Süddeutsche Zeitung

Automat in Neufahrn:Cannabis-Verkauf vorerst gestoppt

Das Landgericht lässt den Cannabis-Automat in Neufahrn beschlagnahmen. Zuvor war der Automat mit legalen Cannabis-Produkten aufgebrochen worden.

Von Peter Becker und Alexandra Vettori, Neufahrn

Die Polizei hat am Dienstagnachmittag einen Verkaufsautomaten auf dem Neufahrner Marktplatz beschlagnahmt. In diesem bot ein Unternehmen aus München neben gängigen Konsumartikeln auch Cannabisprodukte wie Blüten, Öle und Süßwaren an. Die Abgabe am Automaten sollte lediglich an Erwachsene erfolgen. Der Käufer musste an einem Lesegerät sein Alter mittels eines Ausweises dokumentieren. Auf Antrag der Landshuter Staatsanwaltschaft erließ das Landshuter Landgericht jetzt nach Angaben der Neufahrner Polizei die Anordnung, den Automaten zu beschlagnahmen. "Es besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz", lautet die Begründung dieser Vorgehensweise. Den Beschluss setzten Beamte der Neufahrner Polizei und der Erdinger Kriminalpolizei um.

Der Automat befand sich seit geraumer Zeit in Neufahrn und sorgte für erhebliche Neugier. Bereits am vergangenen Donnerstag war dessen Scheibe eingeschlagen worden. Die Diebe nahmen einen Großteil der angeboten Bonbons, Hanföl, Schokoriegel und Getränke sowie Bargeld mit. Der beschädigte Automat war erst am Montag durch ein neues Gerät ersetzt worden. Dieses hat jetzt die Polizei beschlagnahmt. Derzeit laufen Ermittlungen wegen Sachbeschädigung. Die Diebe waren der Polizei zuvorgekommen. Johannes Lang, Dienststellenleiter der Neufahrner Polizei, war bereits zu der Ansicht gekommen, dass die Kollegen die Produkte genauer unter die Lupe nehmen sollten. Da es sich offenbar um eine rechtliche Grauzone handelt, sollten Beamte überprüfen, ob dort alles mit rechten Dingen zugeht.

Die Vorgeschichte: Helle Aufregung wegen des Automaten

"Cannabis auf Knopfdruck", titelten Zeitungen im April dieses Jahres, als Deutschlands erster Automat mit legalen Cannabis-Produkten in Trier aufgestellt wurde. Die Polizei fand die Sache nicht so toll und baute das Gerät kurz darauf wieder ab, weil erst überprüft werden musste, ob die Sache tatsächlich legal war. Denn der Ausgangsstoff der Produkte darf nur spezieller, nicht berauschender Hanf sein, der den in Deutschland verbotenen Stoff THC (Tetrahydrocannabinol) nicht enthält. Vor kurzem nun ist auf dem Neufahrner Marktplatz ebenfalls ein solcher Automat aufgestellt worden, mit Bonbons, Hanföl, Schokoriegeln und Getränken.

Die Neufahrner Jugend mit einschlägigen Interessen war in heller Aufregung, der Inhaber des benachbarten Tabakladens berichtet, dass aber nicht nur junge, sondern auch viele ältere Menschen den Automaten nutzten oder auch nur darum herum schlichen. Ein paar Tage ging das so, dann fand der Spuk ein jähes Ende. Am Morgen des vergangenen Donnerstags war die Scheibe eingeschlagen und ein Großteil der Produkte sowie Bargeld waren verschwunden. Nachfragen bei der Polizei in Neufahrn ergaben, dass Anzeige wegen Sachbeschädigung gestellt worden war. "Wir ermitteln", erklärte Polizeihauptkommissar Johannes Lang, der Neufahrner Dienststellenleiter. Damit sind die Diebe der Polizei zuvor gekommen, denn Johannes Lang ist ebenfalls der Ansicht, dass sich die Polizei den Automateninhalt genauer ansehen sollte, um festzustellen, ob wirklich alles mit rechten Dingen zugeht. "Das ist eine Grauzone", so Lang, der betonte, "aus polizeilicher Sicht sollte das durchaus überprüft werden". Sicher ist derzeit nur der Tatzeitraum des Automatenaufbruchs, irgendwann zwischen Mittwoch, 11. September, 17 Uhr, und Donnerstag, 6.45 Uhr.

Während die Hanfprodukte derzeit einen Boom erfahren, ist die Rechtslage ungeklärt

Tatsächlich gibt es deutschlandweit bisher keine wirklich einheitliche Linie. Einerseits ist der Hauptbestandteil des "legalen" Hanfes, Cannabidiol (CBD), legal. Andererseits muss garantiert sein, dass das Cannabis auch wirklich weniger als 0,2 Prozent THC enthält. Und selbst dann gibt es noch die Vorgabe im Betäubungsmittelgesetz, dass auch THC-arme Cannabis-Produkte nur dann verkauft werden dürfen, wenn das gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient und der Missbrauch durch Rauchen ausgeschlossen ist. Im April diesen Jahres führte die Münchner Polizei Razzien in acht Hanfläden durch und stellte große Teile des Sortiments sicher, darunter Kekse und Handcreme. Die Betreiber fielen aus allen Wolken, konnten sie doch alle auf EU-zertifizierte Lieferanten verweisen. Der ungeklärten Rechtslage zum Trotz, erleben Hanfprodukte mit Cannabidiol derzeit einen wahren Boom. Sogar in Drogerien werden sie angeboten. Kunden schwärmen von der entspannenden Wirkung, es soll entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend sein und gegen Übelkeit helfen. Auf die Produkte geschrieben werden darf das aber ebenso wenig wie eine Dosierungsanleitung, weil sie als Nahrungsergänzungsmittel gelten.

Gut möglich, dass sich die Neufahrner Polizei doch bald mit dem rechtlichen Gemengelage beschäftigen muss. Denn seit Montag steht ein neuer Automat am Marktplatz, mit Alterskontrolle und vielen Produkten, deren Preise zwischen fünf und 70 Euro liegen. Der Betreiber, ein Münchner Hanfshop, hat vorsichtshalber auch die Warnung angebracht, dass das Geräte kameraüberwacht sei.

Ein Passant erzählt, er habe kürzlich mal einen Kunden gefragt, warum er denn so etwas kaufe. "Der hat gesagt, das ist für seine Freundin. Ein paar Tropfen auf ein Stück Zucker, und sie kann wunderbar schlafen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4604955
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.09.2019/lada/nta
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.