder kranke Menschen gedacht, die beispielsweise nach einem Aufenthalt im Krankenhaus niemanden haben, der sie zu Hause versorgt. Doch feste Kurzzeitpflegeplätze sind in Bayern Mangelware: Laut einer vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie liegt Bayern bei der Versorgung bundesweit im unteren Drittel. Ende 2018 gab es nur 635 ausschließlich für die Kurzzeitpflege bestimmte Angebote.

Für die Heimbetreiber ist die Kurzzeitpflege wirtschaftlich nicht besonders rentabel

Die Folgen dieses Mangels spürt auch das Klinikum Freising, berichtet Walburga Braun. Patienten, die zu Hause niemanden haben, der sich um sie kümmert und für die kein Kurzzeitpflegeplatz gefunden wird, müssen nämlich länger als eigentlich geplant im Klinikum bleiben. Die Betten bleiben folglich länger belegt - und das hat wirtschaftliche Konsequenzen.

Denn je kürzer die Verweildauer eines Patienten ist, umso besser ist das für das Krankenhaus, erklärt Braun. Für die Behandlung einer Krankheit zahle die Krankenkasse einen Fixbetrag, unabhängig von der Verweildauer des Patienten. Eine Ausgleichszahlung für einen längeren Aufenthalt gebe es nur, wenn begründet werden kann, weshalb der Patient nicht entlassen werden kann. "Gerade um Weihnachten herum war die Situation schlimm", sagt sie. "Da hat es bis zu fünf Tage gedauert, bis endlich ein Platz gefunden wurde." Die Suche gestalte sich aufwendig, bis zu 15 Seniorenheime müssen angefragt werden, bis es endlich eine Zusage gibt. "Die Heime haben nämlich keine bestimmte Anzahl an Kurzzeitpflegeplätze, sondern das Angebot ist abhängig vom jeweiligen Patientenaufkommen", erklärt Braun.

In den Heimen aber stehen die Betten nur selten leer, zudem ist für die Betreiber die Kurzzeitpflege wirtschaftlich nicht rentabel und schwierig zu planen. Und: Ein Kurzzeitpflegepatient bedeute immer eine intensivere Betreuung und mehr Arbeit, sagt Braun. Bei dem großen Mangel an Pflegekräften sei das nur schwer zu handeln.

Im Landratsamt Freising gibt es eine unabhängige Pflegefachberatung. Ein Thema dort sind die Kurzzeitpflegeplätze. Zum einen wenden sich pflegende Angehörige an die Stelle, zum anderen Betroffene selbst. "Der Bedarf an Plätzen ist größer als das Angebot, das merken auch wir", bestätigt Landratsamtssprecher Robert Stangl. Dem Landratsamt aber seien die Hände gebunden, "wir können nur beraten und vermitteln, Plätze schaffen aber nicht", sagt Stangl.

Ein Förderprogramm des Freistaats soll das Defizit durch Kurzzeitpflegeplätze ausgleichen

In Bayern soll ein Förderprogramm, das seit September 2018 läuft, Abhilfe schaffen. Die Staatsregierung stellt den Heimen fünf Millionen Euro zur Verfügung, um in den kommenden Jahren 500 zusätzliche feste Kurzzeitpflegeplätze einzurichten. Für jeden Platz gibt es einen jährlichen Zuschuss von 10 000 Euro. Mit diesem sollen die Heime das Defizit ausgleichen, das sie mit den festen Kurzzeitpflegeplätzen machen. Zudem soll bundesweit ein Rechtsanspruch auf die Kurzzeitpflege eingeführt werden. Neben den Pflegekassen sollen auch die Bundesländer die Verantwortung für die zusätzlichen Plätze mittragen.

Für Walburga Braun, die Mitglied im Arbeitskreis Gesundheitsregion plus des Landkreises ist, stellt dieser Rechtsanspruch allerdings nur eine "Luftnummer" dar: Auf dem Papier gebe es zwar dann den Anspruch, aber das bringe nichts, sagt sie. "Das ist doch ähnlich wie bei den Kindergartenplätzen. Die Politiker wollen sich freikaufen." Was wirklich verändert werden müsste, seien die Rahmenbedingungen: "Wir brauchen einfach mehr Pflegepersonal." Der Beruf müsse für junge Leute wieder attraktiver werden, "das braucht ein gutes Gehalt, ein gutes Ansehen und bessere Arbeitsbedingungen".

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SZ vom 17.01.2020
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