Neuer Prozess in Landshut:Der dritte Versuch

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Vom Vorwurf des versuchten Totschlags ist ein Neufahrner freigesprochen worden. Wegen seiner psychischen Erkrankung hat das Schwurgericht allerdings eine Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Ein Freisinger muss sich zum wiederholten Mal wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter vor dem Landgericht verantworten. Das befand ihn einmal für unschuldig, dann für schuldig. Beide Male kassierte der BGH das Urteil.

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Bereits zum dritten Mal muss sich ein heute 50-jähriger Familienvater aus Freising seit Mittwoch vor dem Landgericht Landshut verantworten, weil er seine Tochter sexuell missbraucht haben soll. Im September 2015 hatte die sechste Strafkammer unter Vorsitz von Richter Ralph Reiter den nicht vorbestraften Beamten freigesprochen, weil sie keine objektiven Beweise erkannt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil wegen eines Formfehlers auf und verwies ihn zurück ans Landgericht, wo die vierte Strafkammer unter Vorsitz von Richter Theo Ziegler den Fall im Jahr 2018 neu aufrollte und den Angeklagten zu drei Jahren Gefängnis verurteilte.

Der BGH bemängelte jedoch auch dieses Urteil, und so landete der Fall abermals am Landshuter Landgericht. Dort befasst sich jetzt die erste Strafkammer unter Vorsitz von Richter Markus Kring damit - der dritte Anlauf innerhalb von sechs Jahren.

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Laut Staatsanwaltschaft soll der Freisinger das damals 14-jährige Mädchen, laut Anklage die Adoptivtochter und leibliche Nichte des Beschuldigten, 2007 und 2008 anlässlich einer Familienfeier in Heiligenstadt und in der gemeinsamen Wohnung in Freising insgesamt dreimal missbraucht haben. In einem Fall ist von Beischlaf ähnlichen sexuellen Handlungen und Vergewaltigung die Rede.

Der Angeklagte beteuert sein Unschuld

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe schon in den beiden vorhergehenden Verhandlungen abgestritten und beteuerte am Mittwoch erneut seine Unschuld. "Der Sachverhalt trifft in Gänze nicht zu, die angeklagten Taten hat er nicht begangen", teilte der Verteidiger in einer Erklärung für seinen Mandanten mit. Er habe seine Kinder nie in sexuell motivierter Absicht angefasst, bekräftigte der Angeklagte. Die von zwei weiteren Töchtern des Beschuldigten erhobenen Vorwürfe, dass auch sie von ihm missbraucht worden seien, sah das Gericht bereits in der Hauptverhandlung vor drei Jahren als nicht als erwiesen an.

Rosenkrieg mit der Frau

Der Angeklagte führt die in seinen Augen unberechtigten Vorwürfe, wie er andeutete, auf eine Art Rosenkrieg mit seiner Frau zurück, von der er inzwischen geschieden ist. Das Paar, das vier leibliche Kinder hat, zog 2001 nach Freising. Es gab immer wieder Eheprobleme und zwischenzeitliche Trennungen, ehe 2015 die Scheidung folgte. Seine Ex-Frau habe die Kinder gegen ihn aufgebracht, hatte der Freisinger in der Verhandlung vor drei Jahren gesagt. Dass das mutmaßliche Opfer, das damals wie heute im Prozess als Nebenklägerin auftritt, von der Mutter instrumentalisiert worden sei, sah das Gericht 2018 nicht so.

Ob die heute 28-jährige Tochter eine leibliche oder Adoptivtochter des Angeklagten ist, bleibt weiter im Dunklen. Der Angeklagte, der in Kamerun geboren wurde und nun Deutscher ist, konnte es selbst nicht zu 100 Prozent sagen. "Ich weiß es nicht", sagte er in der Verhandlung am Mittwoch. In der Geburtsurkunde sei der Angeklagte als Vater eingetragen, sagte Richter Kring. Es stehe aber auch als Möglichkeit im Raum, dass es die Tochter der Schwester des Angeklagten sei.

Geld- und Drogenprobleme

Aus Verantwortungsbewusstsein habe er sie jedenfalls als kleines Mädchen aus Kamerun mit nach Deutschland genommen und als seine Tochter aufgezogen, so der Beschuldigte. Nach seiner Darstellung hat sie jedoch als kleines Kind und später als Teenager und junge Frau viele Probleme gemacht. Schon im Kindergarten- und Schulalter habe sie Freunde belogen und falsch verdächtigt. Später, so vermutet der Angeklagte, habe sie Geld- und Drogenprobleme gehabt.

Ein bereits vorliegendes Gutachten über die 28-Jährige, das in der Verhandlung präsentiert werden soll, spricht offenbar gegen deren Glaubwürdigkeit. Der Vorsitzende hatte noch vor Prozessbeginn in einem Telefonat mit dem Nebenklage-Anwalt gesagt, aufgrund der Aktenlage, des aktuellen prozessualen Stands und des Gutachtens halte er eine Verurteilung - vorläufig - für sehr unwahrscheinlich. Der Anwalt teilte diese Auffassung, wie er am Mittwoch zugab. Dennoch beantragte er im Auftrag seiner Mandantin, den Vorsitzenden wegen Befangenheit abzulehnen. Sie befürchtet, er werde ihr mit vorgefasster Meinung gegenüber treten. Das Gericht verschob eine Behandlung des Antrags zunächst. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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