Freising:Woher kommen die Chemikalien im Grundwasser?

Freising: Auch am Fuße des Freisinger Dombergs fließt die Moosach vorbei. Seit über einem Jahr weiß man von der beständigen Kontamination mit PFOS-Chemikalien. Jetzt könnte zumindest eine Ursache dafür gefunden sein.

Auch am Fuße des Freisinger Dombergs fließt die Moosach vorbei. Seit über einem Jahr weiß man von der beständigen Kontamination mit PFOS-Chemikalien. Jetzt könnte zumindest eine Ursache dafür gefunden sein.

(Foto: Marco Einfeldt)

Seit Monaten stellen Experten erhöhte PFOS-Konzentrationen in der Moosach fest. Das Wasserwirtschaftsamt hat nun eine mögliche Ursache gefunden.

Von Nadja Tausche

Seit knapp einem Jahr ist bekannt, dass die Konzentration an schädlichen PFOS-Chemikalien im Grundwasser des südlichen Landkreises Freising sowie im nördlichen Münchner Stadtgebiet erhöht ist. Wie sich jetzt herausstellt, kommt wohl zumindest ein Teil davon durch eine Verunreinigung des Grundwassers beim Autohersteller BMW in München zustande. "Es ist zu vermuten, dass die Firma als einer der Schadensherde zu sehen ist", sagt der Leiter des Wasserwirtschaftsamts München, Christian Leeb. Wie groß dieser Anteil ist, ist unklar, auch andere Fragen bleiben offen.

Das Wasserwirtschaftsamt hat die erhöhten Messwerte bei BMW im Rahmen von Grundwasserbeprobungen festgestellt. Im Bereich des Forschungs- und Innovationszentrums an der Knorrstraße überschreiten sie den Schwellenwert für per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) - zu denen PFOS gehören - gleich an vier Stellen. Es sei davon auszugehen, dass BMW hierzu "einen Beitrag geleistet" habe, sagt Leeb auf Anfrage der Freisinger SZ. Nicht auszuschließen ist unabhängig davon, dass ein Unfall in der Lackiererei von BMW zu erhöhten Werten beigetragen hat.

Zu der Verunreinigung kam es wohl bereits vor zweieinhalb Jahren: "Als mögliche Schadensursache wird ein Austritt von Feuerlöschschaum aus der Lackiererei im Januar 2018 vermutet", heißt es in einem Bericht des Wasserwirtschaftsamts. Dieses hatte die krebserregenden Chemikalien im Herbst 2019 im Abstrom von BMW festgestellt und daraufhin die Firma informiert. Die hat dann selbst untersucht - und laut Bericht an einer Messstelle "eine stark erhöhte PFC-Konzentration" festgestellt.

Von BMW selbst heißt es, tatsächlich sei im Januar 2018 "aufgrund einer Fehlauslösung einer stationären Löschanlage" Löschschaum ausgetreten. Untersuchungen deuteten darauf hin, so Pressesprecher Jochen Diernberger, dass dadurch das Grundwasser verunreinigt worden sei. Ob das mit den erhöhten PFC-Werten im Grundwasser im Norden Münchens und im südlichen Landkreises Freising zusammenhänge, sei aber keineswegs belegt: "Eine eindeutige Zuordnung der erhöhten Werte zu einem bestimmten Schadensereignis ist laut dem Wasserwirtschaftsamt München nicht möglich", meint Diernberger.

Der Unfall kann nicht die einzige Ursache sein

Klar ist zumindest, dass die bei dem Unfall ausgetretene Menge an PFC-Chemikalien zu gering ist, um die einzige Quelle für die erhöhten Werte zu sein. Man gehe davon aus, dass es mehrere Schadstoffquellen gebe, sagt Wasserwirtschaftsamtsleiter Leeb. Ursprünglich sei man von einem einzelnen Schaden im Untergrund ausgegangen - die Stoffe könnten sich aber auch über Jahre angesammelt haben. Die Quelle der Chemikalien sucht das Wasserwirtschaftsamt, seit im August 2019 erhöhte PFOS-Werte in den Flüssen Moosach und Mauka sowie im Grundwasser des Landkreises Freising festgestellt worden waren. Weil die Chemikalien auch in wild lebenden Fischen aus der Moosach nachgewiesen wurden, gaben die Landratsämter München und Freising eine Verzehrwarnung heraus. Das Freisinger Landratsamt stellte Anzeige gegen Unbekannt.

Die Verzehrwarnung für Wildfische aus der Moosach gelte nach wie vor, sagt Robert Stangl, Pressesprecher des Freisinger Landratsamts, auf Anfrage: Es hätten sich zwischenzeitlich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Sowohl bei Trink- als auch bei Badewasser lägen die Messergebnisse "unterhalb der jeweiligen Nachweisgrenze". Die Freisinger Stadtwerke wollen im Herbst wieder PFOS-Proben beauftragen, heißt es von Pressesprecherin Nina Reitz: "Grundsätzlich hat sich an den Aussagen vom letzten Jahr nichts geändert." Die Trinkwasserwerte lagen damals den Stadtwerken zufolge deutlich unter dem Schwellenwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter, weitere Maßnahmen wären damit laut dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit "nicht begründet". Trotzdem: PFC-Chemikalien gelten als krebserregend, außerdem sind sie möglicherweise lebertoxisch und fruchtbarkeitsreduzierend. Im Grundwasser wurde der Schwellenwert im Untersuchungsgebiet gleich an mehreren Stellen überschritten. Beim BMW-Gelände lag der Wert bei 2,0 Mikrogramm pro Liter - das Zwanzigfache des Schwellenwerts.

PFOS im Löschschaum ist seit 2011 verboten

Wie genau die Chemikalien damals in den Boden gelangt sind, bleibt unklar. Eigentlich ist PFOS als Bestandteil von Feuerlöschschaum seit dem Jahr 2011 EU-weit verboten. BMW selbst geht davon aus, dass es an der Menge liegt: Der Stoff sei erst ab einer bestimmten Konzentration verboten - und es sei immerhin eine ganze Halle mit dem Schaum vollgelaufen, sagt Diernberger und beteuert: "Bei dieser stationären Löschanlage wurde ein Löschmittel verwendet, welches die aktuellen gesetzlichen Anforderungen erfüllt." Leeb dagegen vermutet, dass es sich um veralteten Löschschaum mit dem Bestandteil PFOS gehandelt hat. Dieses auch nach dem Verbot noch aufzubrauchen, sei aber legal, sagt er. In jedem Fall stellt die Verunreinigung durch BMW laut Wasserwirtschaftsamt "eine schädliche Veränderung des Grundwassers im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes" dar.

Damit sich die Chemikalien nicht weiterverbreiten, erarbeitet BMW mit dem Umweltreferat München und dem Wasserwirtschaftsamt derzeit ein Sanierungskonzept. Geplant sind laut Letzterem etwa Bohrungen zur Schadenseingrenzung sowie Dichtheitsprüfungen von Kanälen. Dass die anderen Quellen der kritischen Chemikalien gefunden werden, scheint derweil immer unwahrscheinlicher zu werden. Man habe dort geprüft, wo es möglich sei, sagt Leeb: "Näher lässt es sich nicht eingrenzen." Nun werde man im halbjährlichen Rhythmus an ausgewählten Messstellen prüfen, wie sich die Werte entwickeln. Die bisher gemessenen Grundwasserverunreinigungen im südlichen Landkreis Freising und im Münchner Norden seien zwar als "erheblich" einzustufen und erforderten weitere Maßnahmen, so steht es im Bericht. Aber: "Ein Sanierungsbedarf besteht zum derzeitigen Kenntnisstand nicht." In welchen Mengen sich die Chemikalien in Zukunft im Grundwasser weiterverbreiten: Man scheint es abwarten zu müssen.

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