Süddeutsche Zeitung

Städtekooperation:Partnerschaft mit Weifang in der Kritik

Lesezeit: 3 min

Die Tibet-Initiative stellt den Austausch mit der chinesischen Metropole infrage, weil unklar ist, ob dort Menschenrechte verletzt werden.

Von Laura Dahmer, Freising

Wenn es um das Thema China geht, dann bleiben kritische Stimmen meist nicht aus, die das repressive System, Menschenrechtsverletzungen und unzureichenden Umweltschutz anprangern. Skeptiker melden sich nun auch im Landkreis Freising zu Wort, der seit 30 Jahren eine Partnerschaft mit der chinesischen Stadt Weifang unterhält. Die Freisinger Regionalgruppe der Tibet-Initiative Deutschland hat sich mit einem Fragenkatalog an den Landkreis gewandt, stellt die Kooperation infrage und bittet um eine Diskussion.

"Das wäre ja, als hätte ein ausländischer Ort während des Zweiten Weltkriegs eine Partnerschaft mit Dachau angefangen", stellt Andreas Printz von der Initiative fest. Bei einer Recherche hat er herausgefunden, dass es in Weifang zwei Arbeitslager, sogenannte Laogai-Lager, geben soll. Menschenrechtsorganisationen äußerten den Verdacht, dass der Umgang mit Häftlingen durch Misshandlungen und Folter geprägt sei, sogar von Organhandel sei die Rede.

"Wir sollten uns nicht blauäugig in eine Kooperation begeben"

Sucht man im Internet nach den Schlagwörtern "Weifang" und "Arbeitslager", stößt man auf eine Wikipedia-Liste, auf der eine Chemie- und eine Felsmaterial-Fabrik mit Sitz in der chinesischen Stadt auftauchen. Deutlich tiefgreifendere Informationen hat auch Printz nicht finden können, mit seiner Anfrage an den Landkreis will er deswegen Klarheit schaffen. "Wir sollten uns nicht blauäugig in eine Kooperation begeben - unwissend, ob auf der anderen Seite nicht massive Menschenrechtsverletzungen stattfinden", bemerkt der Freisinger, der sich normalerweise für Tibet engagiert.

Sollte sich sein Verdacht nach einer Antwort des Landkreises bestätigen, hält Printz eine Fortführung der Partnerschaft mit Weifang nicht für tragbar. "Ich habe auch das Gefühl, chinakritische Äußerungen werden hier im Landkreis nur ungerne gehört", bemängelt Printz. Er sei aber nicht per se für eine Beendigung, ihm sei vor allem der offene Dialog wichtig - auch dann, wenn es um kritische Themen geht.

"Es ist wichtig, kritische Fragen zu stellen"

Diese Auffassung teilt Kreisrat Johannes Becher (Grüne), der sich in einer Arbeitsgruppe für die Partnerschaft engagiert: "Es ist richtig und wichtig, diese kritischen Fragen zu stellen." Ein Ende der Partnerschaft steht für ihn zurzeit nicht zur Debatte, auch er vermisst aber eine inhaltlich tiefere Zusammenarbeit. "Ziel sollte sein, das Bündnis von einer Höflichkeitsebene mit sportlichen und schulischen Austauschen auf eine Arbeitsebene zu bringen, auf der man offen reden kann", betont Becher.

Über mögliche Arbeitslager habe er bisher nichts Substanzielles gehört. "Bevor man dazu keine konkreten Informationen hat, kann man das schlecht bei den Partnern in Weifang ansprechen", findet Becher und begrüßt deshalb die Fragen der Tibet-Initiative. Das Landratsamt müsse jetzt nachforschen, bei der nächsten Reise könne man solche Themen auf die Agenda setzen. Er warnt aber einer Pauschalisierung: "Man kann die einzelnen Menschen in Weifang nicht für das verantwortlich machen, was in ihrem Land passiert."

Sprecher Stangl wundert sich über den Zeitpunkt der Debatte

Bechers eigene Fraktion hat in der Vergangenheit selbst Zweifel an der Partnerschaft mit Weifang verlauten lassen, auch heute noch gingen die Positionen auseinander, sagt er. Der Hauptvorwurf damals wie heute: Kritische Themen wie Menschenrechte und Klimaschutz dürften nicht ausgeklammert werden. Ziel ist es, den Kontakt unter den Partnern auszubauen. Daraufhin wurde die Arbeitsgruppe Weifang gegründet, auch Becher hat an einem Konzept zum Ausbau der Partnerschaft mitgearbeitet. Neben der Völkerverständigung sind dabei die Knüpfung wirtschaftlicher Kontakte und die positive Darstellung Deutschlands vorgesehen.

Dass dies bisher nicht ausreichend umgesetzt wurde, ist ein weiterer Kritikpunkt der Tibet-Initiative um Andreas Printz. "Es stellt sich auch die Frage, ob es zwischen einer Neun-Millionen-Metropole und einem Landkreis der Größe Freisings überhaupt genug Anknüpfungspunkte gibt", wendet Printz ein. Das Landratsamt zeigt sich von dem Vorstoß der Tibet-Initiative überrascht. "Die Partnerschaft besteht seit 30 Jahren. Warum kommt das jetzt auf?", wundert sich Pressesprecher Robert Stangl. Man wolle sich aber mit dem Fragenkatalog befassen und ihn in der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe Weifang besprechen. Am Ende finden alle: Es ist wichtig, miteinander zu reden. "Das ist auch die Stärke auf kommunaler Ebene: Auch wenn international zwischen unseren Ländern Diskrepanzen herrschen, können wir das tun", weiß Becher.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2017
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